62 V. Eignung und Bildung für den Beruf des Buchhändlers. ihnen die tiefere wissenschaftliche Grundlage fehlt? Diese Frage ist wohl bedingungslos zu verneinen. Sie geben eben in der Haupt- sache die Anwärter für die mittlere Laufbahn, gleich dem Militär- anwärter mit Volksschulbildung im Beamtenkörper des Staats. Aber während die Anforderungen, die nur durch akademische Bil- dung erfüllt werden können, nach dem Beamtenregulativ den Beamten der mittleren Laufbahn von den Stellungen in der höheren aus- schließen, galt zu allen Zeiten in den bürgerlichen Berufen das Losungswort: „Freie Bahn dem Tüchtigen!“ oder das Wort Napo- leons: „Jeder Soldat trägt den Marschallstab im Tornister !“ Im Leipziger Kommissionsbuchhandel sind viele Prokuristen- und andere leitende Posten aus der Gehilfenschaft besetzt worden, die mit Volksschulbildung in ihre Berufstätigkeit eingetreten ist; zahl- reiche Geschäftsleiter im Verlag und Sortiment, angesehene Firmen- inhaber, bis in die Spitzen des Börsenvereins hinein, haben aller- orten ihre Erfolge auf der Grundlage der einfachen Volksschul- bildung aufgebaut. Aber welche Summe von Arbeit an ihrer Weiter- bildung haben sie neben ihrer beruflichen Tätigkeit aufwenden müssen, um die Höhe, auf die sie im Leben gelangt sind, zu erklim- men! Es ist das freilich auch immer nur ein kleiner, auserlesener Teil der mittleren Schicht der Gehilfenschaft, während anderseits auch ein nicht unerheblicher Prozentsatz in der Unterschicht ver- sinkt, Ebenso erhält die mittlere Gehilfenschaft Zuzug aus der oberen, von solchen, die sich hier trotz ihrer höheren Schul- bildung, teils infolge mangelnden Könnens, teils unter dem Einfluß äußerer Verhältnisse, nicht behaupten und durchzusetzen vermochten. Mehr denn je erklingt heute im Buchhandel der Ruf nach guter beruflicher Vor- und Durchbildung der Gehilfenschaft zur geistigen Hebung des gesamten Buchhändlerstandes; denn der Gehilfe von heute ist der Geschäftsleiter und Firmeninhaber von morgen. Der Buchhandel hat nicht nur die hohe Aufgabe, die geistigen Schätze der Nation zu verwalten, sondern sie zu mehren und zu verbreiten. Daß er diese Aufgabe nur erfüllen kann, wenn seine geistige Ober- schicht über die beste Bildung ihrer Zeit verfügt, steht wohl außer Frage. Die Frau im Buchhandel. In diesem Zusammenhange sei auch der Frau im Buchhandel ge- dacht. In der Vorkriegszeit wandten sich weibliche Kräfte dem buchhändlerischen Berufe nur ausnahmsweise zu. Zunächst sah man sie als Stenotypistinnen und in der gehobenen Stellung der Sekretärin, hin und wieder auch in den Verlegerkontoren. In der Kriegszeit eroberten sich die weiblichen Mitarbeiter viele Stellen im Buchhandel, die zuvor nur durch männliche Kräfte besetzt