272 GEOGRAPHISCHE STAATENKUNDE lungen nach außen die beste Gewähr für erfolgreiche Durchführung. Denn abgesehen von der günstigen ideellen Einstellung der Bevölke- rung eines wirtschaftlich geordneten Staates ist neben der Menge der zur Verfügung stehenden Kämpfer die wirtschaftliche Rüstung der kriegführenden Staaten entscheidend. Das wirtschaftlich höher stehende Volk vermag im allgemeinen seine Truppen besser zu ernähren, besser mit allen Waffen und technischen Hilfsmitteln auszurüsten und schneller zu transportieren als der wirtschaftlich zurückgebliebene Staat. — Aber nicht nur für den Verlauf moderner Kriege sind wirtschaftliche Ver- hältnisse mitbestimmend, sondern in noch höherem Maße in bezug auf ihren Anlaß und ihre Ziele. Bei großen Kriegen zivilisierter Nationen wird das immer der Fall sein, besonders aber dann, wenn die Industri- alisierung so weit fortgeschritten ist, daß das Volk auf die Erhaltung der Zufuhren von Lebensmitteln und Rohstoffen angewiesen ist. Der Strategie kann dadurch möglicherweise eine bestimmte Richtung auf- gezwungen werden (Groener). Der Russisch-Japanische Krieg ging um die Frage, ob Rußland oder Japan an der asiatischen Küste des Pazifischen Ozeans die Vormacht werden und den Gewinn des von Jahr zu Jahr sich stärker entwickelnden pazifischen Handels einheimsen sollte, ob Japan oder Rußland durch Eisenbahnen und Bergwerke die reichen Schätze der Mandschurei und Chinas ausbeuten sollte. — Anlaß und englisches Ziel des Burenkrieges waren die Gold- und Diamantenfelder der Burenstaaten. — Daß aber die furchtbaren Opfer des Weltkrieges vor allem aus wirtschaftlichen Erwägungen gebracht wurden, ist oft genug ausgesprochen und erwiesen worden. Der Krieg ist namentlich vom britischen Standpunkte aus nach Aussage englischer Staatsmänner nichts anderes als ein Weltwirtschafts- krieg, ein „Geschäftskrieg“ um die dauernde Vormachtstellung Englands auf dem Weltmarkt gewesen. Das englische Ziel war, den unbequemen deutschen Kon- kurrenten im internationalen Handel, in der Industrie, in der Weltschiffahrt, auf dem Kapitalmarkt und bei der Jagd nach Kolonien zu verdrängen und durch Schwächung und Verkleinerung nach Möglichkeit unschädlich zu machen. England hat dies Kriegsziel erreicht, mußte allerdings erleben, daß ihm dafür ein weit lei- stungsfähigerer und gefährlicherer Konkurrent in den Vereinigten Staaten entstand, Endlich ist die Anwendung wirtschaftlicher Kriegsmittel zu erwähnen. Die Blockade von Küsten und das Abfangen von Handels- schiffen kennt man aus zahlreichen Beispielen der Geschichte (Kon- tinentalsperre). Aber noch nie sind die Mittel wirtschaftlicher Ver- nichtung — Rohstoffsperre und Hungerblockade — den militärischen Mitteln mit solcher Wucht zur Seite getreten wie im Weltkriege. Daß künftig, wie manche meinen, Kriege nicht mehr sein werden und daß ein von allen Staaten der Erde gebildeter Völkerbund wirklich im- stande sei, alle wirtschaftlichen Streitfragen und politischen Reibungen, die immer wieder auftauchen werden, auf friedlichem Wege durch Schieds- gerichte beizulegen, ist schwer zu glauben. Die Erreichung dieses Mensch- heitszieles würde bei allen Völkern einen Zustand gegenseitigen Verstehens und eine Anerkennung aller billigen fremden Rechte und Ansprüche, kurz einen Zustand höchster Friedensliebe voraussetzen, wie er bisher weder in der Merischheit noch in der Natur überhaupt jemals bestanden hat. Wohl aber kann man hoffen, daß die Bestrebungen internationaler Völker- verständigung künftig zu einer Verminderung der Kriege führen werden.