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heim, wo die Rheinschifffahrt ihr Ende erreicht und die weitere 
Beförderung der zugeführten Waarenmassen zum weitaus grössten 
Theil den Eisenbahnen übertragen wird. Nach dem Berichte der 
Mannheimer Handelskammer kamen hier im Jahre 1886 zu Wasser 
215,800, auf den Bahnen aber nur 4,100 Tonnen Weizen an, während 
die entsprechenden Zahlen für Roggen 18,900 und 283 Tonnen be 
trugen. Von jener Weizenmenge wurden 37,000 T. nach der Schweiz 
ausgeführt, das übrige aber zur Ergänzung der unzulänglichen eigenen 
Produktion Südwestdeutschlands verwendet, wozu ausserdem haupt 
sächlich noch die über Bayern gehende Einfuhr aus Ungarn bei 
trägt. Da also dieses südwestdeutsche Gebiet einen bedeutenden 
Zuschuss an Weizen noth wendig bedarf und dafür grossentheils 
Eisenbahnfrachten bezahlen muss, so ist es erklärlich, dass wir hier 
die höchsten Preise finden und dass auch die Wirkung der Zölle 
hier am vollständigsten ist. Obenan stehen die Preise von Lindau, 
die meistens 20—30 Mark über die Mannheimer hinausgehen, aber 
auch mit durch die bessere Qualität der Waare bedingt sind, im 
Folgenden übrigens nicht mit berücksichtigt werden. 
Aus der Periode des niedrigen Zollsatzes greifen wir zunächst 
das Jahr 1881 heraus, dessen Ernteertrag an Weizen ungewöhnlich 
niedrig war (2059 Mill. Kilo). Neben den Preisen, die sich auf 
Tonnen von 1000 Kilo beziehen, ist die monatliche Einfuhr von 
Weizen in Millionen Kilo beigefügt. 
Monat (1881) 
Januar 
Februar 
März . 
April . 
Mai . 
Juni . 
Juli . 
August . 
September 
October . 
November 
December 
Danzig 
203.92 
201.7 1 
202,44 
204,9 6 
206,83 
204.64 
204,38 
219,56 
226,40 
222.7 7 
217,27 
211,81 
Berlin 
203.00 
206.00 
208.50 
219,25 
224,42 
215.50 
210,87 
221,,o 
233.50 
234,io 
235.50 
221,75 
Köln 
225.6 2 
220.6 2 
226,5 0 
231,87 
235.00 
234,3 7 
232.50 
239.50 
250.00 
255.00 
250.00 
240.00 
Mannheim 
238,60 
238,40 
242.00 
244,70 
243.00 
244,30 
243,oo 
256.10 
265.20 
264.20 
261.20 
257.10 
Einfuhr 
70.2 
16.9 
19.7 
19.2 
22.8 
24.2 
103,4 
12.7 
14.9 
15.3 
20.7 
22,2 
Der Berliner Preis ist also trotz der geringeren Qualität der 
Waare immer etwas höher — im Jahresdurchschnitt um 8—9 Mark —

IO 
Jahren betrug die durchschnittliche Mehreinfuhr von Roggen jähr 
lich 792 Mill. Kilo, die von Weizen 306 Mill. Kilo, und somit finden 
wir als mittleren Jahresverbrauch an Roggen 6469 Mill. Kilo, an 
Weizen und Spelz 3086 Millionen. Die mittlere Bevölkerung des 
Zollvereins in den Jahren 1879—1882 belief sich nach Abzug der 
von Luxemburg und Lippe auf 44,350,000 und es kamen demnach 
auf den Kopf 145,9 Kilo Roggen und 69,6 Kilo Weizen und Spelz, 
zusammen also 215,5 Kilo Brodgetreide. Durch Berücksichtigung 
der durchschnittlichen Einfuhr von Mehl, sonstigen hierher ge 
hörenden Mühlenfabrikaten und Backwerk wird diese Summe nur 
um etwa 0,5 Kilo, also auf 216 Kilo erhöht. 
Führen wir dieselbe Berechnung nun auch für die vier Jahre 
1883 Fis 1886 aus, so finden wir als durchschnittlichen Jahresver 
brauch von einheimischem Roggen 5789 Mill. Kilo, von Weizen 
2 5°5 Mül. Kilo, von Spelz 461 Mill. Kilo. Nimmt man dazu nach 
den obigen Angaben die wirkliche Mehreinfuhr von Roggen mit 
durchschnittlich 692 und von Weizen mit durchschnittlich 416 Mill. 
Kilo jährlich, so stellt sich der Verbrauch von Roggen auf 6481 
und der von Weizen und Spelz auf 3382 Mill. Kilo, was auf den 
Kopf der mittleren Bevölkerung des Zollvereins mit Ausschluss von 
Luxemburg und Lippe in dieser Periode (45,670,000) bezw. 141,9 
und 74,1 Kilo ausmacht. Fügt man noch die durchschnittliche 
Körnermenge auf den Kopf hinzu, die sich aus der Einfuhr von 
Mehl (nach dem oben Gesagten) und der Mehrausfuhr von Back- 
waaren ergibt (ungefähr 1,5 Kilo), so gelangt man zu der Gesammt- 
summe 217,5, die von der für die vorhergegangenen vier Jahre 
gefundenen wenig abweicht. Bemerkenswerth jedoch ist, dass die 
Yerbrauchsziffer des Roggens kleiner, die des Weizens dagegen 
grösser geworden ist. Man könnte daraus schliessen, wie ich schon 
bei einer anderen Gelegenheit bemerkt habe, dass der Weizen, der 
ja im westlichen Europa das durchaus vorherrschende Brodgetreide 
ist, auch in Deutschland in der Volksconsumtion allmählich mehr 
Boden gewinne und den Roggen entsprechend zurückdränge. Dies 
würde dann auch vielleicht mit zur Erklärung der Thatsache dienen, 
der Ernte auf das folgende Jahr übergehe, so erhält man für Roggen 5655, für Weizen 
2316 und für Spelz 462,5 Millionen Kilo, also von den obigen nur wenig verschiedene 
Zahlen.

27 
war, so ist dies ohne Zweifel hauptsächlich durch die Zollerhebung" 
verursacht. Da aber andererseits der unverzollte Weizen in Danzig 
seit Januar noch mehr, nämlich 27,44 Mark, nachgegeben hatte, so 
darf man daraus wieder auf eine theilweise Abwälzung des Zolles 
auf das Ausland schliessen. Es folge nun auch noch die entsprechende 
Tabelle für das Jahr 1888: 
Monat (1888) 
Januar 
Februar 
März . 
April . 
Mai . 
Juni . 
Juli . 
August 
September 
October . 
November 
December 
Danzig 
124,8 5 
124.8 5 
124.9 2 
130,7 8 
130,20 
126,18 
128,54 
141,52 
151,68 
153,4, 
146,12 
138.9 6 
Berlin 
162,62 
161.05 
161,22 
169.87 
174,50 
166,53 
165.88 
172,,7 
183.5 4 
187,42 
187,27 
176,8 3 
Köln 
172,37 
172,40 
171.50 
1 ( 4,50 
187.90 
188,12 
1 ! 3,62 
183.90 
183,25 
187,20 
191.50 
190,8 3 
Mannheim 
196,20 
195.00 
195,50 
195.90 
200,3 o 
198,60 
197,43 
210.0 0 
217,80 
223,30 
223.90 
220,, 0 
Einfuhr 
30,1 
10.5 
9,1 
11,0 
23,9 
28,0 
27.0 
25.4 
34.6 
38.4 
54.0 
38.7 
Für England benutzen wir zum Vergleiche die Durchschnitts 
preise aus der ersten Woche eines jeden Monats. Im Januar stand 
dieser Preis auf 145,00, in den folgenden Monaten ging er etwas 
zurück, hob sich dann aber im August auf 156,18 und im September 
auf 178,16. Aber schon in der ersten Octoberwoche war der Preis 
wieder auf 141,98 gesunken und die vierte Decemberwoche weist 
nur die wenig höhere Ziffer 142,30 auf. Dagegen war Berlin von 
Januar bis December um 14,21, Köln um 18,46, Mannheim um 
23,90 Mark gestiegen, und im Vergleich mit October 1887, dem 
letzten vollen Monat vor der Zollerhöhung, standen die December- 
preise der drei genannten Plätze um bezw. 26,83 Mark, 31,33 Mark 
und 37,10 Mark höher, während die entsprechende Differenz der 
englischen Preise nur 8,95 Mark beträgt. 
Was übrigens speciell die Weizenpreise am Londoner Getreide 
markt (Mark Lane) betrifft, so sind dieselben nach den Qualitäten 
sehr verschieden. Der dort in den Handel kommende englische 
Weizen hat in der Regel ein höheres Qualitätsgewicht, als das für 
den allgemeinen Durchschnitt der Marktorte angenommene (s. o.), 
nämlich 63 engl. Pf. auf das Bushel oder 4V2 engl. Ctr. auf das

DIE WIRKUNG 
DER 
GETREIDEZÖLLE 
W. LEXIS. 
-oOí€>o- 
TÜBINGEN. 
VERLAG DER H. LAUPP’SCHEN BUCHHANDLUNG.

