61 keit solcher Beweisführung braucht heute, wo man über weit bessere Beobachtungen verfügt, nicht hingewiesen zu werden. Die Sterblichkeits- und Trauungsquotienten sollen nach Quetelet als typische Eigenschaften des Durchschnittsmenschen zu betrachten sein. Eine einfache Probe wird uns zeigen, daß dieses keineswegs zutrifft. Wenn man z. B. für eine Periode die Heiratswahrschein- lichkeit für beide Geschlechter und die einzelnen Altersklassen be- rechnet hat, kann man auf dieser Grundlage für ein einzelnes Jahr ein „Budget“ der Eheschließungen aufstellen. Es wird sich dann in der Regel, auf Grund der fortwährenden Verschiebungen inner- halb der Bevölkerung, zeigen, daß sich die Zahl der Trauungen ver- schieden ergibt, je nachdem man die Zahl der Bräute oder der Bräutigame berechnet. Es müssen sich also notwendigerweise die Wahrscheinlichkeitswerte mit den Verschiebungen innerhalb der Bevölkerung ändern; lägen feste, unveränderliche Naturgesetze vor, würden solche Verschiebungen nicht denkbar sein. Übrigens ist schon deshalb die Theorie des Durchschnittsmenschen nicht anwendbar, weil eine Verhältniszahl wie der Sterblichkeits- quotient überhaupt nicht als Eigenschaft eines einzelnen Menschen betrachtet werden kann. Beträgt die Sterblichkeit 2 Proz. der Be- völkerung, so besagt dies nur soviel, daß unter 100 zwei sterben werden; von 100 Durchschnittsmenschen, welche also alle genau dieselben Eigenschaften hätten, würden aber alle gleichzeitig vom Tode betroffen werden oder alle am Leben bleiben. Unklar ist auch der Queteletsche Begriff einer tendance au mariage. In Wirklichkeit ist die Heiratsfrequenz ein kombinierter Ausdruck, ein Ausdruck nämlich sowohl für die Häufigkeit des Sieges der Menschen über die sich der Verehelichung entgegen- stellenden Schwierigkeiten als auch für den Wunsch, verheiratet zu werden. Quetelet unterscheidet allerdings eine scheinbare von einer wirklichen Zuneigung zur Ehe (Systeme social, S. 77 ff.); man könne zur Ehe geneigt sein, ohne jemals verheiratet zu werden, ebenso wie ein Spieler, trotz guter Chancen zu gewinnen, doch ständig verlieren kann. Wenn man mit großen Zahlen operierte, würde sich jedoch, wie er meint, der Unterschied ausgleichen; kurz und gut, er hat für den eigentlichen Kern der Sache kein Auge gehabt. 43. Auf dem Gebiete des rein Physischen, wo es sich um die Anthropometrie handelte, dürften die Verdienste Quetelets am unbestreitbarsten sein. Hier hat er interessante und anregende