— — 105 Der Nachkriegs-Protektionismus Dieser Protektionismus kommt darin zum Ausdruck, daß der Eigenerzeugung durch besondere staatliche Maßnahmen, Privilegien, Steuervergünstigungen, Produktionsprämien (auch die Bevorzugung bei Submissionen spielt eine Rolle) und vor allem durch erhöhte Schutzzölle eine besondere Unterstüzung gegenüber der fremden Einfuhr gewährt werden soll. Es ist nicht zu verwundern, daß diese Welle der staatlichen Schutzpolitik über die heutige Weltwirtschaft geht. Sie entspricht nur der Desorganisation derselben. Verfolgt man die Geschichte der Handelspolitik der letzten 200 Jahre, so wird man konstatieren, daß alle freihändlerischen Tendenzen sich aus einer engeren Verflechtung der Wirtschaften miteinander er- gaben. Mag man in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zwi- schen einer freihändlerischen und schutzzöllnerischen Epoche unter- scheiden, — beide sind im Vergleich zu dem merkantilistischen Sy- stem des 18. Jahrhunderts „freihändlerisch“ gewesen. Die neomer- kantilistische Eigenart jener zweiten Epoche tritt weit hinter dem zurück, was in dem Augenblicke eintrat, als die Weltwirtschaft des- organisiert, die internationale Arbeitsteilung durch Teuerung und Verarmung gelockert wurde. Fast alle Mittel der alten Merkantil- politik kehren wieder: Einfuhr- und Ausfuhrverbote, hohe Zölle, Kontingentierungen der Einfuhr, Flaggendiskriminierung usw. Es zeigt sich in der Tat, wie sehr die freihändlerische Tendenz der Han- delspolitik das Bestehen normaler wirtschaftsfriedlicher Verhält- nisse voraussetzt und wie sehr ein Rückschritt der Weltwirtschaft auch eine Reaktion gegenüber dem Freihandel bedingt. Der Nachkriegsprotektionismus zeigt wiederum besondere Nu- ancierungen. Hier erscheint er lediglich bedingt durch die Auf- stachelung der nationalen Instinkte, die auf wirtschaftliche „Verselbständigung“ gerichtet sind, so besonders bei den neuge- gründeten Staaten in Europa. Dort rechtfertigt er sich durch die „Notwendigkeit“, im Kriege entstandene Erzeugungen nicht wieder fallen zu lassen, und stößt hier auf die schon lange bestehende schutzzöllnerische Einstellung der großen überseeischen Neuländer. Dabei sind auch hier Wechselwirkungen leicht zu erkennen. Die Verarmung Europas, stark beeinflußt durch die Verteuerung überseeischer Lebensmittel und Rohstoffe, zwingt zu einer Ein- schränkung überseeischer Bezüge, so weit dies angängig ist. Diese