- 
206! 
07959575

35 
steigt in noch stärkerem Verhältnis und steht im October 49,50 Mark, 
im December 48 Mark über dem Bremer, während die Differenz im 
April nur 25,73 Mark betragen hatte. Während uns also das Jahr 1885 
ein Beispiel dafür bot, dass die Preisdifferenz des einheimischen und 
des unverzollten fremden Roggens durch stärkeres Sinken des letz 
teren zunehmen kann, haben wir im Jahre 1888 ein Beispiel des 
Wachsens dieser Differenz in Folge rascheren Steigens des ein 
heimischen Preises. Der Unterschied war dadurch bedingt, dass 
Deutschland in dem ersteren Jahre eine bessere Ernte hatte, als in 
dem letzteren. In Russland allerdings standen die beiden Ernten 
im entgegengesetzten Verhältniss; anderenfalls würde die Preis 
steigerung von 1888 in Deutschland noch bedeutend weiter gegangen 
sein, während jetzt der höchste in Berlin erreichte Monatspreis noch 
33 Mark upter dem Durchschnittspreis der Jahre 1879—1885 ge 
blieben ist. 
vm. 
Die obigen Einzeluntersuchungen stimmen im Ganzen mit den 
vorausgeschickten allgemeinen Betrachtungen befriedigend überein; 
zugleich aber lassen sie erkennen, dass von einer einheitlichen Wir- I 
kung der Getreidezölle in einem grossen Lande wie Deutschland 
gar nicht die Rede sein kann, dass vielmehr fortwährend sehr ver 
schiedenartige örtlich bedingte Wirkungen nebeneinander auftreten, 
die theils in dem einen, theils in dem anderen Sinne gerichtet sind 
und nur rechnungsmässig zu einem Gesammtergebniss vereinigt 
werden können, das aber nirgendwo konkret hervortritt. 
Die Preisbildung erfolgt nicht nur im Osten unter wesentlich 
anderen Bedingungen als im Westen, sondern in jedem dieser 
Hauptgebiete gibt es wieder mehrere Bezirke, die durchschnittlich 
ständige Preisdifferenzen, zeitweise aber auch von einander unab 
hängige Preisbewegungen zeigen. Die Preisunterschiede zwischen 
den massgebenden Märkten dieser Bezirke sind häufig weit grösser, 
als die Differenz der für die Zufuhr von aussen aufzuwendenden 
Transportkosten, wie das namentlich aus einem Vergleich der Weizen 
preise in Köln und in Mannheim ersichtlich ist. Mannheim hat eben 
die ständige Aufgabe, die ihm Köln nicht abnehmen kann, die Er-



y 
glichen wird. Zur Berechnung des inländischen Getreideverbrauches 
ist dann also ausser den Ernteerträgen und der wirklichen Mehr 
einfuhr an Getreide nur noch die Einfuhr an Mehl und anderen 
Mühlenfabrikaten zu berücksichtigen. 
in. 
Bei einer solchen Verbrauchsberechnung müssen die von der 
Reichsstatistik angegebenen jährlichen Ernteerträge, die übrigens, 
wie manche glauben, im Ganzen etwas zu niedrig sind, für mehrere 
Jahre zusammengefasst werden. Die zu einem Kalenderjahre ge 
hörende Ernte findet zum grösseren Theil erst in dem folgenden 
Kalenderjahre Verwendung und bei ungewöhnlicher Reichlichkeit 
erstreckt sie ihren Einfluss wenigstens mittelbar auch noch auf das 
zweitfolgende Jahr, sofern dieses dann aus dem vorhergehenden 
einen grösseren Vorrath übernimmt. Wir glauben annehmen zu 
dürfen, dass durchschnittlich beinahe zwei Drittel der Ernte auf 
das folgende Kalenderjahr übergehen. Die Ungenauigkeit dieser 
Annahme fallt übrigens um so weniger ins Gewicht, je mehr Jahres 
erträge wir zur Berechnung eines mittleren Werthes vereinigen 
und je geringer der Unterschied ist, der zwischen den Ernteziffern 
des ersten und des letzten der zugezogenen Jahre besteht. Wenn 
wir also für den vierjährigen Zeitraum von 1879—1882 den durch 
schnittlichen Jahresverbrauch an einheimischem Brodgetreide 
bestimmen wollen, so nehmen wir zwei Drittel der Ernteziffer von 
1878, die vollen Ziffern für 1879, 1880 und 1881 und ein Drittel 
der Ziffer für 1882. Bei Roggen ist hier allerdings der Unterschied 
zwischen den Erträgen von 1878 und 1882 (bezw. 6920 und 6390 Mill. 
Kilo) ziemlich bedeutend, da die Ernte des ersteren Jahres eine 
aussergewohnlich reiche war; doch kann der Fehler, der aus der 
angenommenen Art der Vertheilung des Ertrags entsteht, verhält- 
nissmässig nicht gross sein. Wir erhalten so als die gesuchten 
Durchschnittsmengen bei Roggen 5677 Mill. Kilo, bei Weizen 
2318 Mill. Kilo, bei Spelz 462 Mill. Kilo 1 ). In denselben vier 
') Nimmt man an, dass durchschnittlich nicht zwei Drittel, sondern nur die Hälfte

Es fallt hier besonders das fast gänzliche Verschwinden der 
Getreideausfuhr aus dem freien Verkehr auf. Allerdings hat sich 
die Ausfuhr von Mehl, seitdem das Gesetz vom 23. Juni 1882 in 
Kraft getreten ist, wieder bedeutend gehoben, indem sie betrug 
(in Millionen Kilo): 1880: 80,6; 1881: 50,1; 1882:92,8; 1883: 136,1; 
1884: 131,4; 1885: 129,0; 1886: 133,2; 1887: 132,2. 
Aber das ausgeführte Mehl wird durchaus überwiegend aus 
fremdem Getreide hergestellt, so dass hier hauptsächlich nur ein 
Transit- und Veredlungsverkehr vorliegt, wenn auch seit dem 1. Juli 
1882 das auf Mühlenlager eingeführte Getreide in der Statistik des 
freien Verkehrs, nicht, wie früher, in der des Veredlungsverkehrs 
nachgewiesen wird. Demnach stellen also auch die oben angeführten 
Differenzen seit 1882 nicht mehr die eigentliche Mehreinfuhr an 
Getreide im besonderen Handel dar, sondern es ist von jeder dieser 
Zahlen abzuziehen, was in dem betreffenden Jahre für Mühlenlager 
eingeführt wurde, dagegen die Getreidemenge hinzuzufügen, die in 
demselben Jahre wegen unterbliebener Ausfuhr einer entsprechenden 
Menge von Mühlenfabrikaten auf Grund der Zollkonten verzollt 
wurde. So wurden z. B. 1883 149,8 Mill. Kilo Weizen auf Mühlen 
lager eingeführt, die in der Einfuhrziffer von 642 Mill. Kilo mit 
enthalten sind, 30,7 Millionen wurden wegen Unterlassung der ent 
sprechenden Mehlausfuhr verzollt, 119,1 Millionen also wurden in 
der Gestalt von Mehl wieder ausgeführt und dieser letztere Betrag 
ist demnach von der Differenz 561 abzuziehen, um die wirkliche 
Mehreinfuhr zu erhalten. So ergeben sich für dieselbe folgende 
Zahlen (Millionen Kilo): 
Jahr 
1882 
1883 
1884 
550 
442 
594 
Roggen 
620 
695 
900 
Jahr 
1885 
1886 
1887 
Weizen 
459 
168 
452 
Koggen 
711 
462 
565 
Die gesammte kontirte Weizen- und Roggenmenge, die in den 
Jahren 1883—1887 durch Mehlausfuhr gedeckt wurde, belief sich 
auf 884 Mill. Kilo. Da nun in derselben Zeit 662 Mill. Kilo Mehl 
nebst 21,5 Mill. Kilo Graupen, Gries und anderen wie Mehl behan 
delten Mühlenfabrikaten ausgeführt worden sind, so darf man an 
nehmen, dass jene nicht verzollte Einfuhr durch die nachgewiesene 
Ausfuhr von Mühlenfabrikaten im Ganzen ziemlich genau ausge-

