84 das Gesagte natürlich für diejenigen Werturteile, die in historisch geoffenbarten Religionen, also im Bereiche der katholischen Religion in der lex divina positiva, ihre Wurzeln haben. Die „Wahrheit“ gött- licher Offenbarungen mit Verstandskategorien beweisen wollen, ist Vermessenheit. Die Dogmatik, zu deren Bereich die Erörterung der religiösen Wahrheiten und somit auch der religiös verankerten Werte gehört, ist ebenso wissenschafts-transzendent. wie die Metaphysik. In der meist sehr oberflächlich geführten Erörterung über „Wert- urteile” in der Nationalökonomie, deren Berechtigung, ich wieder- hole es, ich einstweilen gar nicht prüfen will, sollte nun wenig- stens diese Einsicht nicht länger unbeachtet bleiben: daß Werte und damit auch Urteile über Werte außerhalb des Bereichs des Erfahrungswissens und des Evidenzwissens liegen, viel- mehr der Sphäre philosophischer (oder religiöser) Erkennt- nis angehören, . Damit ist aber auch der Artcharakter der richtenden National- ökonomie bestimmt: es handelt sich bei ihr nicht um Wissenschaft, sondern um Metaphysik (die eigene des Autors oder eine erborgte), wenn nicht gar um Religion. Worauf es mir in diesem ganzen Ab- schnitt ankam, ist die scharfe Herausstellung dieser Eigenart der richtenden Nationalökonomie. Im Interesse gedanklicher Sauberkeit müssen wir endlich diese „untreue Vermischung“ zweier völlig von- einander verschiedenen Erkenninisweisen aufgeben. Was jetzt noch so häufig in unseren nationalökonomischen Lehrbüchern und so- genannten Systemen geboten wird, ist eine unerträgliche Durchein- andermanschung artverschiedener Dinge, ist eine unleidliche Stil- mischung, wie wir sie in dem Salon eines Parvenus anzutreffen ge- wohnt sind. Um wie verschiedene Dinge es sich bei Metaphysik und Wissen- schaft handelt, werden wir erst ganz einzusehen vermögen, wenn wir nun im folgenden die Denkweise der wissenschaftlichen National- ökonomie kennenlernen.