I. Einleitung. S I. Auf Anregung des Völkerbundsrates traten im Mai des Jahres 1927 die Vertreter von 50 Staaten! zu der Weltwirtschaftskonferenz in Genf zusammen, um sich über die weltwirtschaftliche Lage im allgemeinen, sowie insbesondere über die Frage, auf welche Weise durch Maßnahmen wirtschaftlicher Art der Weltfrieden beeinflußt werden könne, auszu- sprechen. Die Konferenz hat das Ergebnis ihrer Verhandlungen neben einem Expose über die Weltwirtschaftslage in einer Reihe von Emp- lehlungen (voeux) zusammengefaßt. Bezüglich der Meistbegünstigungs- klausel, der ein besonderes Interesse zugewandt wurde, formulierte die Konferenz ihre Wünsche wie folgt: „I. Que la port&e et la forme de la clause soient du caractere le plus large et le plus liberal et que cette clause ne soit ni affaiblie ni restrainte, soit par des dispositions expresses, soit dar voie d’inter- pretation, 2. que soient Etablis des principes clairs et uniformes relatifs ä& U’interpreiation et A la portee de la clause, en ce qui concerne les droits de douanes et autres charges.‘“ Durch diese Beschlüsse wurde die rechtliche Seite des Meistbegünsti- zungsproblems in den Vordergrund gerückt. Die Rechtsprobleme der Handelsverträge hatten bisher vorwiegend akademisches Interesse. Die Beschäftigung mit ihnen erschien müßig, da sich in der Praxis die auto- nome Handelspolitik doch weitgehend gegenüber lästigen vertraglichen Bindungen durchzusetzen wußte, wenn Gegenmaßnahmen des be- troffenen Staates nicht zu befürchten waren. Gewiß konnten auch in solchen Fällen rechtliche Bedenken nie völlig ignoriert werden; primitiv- [ormalistische Interpretationsmethoden boten jedoch oft eine will- kommene Handhabe zur Umgehung von Vertragsbestimmungen und stimmten den praktischen Handelspolitiker gegenüber dem Handels- vertragsrecht skeptisch?. 1 Darunter von den Nichtmitgliedern insbesondere die Vereinigten Staaten ınd die Sowjet-Union. ? Sehr bezeichnend die Ausführungen über die Meistbegünstigungsklausel bei FARRA: Les effets de la clause de la nation la plus favorisge et la specialisation. des tarifs douaniers, Paris 1910, S. 104: „C'est une de ces machines de guerre congues a la maniere de la scholastique allemande, une arme A deux tranchants, qu’on peut Bonhoeffer, Meistbegünstigung.