Monat (1887) Danzig Berlin 
Januar . . 154,40 163,30 
Februar . . 151,@8 161,20 
März . . . 148,7 4 161,25 
April . . . 147,7 1 169,05 
Mai . . . 152,52 181,05 
Juni . . . 152,12 185,15 
Juli . . . 148,69 181,30 
August . . 138,89 153,05 
September . 125,os 147,50 
October . . 124,00 150,00 
November . 126,?3 158,95 
December . 126,90 160,20 
Köln 
173.00 
165,50 
169.00 
168.3 7 
184,5 0 
195,60 
183.3 7 
162,90 
158.00 
159^o 
166.3 0 
171,25 
Mannheim Einfuhr 
195.70 61,8 
193.20 7,o 
193.00 12,4 
192.50 8,2 
199.70 13,3 
195.00 41,9 
188.50 44,6 
180.20 35,o 
178,,o 
183.00 
188,40 
194,30 
S» 
Auch in England hob sich der Januarpreis auf 165,46, aber 
damit war auch der höchste Stand des Jahres erreicht. Im April 
betrug der Durchschnittspreis nur noch 151,96 und wenn er im Juni 
sich wieder auf 163,68 hob, so blieb er damit doch um 21,47 Mark 
unter dem Berliner Preise. Den tiefsten Punkt erreichte der eng 
lische Preis im September mit 134,95 Mark, während er im December 
wieder auf 143,84 stand. 
Der Jahresdurchschnitt des Preises betrug in Danzig 141,50, 
in Berlin 164,40, in Köln 171,40, in Mannheim 190,18, in England 
150,80 Mark. 
Die Anspannung des Preises in der ersten Jahreshälfte tritt 
besonders in Berlin hervor, wo die Differenz gegen Danzig im Juni 
den vollen Zollbetrag sogar übersteigt, womit dann auch eine be 
deutende Vermehrung der Einfuhr parallel ging. Aber schon im 
Juli schlägt die Richtung der Bewegung um und unter dem Einfluss 
einer sehr reichlichen Ernte, verbunden mit durchweg besseren Er 
trägen in den wichtigsten auswärtigen Produktionsgebieten, wurde 
der Preis wieder aufs Aeusserste herabgedrückt. Die abermalige 
Erhöhung des Zolles um 20 Mark, die am 26. November in Kraft 
trat, veranlasste im November und (auf Grund früherer Bestellungen) 
im December wieder eine aussergewöhnliche Einfuhr, die dann 
natürlich in den folgenden Monaten eine drückende Wirkung aul 
den Markt ausübte. 
Wenn Berlin, Köln, Mannheim im December nahezu die Preise 
vom Januar aufweisen, während der englische Preis, der im Januar 
um einige Mark über dem Berliner stand, um 21,62 Mark gesunken



•7 
tigfen Stapelplatz für russisches Getreide. Die angegebenen Preise 
beziehen sich auf unverzollten Transitweizen von einem Qualitäts 
gewicht von ungefähr 75 Kilo auf einen Hektoliter (Regulierungs 
preise), und es müsste also im freien Verkehr der gleichzeitige Preis 
desselben Weizens immer um den vollen Zollbetrag höher sein, wenn 
es überhaupt möglich sein soll, ihn einzuführen, was aber eben 
keineswegs immer der Fall ist. In London wird derselbe Weizen 
10—15 Mark mehr kosten und man kann hiernach diese Danziger 
Preisangaben als Vergleichszahlen zur Beurtheilung der Unterschiede 
zwischen den Preisen der übrigen Märkte und dem des freien Welt 
marktes benutzen. — Berlin ist nicht nur wichtig als Sitz einer 
bedeutenden Getreidebörse, sondern namentlich auch als Mittelpunkt 
einer grossen Consumtion, die hier ziemlich hohe Preise bedingt im 
Vergleich mit den sonst in den östlichen Provinzen üblichen. Die 
Preise (Regulirungspreise) beziehen sich noch auf den leichten 
Lieferungsweizen von nur 71,3 Kilo Gewicht auf das Hektoliter, der 
bis Lnde des Jahres 1888 (mit einer unbedeutenden Gewichts 
erhöhung seit Oktober 1887) handelsgebräuchlich war. Nach der 
Preissteigerung, welche der Berliner Lieferungsweizen für die Ter 
mine des Jahres 188g erfahren hat, nachdem das Qualitätsgewicht 
desselben auf Andringen des Handelsministers auf 73,4 Kilo erhöht 
worden, darf man annehmen, dass die Beschaffenheit desselben im 
Vergleich mit den andern hier in Betracht kommenden Sorten einen 
Minderwerth von etwa 20 Mark für die Tonne bedingte. 
Die Kölner Preise beziehen sich auf fehlerfreien rheinischen 
Weizen von wenigstens 76 Kilo Hektoliter-Gewicht. Der Preis steht 
in Köln immer niedriger als an den oberrheinischen Plätzen, sowohl 
wegen des Weizenreichthums der benachbarten niederrheinischen 
liefebene als wegen der Leichtigkeit und Billigkeit der Zufuhr von 
aussen. Welche Rolle der Rhein für die letztere spielt, zeigt die 
Statistik des Verkehrs auf den deutschen Wasserstrassen: während 
im Jahre 1877 bei Emmerich nur 226,000 Tonnen Getreide und 
Hülsenfrüchte stromaufwärts eingingen, war diese Ziffer im Jahre 
1886 auf 707,800 Tonnen gestiegen. Ein Theil dieser Getreide 
menge stammt übrigens aus dem deutschen Ostseegebiet und wird 
aut Grund des § 111 des Vereinszollgesetzes zollfrei wieder eingeführt. 
Der bedeutendste Getreidehandelsplatz am Rheine ist Mann-

34 
Monat (1887) Danzig 
April . . . 111,46 
Mai . . . 114,57 
Juni . . . 113,23 
Juli . . . 110,5 4 
August . . 103,93 
September . 97,oo 
October . . 98, 9 g 
November . 104,46 
December . 104, 3 i 
Berlin Köln 
122,60 135,50 
126.30 139,66 
125.30 144,12 
118,75 144,12 
113,25 131,00 
109,55 122,25 
111.30 121,87 
119,15 125,00 
1 19,69 131,5 0 
Bremen Einfuhr 
98,75 28,4 
100.75 44,2 
101.75 73,1 
97.25 74,1 
87,50 47,4 
80,oo 45,0 
83.25 56,0 
92,7 5 134,2 
93,60 59,8 
Eine Wirkung der Zollerhöhung war im December noch nicht 
zu bemerken; nicht nur standen die Preise durchweg niedriger als 
im Januar, sondern es war auch der Unterschied des Bremer Preises 
gegen den der übrigen Plätze sogar kleiner geworden. Erst im 
Jahre 1888 trat als Folge einer wenig befriedigenden deutschen 
Ernte ein Umschwung ein, obwohl Russland in diesem Jahre einen 
guten Ertrag erzielte. 
Monat (1888) 
Januar 
Februar 
März . 
April . 
Mai . 
Juni . 
Juli . 
August 
September . 
October . . 
November . 
December . 
Danzig 
102,18 
99,0 4 
100,92 
106,43 
1 13,72 
1 14,24 
113,27 
124,2 6 
145,68 
151,78 
145,5 4 
145,75 
Berlin 
1 18,05 
1 1 5,96 
116,39 
119,48 
126,02 
128,20 
127,3 5 
138,83 
157,,o 
159.00 
154,70 
152.00 
Köln 
131,6 2 
131,50 
128,00 
131.00 
144,,„ 
147 ,oo 
136.37 
140,70 
144.37 
145.00 
Bremen 
93,75 
94,oo 
90,2 5 
86,7 5 
94,5 0 
110,50 
109,50 
106,5 0 
104,00 
Einfuhr 
15.3 
4,0 
3.5 
8.6 
19.8 
43.3 
48.3 
64.3 
87,, 
86.9 
135,5 
131,9 
In den ersten Monaten sank die Einfuhr wegen Ueberfüllung 
der Lager auf ungewöhnlich niedrige Ziffern, ohne dass die Preise 
sich wesentlich besserten. Desto stärker aber schwoll sie während 
der zweiten Jahreshälfte an und zwar bei bedeutend erhöhten Preisen. 
Jetzt übte eben die Lücke auf dem deutschen Markte ihre anziehende 
Wirkung und jetzt musste Deutschland auch einen annähernd dem 
vollen Zoll gleichkommenden Zuschlag zu dem Freihandelspreise 
des Roggens tragen. Der Preis des Roggens in Bremen geht trotz 
der guten russischen Ernte in die Höhe; der Berliner Preis aber

