280 2. Metaphysik und Nationalökonomie Daß richtende Nationalökonomie, die wir als Metaphysik erkannt hatten, möglich ist, beweist die Tatsache, daß sie da ist; wie sie möglich ist, habe ich im sechsten Kapitel darzulegen versucht. Wenn ich nun an dieser Stelle die Frage aufwerfe: ob sie not- wendig, das heißt unvermeidlich ist, ob — mit anderen. Worten — die Nationalökonomie nie anders als eine richtende, normative Er- kenntnisweise sein kann, so bedeutet das in etwas erweiterter Form die Frage: ob wir Nationalökonomen Metaphysik treiben müssen, wenn wir die Wirtschaft erkennen wollen, ob Metaphysik ein wesens- notwendiger Bestandteil unseres Erkennens ist, ob in jedem Urteil eines Nationalökonomen metaphysische, das heißt „weltanschauliche“ Bestandteile unausbleiblich vorhanden sind, wieweit nationalökonomi- sche Erkenntnis „weltanschaulich‘‘ verankert, gebunden, bedingt ist. Mit dem Hinweis auf diese wesensnotwendige Bindung an eine be- stimmte Weltanschauung wird von den gescheiteren Gegnern die „wertefreie‘‘“, „positivistische‘“ Nationalökonomie bekämpft, und es ist wichtig, daß wir diesen Punkt sehr gründlich erörtern, da tal- sächlich an dieser Stelle die Schlacht entschieden wird. (Positivistisch nannte ich eben die von mir vertretene Nationalökonomie; ich hätte statt dessen auch sagen können: „wissenschaftlich“. Denn der Positivis- mus gehört zum Wesen der Wissenschaft ebenso, wie er dem Wesen aller echten Philosophie fremd ist. Jemanden, der die ‚„Wertefrei- heit“ der Wissenschaft fordert, des „philosophischen‘‘ Positivismus anzuklagen, ist albern.) Die Prüfung der Sachlage ergibt nun folgendes‘: Es unterliegt keinem Zweifel, daß wir von einem „Standpunkt“ aus erkennen, das heißt: daß alles menschliche Wissen „seins- gebunden‘ ist, aus dem sehr einleuchtenden Grunde, weil es von endlichen Wesen in Zeit und Raum gehandhabt wird. Das gilt für 4 Erst nach Abschluß dieses Kapitels erhalte ich die Abhandlung von Eduard Spranger, Der Sinn der Voraussetzungslosigkeit in den Geisteswissenschaf ten. (Aus den Sitzungsberichten der Preuß. Akademie der Wiss. Phil.-Klasse 1929), die das hier behandelte Problem ebenfalls zum Gegenstande hat. Zu meiner Freude be- gegnen sich unsere Ansichten in weitem Umfange. Meine Ausführungen können als Ergänzung zu den Darlegungen Sprangers dienen.