112 8. Kapitel. Kriegstribute und Kapitalrückzahlungen. Nach den neuesten Meldungen sollen die im Laufe des Jahres 1930 zu mobilisierenden Zahlungen 300 Mil- lionen Dollar = 1,200 Milliarden Mark von 1708 Mil- lionen für das Etatjahr 1930—31 überhaupt betragen, wovon aber 400 Millionen Mark an das Reich für Zwecke der Reichsbahn und Reichspost fließen!. Es würde also nicht ganz die Hälfte der Annuität des lau- fenden Jahres für Reparationsleistungen mobilisiert werden. Ich kann mir nun nicht denken, daß jemand glauben kann, es könnten in den folgenden Jahren größere Summen mobilisiert werden. Über die Leistungsfähig- keit Deutschlands Ende der 30er und in den 40er Jahren, wenn die Reparationsverpflichtungen noch steigen, ein Urteil abzugeben, ist unmöglich. Man über- schätzt meines Erachtens die Bedeutung der Mobili- sierungsfrage ganz ebenso, wie man seinerzeit beim Dawesplan die Bedeutung des Wohlstandsindex über- schätzte, an den sich unendlich viele Erörterungen knüpften, trotzdem klar war, daß er niemals praktisch werden würde, weil schon vorher der Dawesplan an dem Übermaß der Forderungen scheitern mußte. Ganz dasselbe wird aber auch mit dem Youngplan der Fall sein. Unter den wirklich wirtschafflichen Sach- verständigen, die nicht zugleich Politiker sind, sondern nur die Sprache der wirtschaftlichen Vernunft sprechen lassen, glaubt kein Mensch, daß diese Verpflichtungen erfüllt werden können, Es braucht dazu gar keine tiefe Einsicht in die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Ein Zinsfuß von 10% trotz des Zustroms von Milliarden ausländischen Kapitals und ein Arbeitslosenheer von mehr als 2 Millionen, für das ungeheure soziale Aufwen- 1 Daß die Reichspost trotz höherer Tarife als in den meisten anderen Staaten Änleihebedarf hat, dürfte auch nur ein Zeichen schlechter Verwaltung sein und sollte unter allen Umständen vermieden werden,