handenen Umfange als wirtschaftliches Ganzes, so bildet das: 
7 
gegenwärtig unzweifelhaft ein Land der zuletzt erwähnten Art, da 
es den Bedarf seiner rasch wachsenden Bevölkerung an Brodgetreide 
zu den Freihandelspreisen und überhaupt zu angemessenen Preisen 
nicht mehr selbst erzeugen kann. Die seit zehn Jahren bestehenden 
Schutzzölle haben unzweifelhaft in dieser Periode den durchschnitt 
lichen jährlichen Preisstand von Weizen und Roggen um einen ge 
wissen Betrag, wenn auch nicht um den vollen Zollsatz, über dem 
Freihandelspreise gehalten, trotzdem aber war es nicht möglich, 
den Getreidebau auszudehnen, er ist sogar einigermassen einge 
schränkt worden. Im Jahre 1878 waren nach der Reichsstatistik 
(mit Ausschluss von Lippe) 8,152,017 Hektare mit Roggen, Weizen 
und Spelz bestellt, während 1886 die entsprechende (nur annähernd 
richtige) Zahl nur 8,107,411 Hektare betrug. Dabei war der Er 
trag an diesen Körnerfrüchten von 9,974,000 Tonnen — einer aller 
dings ganz ungewöhnlichen Höhe — auf 9,201,000 Tonnen ge 
sunken und auch in dem günstigen Jahre 1887 erreichte er nur 
9,667,000 Tonnen. Da aber die mittlere Bevölkerung des Zollvereins 
mittlerweile von 43,590,000 auf 46,560,000 gestiegen war, so musste 
die vor dem Anfang jenes Zeitraumes nothwendig gewordene 
Getreideeinfuhr innerhalb desselben trotz der Zölle noch zunehmen. 
Bis zum Jahre 1872 war noch mehr Weizen ausgeführt, als ein 
geführt worden, während ein dauerndes Uebergewicht der Roggen 
einfuhr schon seit 1852 bestand, jedoch erst seit 1873 über eine 
halbe Million Tonnen hinausging. 
Der Unterschied der Einfuhr und Ausfuhr im freien Verkehr 
betrug in Millionen Kilo bei 
Weizen 
Roggen 
1878 1060 —785 = 275 
1879 915 —605 = 310 
1880 228 -178 = 50 
1881 362 - 53 = 309 
1882 687 — 63 = 624 
1883 612 — 81 = 561 
1884 755 — 36 = 719 
1885 572 — 14 = 558 
1886 273 — 8 = 265 
1887 547 — 3 = 544 
1888 331 — 1 = 330 
945 - 196 = 749 
1470 —146 = 1324 
690 — 27 = 663 
575 - 12 = 563 
658 — 16 = 642 
777 - 12 = 765 
962 — 6 = 956 
770 — 4 = 766 
565 — 3 = 562 
639 — 3 = 606 
649 - 2 = 647

37 
bezirk, der einen bedeutenden Bruchtheil seines Getreidebedarfs von 
aussen beziehen muss. 
Die örtlichen Preisunterschiede bringen es nun mit sich, dass 
die Einfuhr von verzolltem ausländischem Getreide häufig in der 
selben Zeit auf gewissen Märkten möglich ist, auf anderen aber 
nicht. Es wird also keineswegs der ganze Getreideverbrauch Deutsch 
lands um den vollen Zollbetrag vertheuert, vielmehr steht der Preis 
in der längsten Zeit des Jahres auf den meisten Märkten so, dass 
fremdes Getreide nicht mit Vortheil eingeführt werden kann. Die 
Einfuhr desselben wird meistens nur vorübergehend und mit Be 
nutzung besonderer günstiger Gelegenheiten möglich. Namentlich 
kommen ihr die zeitlichen Schwankungen der Getreidepreise 
zu statten, deren Ausnutzung Sache der Speculation ist, und zwar 
hauptsächlich der reellen, mit genügendem Kapital arbeitenden 
Speculation. Vergleicht man die Getreidepreise in den zollfreien 
Niederlagen eines Einfuhrhafens mit den gleichzeitig an einem 
grösseren Binnenmärkte geltenden, so wird man selten eine Diffe 
renz finden, welche ausreichte, um den Zoll und die Transportkosten 
nach dem letzteren zu decken und noch den normalen Handels 
gewinn übrig zu lassen. Blickt man aber einige Monate weiter zurück, 
so stösst man häufig auf einen Preis des unverzollten Getreides, bei 
dem die Einfuhr desselben gegenwärtig mit Vortheil möglich wäre. 
Wer also damals in dem Einfuhrplatz Vorräthe zum Tagespreise 
gekauft und auf Lager gebracht oder zu einem wenig abweichen 
den Preise einen Kauf auf Lieferung in der Gegenwart abgeschlossen 
hat, kann diese Waare jetzt trotz des sie belastenden Zolles mit 
Gewinn auf dem inneren Markte verkaufen. An den Handelsplätzen 
solcher Gebiete, die nothwendig einer Zufuhr von aussen bedürfen, 
können solche speculative Geschäfte mit grosser Sicherheit gemacht 
werden. In den nächsten Monaten nach einer befriedigenden Ernte 
steht dort in der Regel der Preis des inländischen Getreides so 
niedrig, dass die Differenz gegen den gleichzeitig für das unver 
zollte ausländische geltende die Einfuhr nicht gestattet. Aber im 
folgenden Frühjahre sind die Vorräthe knapp geworden, und da 
zur Deckung des Bedarfs eine Einfuhr unumgänglich ist, so muss 
der Preis — gewöhnlich im Laufe der Monate April bis Juli — so 
weit steigen, dass der Verkauf des auswärtigen verzollten Getreides

38 
lohnend wird. Wären nun von dem letzteren zur Zeit des niedrigsten 
Preisstandes keine Vorräthe angelegt oder auf Lieferung bestellt 
worden, so müsste jetzt der Preis des einheimischen Produktes um 
mehr als den vollen Zollbetrag über den des unverzollten fremden 
stehen; da aber solche Vorräthe thatsächlich wohl immer vorhan 
den sein werden, so wird der Preis soweit emporgehen, dass die 
Besitzer derselben einen Gewinn erzielen können, aber diese Stei 
gerung wird in Folge der Concurrenz in der Regel unter dem vollen 
Zollbetrag Zurückbleiben, und zwar um so mehr, je grösser jene 
Vorräthe sind. 
So wird also schon durch die eigenthümliche Art der Einfuhr 
unter der Herrschaft der Zölle, die gleichsam stossweise und unter 
geschickter Benutzung der örtlichen und zeitlichen Preisunterschiede 
erfolgt, eine dem Zollsätze dauernd gleichkommende Verteuerung 
des Durchschnittspreises des gesammten im Inlande verzehrten 
Getreides verhindert. Dazu kommt dann bei günstigen Erntever 
hältnissen noch die Abwälzung eines Theiles des Zolles auf das 
Ausland, indem dieses genötigt wird, um sich seines Ueberflusses 
zu entledigen, mit seiner Forderung unter den bei freiem Handel 
erreichbaren Preis herunterzugehen. Diese Abwälzung ist von 
grösserer Bedeutung bei dem Roggen als bei dem Weizen, weil 
sich hinsichtlich des ersteren der Hauptsache nach nur Deutschland 
und Russland als Einfuhr- und Ausfuhrland gegenüberstehen, während 
die Nachfrage Deutschlands nach Weizen als Bestimmungsfaktor des 
Weltmarktpreises verhältnissmässig weit weniger ins Gewicht fällt. 
Als eine Abwälzung des Zolles auf das Ausland ist es aber 
auch anzusehen, wenn die den Zoll ausgleichende Verbilligung des 
fremden Getreides durch die Entwertung der ausländischen Geld 
einheit gegen Gold entsteht. Wenn Russland für seinen Weizen 
zwar dieselbe Summe in Papierrubeln, aber wegen des Sinkens des 
Kurses io Procent weniger in Mark erhält, so mag das zwar für 
die russischen Landwirte und Getreidehändler zunächst keinen 
Unterschied machen, aber dem Lande im Ganzen erwächst daraus 
dennoch ein volkswirthschaftlicher Verlust. Denn dasselbe muss 
jetzt eine grössere Menge seiner Produkte ausführen, um im Aus 
lande seine auf Gold lautenden Schuldzinsen zu bezahlen, und als 
Gegenwert für seine übrigen Ausfuhrwaaren erhält es eine geringere

33 
hindert wurde, wenn derselbe auch bei dem zunehmenden Angebot 
eine Einbusse nicht vermeiden konnte. 
Im Jahre 1886 blieb die russische Roggenernte erheblich unter 
dem Mittel; trotzdem aber gingen die Preise in Deutschland nur 
in einzelnen Monaten über den niedrigsten Stand des Vorjahres 
hinaus, was dem Einflüsse der im Ganzen befriedigenden heimischen 
Ernte zuzuschreiben ist. 
1886 Danzig Berlin Köln Bremen 
Niedrigster Monats-Preis 113,09(9) 12G,30(10) 136,90(9) 100,00(11,12) 
Höchster Monats-Preis . 127,32(5) 135,2.5(3) 145,00(1) 106,75(4) 
Jahresdurchschnitt . . 120,20 130,co 142,30 102,98 
Der Abstand zwischen dem Berliner und dem Bremer Preise 
stieg von 24,50 Mark im Januar auf 30,30 Mark im December, wäh 
rend er in Danzig in beiden Monaten etwas über 15 Mark betrug. 
Der Rubelkurs, der 1885 von 208 bis 200 zurückgewichen war, sank 
im Laufe des Jahres 1886 allmählich von 200 bis 190, wodurch die 
Einfuhr von russischem Roggen zu einem niedrigeren Preise er 
möglicht wurde. 
Im Jahre 1887 setzte sich die absteigende Preisbewegung fort, 
da die Ernte wenigstens in Norddeutschland eine gute und auch 
in Russland eine weit bessere war, als im Vorjahr. Das weitere 
Sinken des Rubelkurses, der am Ende des Jahres bei 175 angelangt 
war, gestattete den Einführern von russischem Roggen, denselben 
noch mit Vortheil zu Preisen anzubieten, die sonst für sie nicht mehr 
lohnend gewesen sein würden. Bemerkenswerth ist auch, dass der 
Roggen der aufsteigenden Preisbewegung, die sich in den Monaten 
April, Mai, Juni bei Weizen zeigte, nicht folgte, was zugleich be 
weist, dass diese letztere Bewegung nicht durch die Speculation 
auf Erhöhung der Getreidezölle veranlasst wurde. Als diese Er 
höhung vom 26. November ab wirklich eintrat, war natürlich wieder 
eine ungewöhnlich starke Roggeneinfuhr erfolgt oder (mit der Be 
rechtigung zur Zahlung des früheren Zolles) vorbereitet. Das Nähere 
zeigt die folgende Tabelle: 
Monat (1887) 
Januar 
Februar , 
März . 
Danzig 
114,56 
112,71 
109,81 
Berlin 
131,00 
129,25 
1 24,46 
Köln 
140,50 
138.00 
133.00 
Bremen 
100,5 0 
100,50 
99,50 
Einfuhr 
31.8 
15.8 
27.9

20 
den Danziger Mittelpreis. Der tiefste Stand (193,70) findet sich im 
Februar, im Juni war erst der Satz von 206,50 Mark erreicht, dann 
aber trat eine rasche Steigerung ein: im Juli auf 215,40, im August 
auf 225,00, im September auf 242.40. Es war also jetzt nicht nur 
der Danziger, sondern auch der Berliner Preis erheblich überholt. 
Doch trat auch die rückläufige Bewegung rascher ein, so dass der 
Durchschnittspreis des December wieder auf 206,92, also unter dem 
Danziger stand. 
Wir sehen also, was sich auch in anderen Jahren wiederholt, 
dass bei ungünstigen Ernteverhältnissen die englische Nachfrage 
vor allen anderen intensiv auf den Weltmarkt ein wirkt, den Preis 
rasch in eine bedeutende Höhe treibt, dann aber auch wieder rasch 
nachlässt. In jener kurzen Periode der Anspannung kann es Vor 
kommen, dass der deutsche Weizenpreis trotz des Zolles den Frei- 
handeispreis nur wenig überschreitet oder sogar nicht erreicht. Es 
begreift sich dies, wenn man bedenkt, dass England an Weizen und 
Weizenmehl oft in einem Monat mehr einführt, als Deutschland in 
einem Jahre. 
Im Jahre 1882 war die Ernte in Deutschland befriedigend, in 
Russland, Ungarn und den Vereinigten Staaten sogar sehr günstig 
und der Weizenpreis ging daher von August an rasch abwärts. 
Wir stellen hier nur die Januar- und Decemberpreise nebst 
den höchsten Monatsdurchschnitten (mit Zahlenbezeichnung des 
Monats) und den Jahresdurchschnitten zusammen. 
Monat (1882) Danzig Berlin 
Januar .... 214,00 219,00 
Höchster Mon.-Pr. 214,0(1) 228,7(4) 
December . . . 170,38 176,25 
Jahresdurchschnitt 196 30 204,20 
Köln Mannheim England 
241,25 255,90 211,56 
261,9(7) 255,»(1) 232,0 (g) 
195,oo 215,30 191,20 
226,90 2 3 7,48 2 09,26 
Der Preisrückgang am Jahresende ist also an den deutschen 
Plätzen trotz des Zolles erheblich grösser als in England, wo auch 
das Jahresmittel nicht nur über dem Danziger, sondern auch über 
dem Berliner Durchschnitt bleibt. Es erklärt sich dies durch die 
bedeutende Steigerung der Einfuhr nach Deutschland, die nur in 
der ersten Jahreshälfte durch das noch vorhandene Deckungsbedürf- 
niss gerechtfertigt war. Sie betrug im Januar 101 Mill. Kilo, be 
wegte sich in den folgenden Monaten bis Juni einschliesslich zwischen

in Schutzzoll kann auf den inländischen Preis der ge 
schützten Waare keine Wirkung ausüben, wenn nicht 
durch 'die internationalen Handelsverhältnisse eine Ein 
fuhrströmung bedingt wird, welcher der Zoll wie ein Stauungs 
mittel entgegensteht. Augenfällig ist dies, wenn es sich um eine 
Waare handelt, von welcher das Land eine beträchtliche Menge 
a 
H 
seinerseits auszuführen und auf dem Weltmarkt abzusetzen im 
Stande ist. So würde z. B. in den Vereinigten Staaten ein Schutz 
zoll auf Weizen eine gänzlich unnütze Massregel sein. Ist ein Land 
wenigstens im Stande, seinen Bedarf an einer W^aare bei demselben 
Preise, zu dem das Ausland sie anbietet, also bei dem Freihandels 
preise, selbst vollständig zu decken, so fehlt der Einfuhrströmung 
gleichsam das Gefälle und es entsteht daher auch keine Reaktion 
in Gestalt einer merklichen Wirkung des Zolles auf den Preis. In 
diesem Falle ist ja eigentlich weder zur Einfuhr noch zur Ausfuhr 
eine wesentliche Veranlassung vorhanden. Die eine wie die andere 
wird auch bei voller Handelsfreiheit nur in verhältnissmässig ge 
ringem Masse stattfinden, soweit nämlich unter besonderen lokalen 
Umständen oder bei besonderen Gelegenheiten der Verkehr mit 
dem Auslande Vortheile bietet. Wenn nun dieser wenig intensive 
Verkehr durch die Einführung des Zolles auch noch weiter ver 
mindert wird, so wird dies doch für die Preisbildung so gut wie 
gleichgiltig bleiben. 
Aber der hier angenommene Gleichgewichtszustand zwischen 
dem inländischen und dem ausländischen Markte wird bei Waaren,

36 
gänzung der unzulänglichen eigenen Weizenproduktion eines Theiles 
von Südwestdeutschland zu vermitteln und damit es diese erfülle, 
muss sich für seine Kaufleute aus der Weizeneinfuhr ein gewisser 
durchschnittlicher Gewinn ergeben und die Konkurrenz wird den 
Preis im Grossen und Ganzen mit Rücksicht auf diesen erforder 
lichen Gewinn regeln. Die ungewöhnlichen örtlichen Preisbewe 
gungen, die auf den relativ selbständigen Märkten entstehen, werden 
namentlich durch speculative Anhäufung und Zurückhaltung grosser 
Lagervorräte oder durch das erzwungene Losschlagen solcher Vor 
räte verursacht. Aber auch ein von anderen abweichendes günsti 
ges oder ungünstiges Ernteergebniss in dem Bezirke des Handels 
platzes kann bedeutende örtliche Preisverschiebungen erzeugen. 
Getreide ist immerhin ein schwerbewegliches Massengut und wenn 
in einem bestimmten Bereiche eine nicht vorgesehene Lücke in der 
Versorgung schnell ausgefüllt werden soll oder ein angesammelter 
Vorrat sich als überflüssig erweist, so können solche Conjunkturen 
zeitweilig sehr eingreifend auf den örtlichen Markt wirken. Nament 
lich wirkt ein ungewöhnlicher Bedarf sehr energisch auf den Preis, 
wenn in dem Bezirke eine grosse Stadt zu versorgen ist. Eine 
solche Stadt bedingt in dem zu ihr gehörenden Marktbezirke eine 
besondere Preisbildung. Denken wir uns z. B. zwei Bezirke von 
gleicher Grösse und gleicher Einwohnerzahl, die beide ihren Ge 
treidebedarf selbst zu decken vermögen. Aber in dem einen soll 
die Bevölkerung in Dörfern und kleinen Städten in ziemlich gleich- 
mässiger Verbreitung vertheilt, in dem anderen aber zur Hälfte in 
einer grossen Stadt concentriert sein. In dem ersteren wird also 
das Getreide ohne erhebliche Transportkosten zu den überall in der 
Nähe der Produzenten wohnenden Verzehrern gelangen, in dem 
anderen Falle müssen alle Ackerbaugebiete des Bezirkes einen 
Theil ihres Getreideertrags an die Stadt abliefern und zwar zu einem 
Preise, der auch noch die Transport- und Handelskosten für den 
jenigen Theil deckt, der aus der grössten Entfernung zugeführt 
wird. Es ist leicht, dieses Schema unter besonderen Annahmen 
weiter auszuführen, im Allgemeinen aber darf man schliessen, dass 
eine grosse Stadt örtlich einen besonderen vertheuernden Einfluss 
auf die Getreidepreise ausübt, und diese Folgerung gilt in noch 
weiterer Verallgemeinerung auch für jeden dicht bevölkerten Markt-

6 
Getreidemenge von aussen beziehen, so wird es sich nach Einfüh 
rung eines Zolles keineswegs immer in der eben betrachteten un 
günstigsten Lage befinden. Denn das Ausland rechnet dann seiner 
seits auf diesen regelmässigen Absatz, seine Produktion und sein 
Handel sind darauf vorbereitet, diesem Kunden die normale Zufuhr 
jährlich zu liefern. Bei der Preisbestimmung befindet sich also das 
Inland dem Auslande gegenüber im Wesentlichen in derselben Lage, 
als wenn es unter gewöhnlichen Verhältnissen seinen Bedarf selbst 
zu decken im Stande wäre, und es wird also namentlich den vollen 
Zoll nur dann selbst zu tragen haben, wenn seine Ernte merklich 
unter dem gewöhnlichen Ertrage geblieben ist und zugleich auch 
das Ausland keine ungewöhnlich grossen Vorräthe besitzt. Doch 
mag im Ganzen die preissteigernde Wirkung des Zolles in einem 
Lande mit bedeutender Unzulänglichkeit der Getreideerzeugung 
grösser sein, als in einem solchen, das sich in der Regel wenigstens 
annähernd selbst genügt. Auch wird es für die Preise keinen er 
heblichen Unterschied machen, wenn etwa das erstere Land unter 
dem Schutze des Zolles seinen Getreidebau ausdehnt; denn das 
Mehrerzeugniss kann nur mit grösseren Kosten und folglich nur 
unter Voraussetzung der durch den Zoll verursachten Preiserhöhung 
gewonnen werden. Wäre eine genügende Vermehrung der Getreide 
produktion bei Geltung der Freihandelspreise möglich, so würde 
das Land überhaupt nicht in die hier betrachtete Klasse gehören. 
II. 
Die obigen allgemeinen Erwägungen sind zwar ohne Zweifel 
theoretisch richtig, aber auf ein bestimmtes Land lassen sie sich 
nur anwenden, wenn die Produktions-, Verkehrs- und Marktverhält 
nisse desselben sowohl im Innern, wie in Bezug auf das Ausland 
mit genügender Vollständigkeit und Genauigkeit bekannt sind. 
Wir wollen hier den Versuch machen, unter jenen Gesichtspunkten 
die Wirkungen der deutschen Getreidezölle an der Hand wenigstens 
der wichtigsten Thatsachen näher zu untersuchen. Betrachtet man 
zunächst das Deutsche Reich, oder genauer gesagt, das Zollvereins 
gebiet in seinem vor der Einverleibung der beiden Hansestädte vor-

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Druck von Gebrüder Kroner in Stuttgart.

32 
Für das Jahr 1885 stellen wir mit Rücksicht auf die in das 
selbe fallende Zollerhöhung die monatlichen Durchschnittspreise und 
die monatliche Einfuhr (in Millionen Kilo) zusammen. 
Monat (1885) 
Januar 
Februar 
März . 
April . 
Mai . 
Juni . 
Juli . 
August 
September 
October . 
November 
December 
Danzig 
129,0 4 
134,50 
136,65 
140,t3 
139,58 
136,8, 
135.85 
128,„ 
123.85 
125,4, 
124,40 
120,32 
Berlin 
143.50 
146.25 
145.25 
147,80 
147.50 
144.50 
144,35 
139.00 
133,7 5 
134.00 
131,5 0 
129,3 0 
Köln 
165.00 
170.00 
175.00 
184.50 
191 ,<» 0 
183,35 
179.50 
167.50 
166.50 
169,40 
167,87 
164.00 
Bremen 
131.25 
135.00 
122.00 
121.00 
123.00 
120.00 
115.00 
110,2 5 
107,75 
108.25 
107,7 5 
106,50 
Einfuhr 
116,, 
116,9 
30,, 
39,4 
56.3 
67.0 
76.4 
51.0 
58,: 
47,7 
64,9 
46.1 
Die deutsche Roggenernte war leidlich, die russische wieder 
sehr reichlich. Die Erhöhung des Zolles von 10 auf 30 Mark (vom 
21. Februar ab) veranlasste in den beiden ersten Monaten des Jahres 
eine ungewöhnlich starke Einfuhr, aber gleichwohl blieb die ge 
nannte Jahreseinfuhr um 200,000 Tonnen unter der vorjährigen, ln 
den ersten Monaten nach der Zollerhöhung wurde die Hebung des 
Preises durch die starken Lagervorräte verhindert, seit August 
aber brachte der russische Roggen durch seinen Andrang sogar noch 
eine weitere Verbilligung zuwege, bei der er indess selbst am meisten 
einbüsste. Im Januar, als noch der niedrige Zollsatz galt, waren 
die Preise in Danzig, Berlin und Köln um bezw. 9,72 Mark, 
14,20 Mark und 1,0 Mark höher als im December nach der Erhöhung 
des Zolles um 20 Mark. Aber die Abstände gegen die gleichzeitigen 
Bremer Preise hatten sich in diesem Zeiträume bedeutend ver- 
grössert: in Danzig war die Differenz von — 2,21 auf -|- 13,82 Mark, 
in Berlin von 12,25 auf 22,80 Mark und in Köln von 33,75 Mark 
auf 57,50 Mark gestiegen. Diese Aenderungen kamen dadurch zu 
Stande, dass der russische Roggen weit stärker im Preise sank als 
der deutsche, indem er vom Januar bis December in Bremen 
24,75 Mark verlor. Die Wirkung der Zollerhöhung bestand also 
hauptsächlich darin, dass der Preis des russischen Roggens herab 
gedrückt, eine noch grössere Entwertung des deutschen aber ver-

15 
Deutschland besteht also, abgesehen von dem bayerischen 
Nebengebiet, aus einem Theile, der durch seine Produktions- und 
Consumtionsverhältnisse auf die Getreideausfuhr, und einem anderen, 
der auf eine noch grössere Getreideeinfuhr angewiesen ist. Aber 
die Lage dieser beiden Theile gegeneinander ist keineswegs eine 
solche, dass der Ueberschuss des einen am zweckmässigsten zur 
wenigstens theilweisen Ausgleichung des Mehrbedarfs des anderen 
verwendet werden kann. Die Küstenlage des Ausfuhrgebietes und 
die Richtung seiner Ströme lassen es vielmehr am naturgemässesten 
erscheinen, dass der Getreideüberschuss seewärts ausgeführt werde, 
besonders nach dem Lande, das wegen seines ausserordentlich 
grossen Bedarfs an Weizen wenigstens für diese Körnerfrucht als 
der eigentliche Weltmarkt erscheint, nach England. Anderer 
seits aber kann der Westen seinen Einfuhrbedarf am leichtesten 
über Rotterdam und Antwerpen beziehen, unter Benutzung der 
wichtigen Wasserstrasse des Rheines und günstiger Eisenbahnver 
bindungen. Durch die Getreidezölle aber sind diese Verhältnisse 
wesentlich verschoben worden. In Folge der immer, wenn auch 
in wechselndem Betrage bestehenden Vertheuerung des inländischen 
Preises über den Freihandelspreis war das Ausfuhrgebiet nicht mehr 
im Stande, seinen Weizen auf den auswärtigen Markt zu bringen, 
sondern musste immer ausschliesslicher in dem deutschen Einfuhr 
gebiet Absatz für denselben suchen. Hier aber stösst es auf die 
Concurrenz des über die niederländischen Häfen eingeführten russi 
schen und amerikanischen Weizens und die Preisbildung findet 
unter Bedingungen statt, die für die ostdeutschen Mitbewerber wenig 
günstig sind. Denn es fällt ihnen der Betrag zur Last, um welchen 
der Iransport des Getreides aus den östlichen Provinzen nach dem 
Rheine theuerer ist, als der aus den holländischen und belgischen 
Handelsplätzen nach demselben Markte. Wenn also der Zoll zeit 
weise am Rheine zur vollen Wirkung gelangt und der Weizen z. B. 
in Rotterdam 150 Mark, in Mannheim aber 210 Mark die Tonne 
kostet und die Transportkosten von der ersteren zur letzteren Stadt 
10 Mark betragen, so wird, wenn der Transport von Danzig nach 
Mannheim 20 Mark kostet, der Weizen des östlichen Ausfuhrgebietes 
bei gleicher Qualität höchstens den Preis von 190 Mark erzielen 
können. Immerhin aber üben die Zölle auch in den östlichen Pro-

* 
19 
als der des Danziger Transitweizens. Doch ist dies keineswegs 
ausschliesslich eine Folge des Zolles, da Berlin nach den Preis 
tabellen des preussischen statistischen Bureaus auch vor der Ein 
führung des Zolles regelmässig eine positive Preisdifferenz gegen 
über Danzig aufweist. 
Der Jahresdurchschnitt des Kölner Preises (236,70) steht 
26.10 Mark über dem Danziger und der Mannheimer Preis über 
trifft den letzteren im Jahresdurchschnitt um 39.20, im December 
sogar um 45.29 Mark. Bei so grossen Unterschieden in der ört 
lichen Preisbildung ist es nicht auffallend, dass die Bewegung der 
Preise an den vier Handelsplätzen sich von Monat zu Monat keines 
wegs genau parallel bleibt, da eben an jedem selbständige Ursachen 
den Markt beeinflussen können; im Allgemeinen jedoch zeigt sich 
der Verlauf, den man erwarten durfte: sobald sich die Unzuläng 
lichkeit der Ernte klar herausgestellt hat, tritt im August überal 
ein rasches Steigen des Preises ein, dem erst im November ein 
langsamer Rückgang folgt. 
Die Haupteinfuhr hatte jedoch, was eine richtige Voraussicht 
von Seiten des Handels bekundet, schon im Juli bei noch ziemlich 
niedrigen Preisen stattgefunden. Immerhin aber ist es auffallend, 
dass in den folgenden Monaten die Ziffern der Einfuhr so unge 
wöhnlich niedrig bleiben. Es hängt dies vielleicht mit der stärkeren 
Anziehungskraft zusammen, welche um diese Zeit England auf den 
für den Weltmarkt verfügbaren Weizen ausübte. 
Nehmen wir zum Vergleich die amtlichen monatlichen Durch 
schnittspreise des englischen Weizens, die aus den Preisen einer 
grösseren Anzahl von Marktorten gebildet werden. Diese Durch 
schnitte sind immer niedriger als die Preise der am Londoner Markte 
gangbaren besseren inländischen und ausländischen Weizensorten. 
Sie können also auch nicht verwendet werden, um die absoluten 
Preisdifferenzen zwischen London und den deutschen Plätzen zu 
bestimmen, wohl aber ist man im Stande, die Ab- und Zunahme 
dieser Differenzen mit Hilfe jener Preisangaben annähernd zu er 
kennen. Rechnet man dieselben aus Quarters in metrische Tonnen 
um, was natürlich nur annähernd richtig geschehen kann (1 Quarter 
wird durchschnittlich zu 4,33 engl. Ctr. gerechnet), so erhält man 
als Mittelwerth für das ganze Jahr 210,33 Mark, also fast genau

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23 
deren ungeheure Getreidemassen auf dem englischen Markte zu- 
sammenstiessen, theilweise ihrerseits Zugeständnisse gemacht haben, 
um in Deutschland, soweit ihnen dieses bequemer gelegen war, 
Absatz zu erhalten, ist durchaus wahrscheinlich, und soweit ist also 
auch anzunehmen, dass das Ausland einen Theil des Zolles getragen 
hat. Darauf weist auch folgende Betrachtung hin. Der Jahres 
durchschnittspreis des Danziger unverzollten, also wohl nur russischen 
Weizens, ist von 210,60 Mark im Jahre 1881 auf 157,10 Mark im 
Jahre 1884 gesunken, während der Preis des englischen Weizens 
gleichzeitig von 210,30 Mark nur auf 165,50 Mark, also um 8,70 Mark 
weniger zurückging. Der russische Weizen scheint sich also in den 
deutschen Ostseehäfen einem gewissen Preisdruck anbequemt zu 
haben, um nicht das Angebot in England noch weiter vergrössern 
zu müssen. Dies wirkte dann auch auf die übrigen deutschen Märkte 
zurück, und so stand der Berliner Preis im Jahresdurchschnitt von 
1884 nur um 5,10 Mark höher als der des Danziger Transitweizens, 
während 1881 der Unterschied 8,90 Mark betragen hatte. 
Weit deutlicher natürlich musste sich der Einfluss des erhöhten 
Zolles von 30 Mark fühlbar machen, der vorläufig schon durch das 
Gesetz vom 20. Februar 1885 eingeführt wurde. Wir geben zunächst 
für das Jahr 1885 die nachfolgende vollständigere Uebersicht der 
Weizenpreise und der monatlichen Einfuhr (in Millionen Kilo). 
Monat (1885) 
Januar 
Februar 
März 
April 
Mai 
Juni 
Juli 
August 
September 
October . 
November 
December 
Danzig 
150,», 
140,7 1 
146,12 
154,2« 
152,»» 
141,„ 
145.00 
142,54 
130,46 
139,04 
133,02 
131.00 
Berlin 
159.40 
162.50 
164, »0 
17100 
174.00 
108.50 
165, » 5 
155.40 
152.50 
157.00 
153.75 
146,55 
Köln 
165.00 
170.00 
175.00 
184.50 
191.00 
183,»5 
179.50 
167.50 
166.50 
169,40 
167,87 
164.00 
Mannheim 
183.80 
187.10 
186 oo 
192.40 
194.60 
188.10 
188,20 
183,50 
184.10 
187.80 
186.40 
185.60 
Der Mittelpreis des englischen Weizens war im Januar 15 5,90 Mark, 
er sank im März auf 147,70, stieg im Mai bis 170,10, blieb in den 
nächsten drei Monaten in der Nähe von 156 Mark und sank dann 
SW 
ÍI vw

1Q22 
4^8

14 
Ertrag Verbrauch Ueberschuss Auf den Kopf 
Schleswig-Holstein, Mecklenburg, Ham 
burg, Lübeck .... 
Preussisch Sachsen und Anhalt 
Pommern 
Posen 
West- und Ostpreussen . . 
769 530 239 95 Kilo 
703 589 114 41 » 
461 331 130 86 » 
510 378 132 77 » 
856 741 115 34 » 
Wir haben oben Hamburg und Bremen in die sie umgebenden 
Produktionsgebiete mit eingeschlossen. Thatsächlich wird jedoch 
in diesen Städten vor dem Zollanschluss wenig deutsches Getreide 
verzehrt worden sein; denn wenn auch die Mehlausfuhr dorthin 
ziemlich bedeutend war, so wird dieselbe doch fast ausschliesslich 
von Mühlenlagern ausgegangen und demnach nur wie durchgehen 
des ausländisches Getreide zu betrachten sein. Bringt man also 
die Consumtion der Freihafen gebiete in Abzug, so erhöht sich 
der Ueberschuss von Hannover-Oldenburg wegen Bremens um 32, 
und der von Schleswig-Holstein-Mecklenburg wegen Hamburgs um 
1O4 Mill. Kilo. 
In den Gebieten mit unzulänglicher Produktion blieb also nach 
der obigen Rechnung im Jahre 1886 ein ungedeckter Getreidebedarf 
von 2224 Mill. Kilo, während die übrigen Landestheile einen Ge- 
sammtüberschuss von 1141 Mill. Kilo erzeugten, wenn wir die Zoll 
ausschlüsse als Verbrauchsgebiete ausser Betracht lassen. Das Gebiet 
der Fehlbeträge besteht aus dem westlichen Deutschland, ungefähr 
in der Ausdehnung des Stromgebiets des Rheines auf deutschem 
Boden, es springt aber nach Osten weiter vor, indem es durch Thü 
ringen und Sachsen mit Brandenburg und Schlesien verbunden wird. 
Das Hauptgebiet der Ueberschüsse bilden die an die Nord- und Ost 
see anstossenden Landestheile nebst den Provinzen Sachsen (mit 
Einschluss von Anhalt) und Posen. Im Süden stellt das nicht 
fränkische rechtsrheinische Bayern ein kleines Nebengebiet dieser 
Art dar, das übrigens nur noch einen geringen verfügbaren Ueber 
schuss behält, wenn man annimmt, dass es zunächst den Restbedarf 
der fränkischen Bezirke deckt. 
Der durchschnittliche Fehlbedarf des Westens wird übrigens 
noch grösser sein, als der hier berechnete, da namentlich im Süd 
westen der Brod- und Mehlverbrauch den allgemeinen Durchschnitt 
jedenfalls erheblich überschreitet.

40 
sein, wenn durch den Zoll der durchschnittliche Weizenpreis in 
Deutschland oder wenigstens in dem industriellen Westen des 
Reiches dauernd um 30—40 Mark über dem englischen Preise ge 
halten würde. Allerdings ist in Deutschland nicht Weizen, sondern 
der billigere Roggen das vorherrschende Brodgetreide, aber es ist 
nicht zu vergessen, dass das Roggenbrod im Ganzen ein weniger 
geschätztes und gröberes Nahrungsmittel bildet als das Weizenbrod. 
Würde also der Roggenpreis in Deutschland unter dem Einflüsse 
des Zolles dem Weizenpreise in England dauernd gleichgehalten, 
so wäre dadurch die Volksernährung in Deutschland auf eine un 
zweifelhaft ungünstigere Stufe gestellt.

3i 
unverzollte russische Waare in Bremen, während im Januar noch 
eine Differenz von nahezu 5 Mark im umgekehrten Sinne be 
standen hatte. 
Das Jahr 1883 brachte bei einer Roggenernte, die um ein 
Achtel geringer war als die des Vorjahres, nur eine sehr massige 
Besserung des Preises, was sich durch das starke Anschwellen der 
russischen Ausfuhr erklärt, die auch ohne Zweifel einigermassen 
durch den niedrigen Kurs des Rubels begünstigt wurde, der durch 
schnittlich ungefähr auf 200 stand, wie auch annähernd schon 1882, 
während er sich 1881 noch zwischen 208 und 216 bewegte. Der 
Danziger Preis stand im Anfang des Jahres 12 Mark unter dem 
Bremer, dieser Abstand aber verminderte sich immer mehr bis Juli, 
seit August .trat eine Differenz mit entgegengesetzten Vorzeichen 
auf und im November war der Preis in Danzig wieder um 15 Mark 
höher als in Bremen. Der Berliner Preis stand immer über dem 
Bremer, aber im Januar nur um 4*80 Mark, im November aber um 
16,50 Mark. Diese zunehmenden Abstände sind einfach dadurch 
verursacht worden, dass die inländischen Preise bedeutend mehr 
stiegen als der des unverzollten Roggens in Bremen, was ohne 
Zweifel hauptsächlich durch den Einfluss des Zolles bei unzuläng 
licher Ernte zu erklären ist. 
Im Jahre 1884 war das Ernteergebniss in Deutschland noch 
etwas geringer als im Vorjahre, während Russland sich eines un 
gewöhnlich reichen Roggenertrags erfreute. Der letztere Umstand 
wurde für die Preisbildung der entscheidende: nachdem der Roggen 
sich in der ersten Jahreshälfte zeitweise um einige Mark über den 
Schlusspreis des Vorjahres erhoben hatte, ging er seit August ent 
schieden zurück und schloss das Jahr in noch ungünstigerer Markt 
lage, als er es begonnen hatte. Der Berliner Preis stand im Januar 
um 14,90 Mark, im December um 11,25 Mark höher als der Bremer, 
woraus zu schliessen ist, dass der Zoll immerhin ein noch stärkeres 
Fallen des Preises verhindert hat. Auch in Danzig hielt sich der 
Roggenpreis in den ersten sieben Monaten um 9—14 Mark höher 
als in Bremen, dann aber trat in Folge lokaler Umstände, wahr 
scheinlich übergrosser Anhäufung von Vorräthen, ein Umschwung 
ein, indem sich der Danziger Preis bis zum Ende des Jahres um 
einige Mark niedriger stellte als der Bremer.

Landwirthe keineswegs etwa eine Entschädigung in der grösseren 
Menge ihres Produktes, denn die Ernte war nur weniger ungünstig 
als in den vorangegangenen Jahren, aber keineswegs eine reich 
liche. Die Preisbewegung ergibt sich aus der folgenden Uebersicht: 
Monat (1884) Danzig Berlin Köln Mannheim 
Januar .... 174,g, 172, 90 188,00 193, ß0 
Höchster Mon .-Pr. 176, 7 («) 173,5(2) 196,0(7) 196,2(2) 
Niedrigster » 135,«(u) 147,7(9) 158,0(12) 171,1(9) 
December . . . 140,52 153,00 158,00 173,co 
Jahresdurchschnitt 157,10 162,20 180,10 185,07 
England 
179, 10 
179,i (j) 
144,2(12) 
144,20 
165,50 
Wenn in Deutschland in den letzten beiden Monaten eine kleine 
Besserung des Preises eintrat, so hing dies wohl mit der Erwartung 
einer Zollerhöhung zusammen. Immerhin steht der englische De- 
cemberpreis noch über dem Danziger, wenn auch unter dem Berliner. 
Die grössten monatlichen Einfuhrzahlen finden wir wieder im Januar 
(130 Mill. Kilo) und Juli (164 Mill. Kilo). Ausserdem aber findet 
im November und December, entsprechend der kleinen Preiserhöhung, 
eine verstärkte Einfuhr (von 73 Mill. Kilo) statt, die ohne Zweifel 
durch die Speculation auf die Zollerhöhung veranlasst war. 
VI. 
Im Ganzen zeigt sich also in der Periode des niedrigen Zolles 
dieselbe Solidarität des deutschen Weizenpreises mit dem des Welt 
marktes, die auch bei voller Handelsfreiheit bestanden haben würde. 
Dass der Zoll eine gewisse vertheuernde oder die Verbilligung hem 
mende Wirkung ausgeübt hat, ist anzunehmen, aber eine zahlen- 
mässige Bestimmung dieser Wirkung ist schon deswegen unmög 
lich, weil die lokalen Marktverhältnisse, wie sie in der wechselnden 
Differenz der Preise der verschiedenen Plätze zum Ausdruck kommen, 
Preisverschiebungen erzeugen, die grösser sind als der Zollbetrag 
von 10 Mark. Noch mehr aber gilt dies von der Wechselwirkung des 
deutschen Markts mit dem Weltmärkte. Ueberhaupt müsste man, um 
die Wirkung des Zolles genau feststellen zu können, die Preise kennen, 
die bei Herstellung des freien Handels bestehen würden. Dass indess 
in den oben betrachteten Jahren die ausländischen Produktionsländer,

2 I 
2i und 32 Mill. Kilo, nahm dann aber ungewöhnliche Verhältnisse 
an: im Juli erreichte sie 132 Mill., im August 89 Mill., im October 
60 Mill., im November 49 Mill., im December 46 Mill. Kilo. Der 
grösste Theil des eingeführten Weizens aber kam in diesem Jahre 
ausnahmsweise nicht aus Russland, sondern aus Oesterreich-Ungarn, 
nämlich 260 Mill. Kilo, gegenüber einer russischen Einfuhr von 
218 Mill. Kilo. Der Druck der ungewöhnlich grossen ungarischen 
Concurrenz traf Deutschland am unmittelbarsten und bewirkte daher 
hier das erwähnte auffallende Sinken des Preises. 
Für das Jahr 1883 sind die entsprechenden Preise folgende: 
Monat (1883) Danzig Berlin 
Januar .... 173,77 176,so 
Höchster Mon.-Pr. 192, 2 (s) 197,7(s) 
December. . . . 176,75 179,10 
Jahresdurchschnitt 181,40 186,10 
Köln Mannheim England 
197.50 217,60 186,40 
216,5(5) 219,9(2) 202,8 (,) 
193.50 203,50 183,30 
204,40 216,32 ] ) 193,oo 
Die Weizenernte war in Deutschland um mehr als 200 Mill. 
Kilo gegen das Vorjahr zurückgeblieben, gleichwohl dauerte das 
Sinken des Preises im Ganzen fort und die Berliner Durchschnitts 
werte bleiben immer unter den englischen. Die amerikanische 
Ernte war zwar ebenfalls bedeutend geringer als 1882, aber es 
waren ohne Zweifel aus dem letzteren Jahre überall noch grosse 
Vorräte übrig und überdies hatte die Weizenausfuhr aus Indien 
bedeutend zugenommen. Die monatliche Einfuhr nach Deutschland 
war wieder am stärksten im Januar (139 Mill. Kilo), blieb in den 
folgenden Monaten zwischen 34 und 45 Mill. Kilo, schwoll dann im 
Juli bis 125 Mill. Kilo, ging aber von August ab wieder auf 30 bis 
45 Millionen zurück. 
Im Jahre 1884 fiel die Weizenernte in Deutschland und den 
meisten anderen Ländern besser aus, als im Vorjahre, und in den 
Vereinigten Staaten namentlich war der Ertrag grösser als jemals. 
So blieben die Preise fast ununterbrochen das ganze Jahr hindurch 
rückläufig und erreichten schliesslich einen, in der neueren Zeit bis 
dahin kaum für möglich gehaltenen Stand. Dabei fanden die deutschen 
') Seit Juli fand in Mannheim eine Veränderung der Notirung statt, in Folge deren 
die Preise sich etwas niedriger stellten. Der obige Durchschnitt bezieht sich nur auf das 
erste Halbjahr.

2 
13 
Statistik alsbald, dass . das Reich nach den Verhältnissen der 
Getreide-Erzeugung und -Verzehrung in wenigstens zwei grosse 
Gebiete zerfällt, von denen das eine regelmässig einen Ueberschuss 
über seinen Bedarf hervorbringt, das andere aber ebenso regel 
mässig mit seiner Produktion nicht ausreicht und noch einer Zufuhr 
bedarf. Wir wollen bei einer Vergleichung der einzelnen Landes- 
theile unter diesem Gesichtspunkt die Ernteergebnisse des Jahres 
1886 zu Grunde legen, die zwar nicht so günstig sind als die von 
1887, aber doch die Durchschnittszahlen, die bei der Verbrauchs 
berechnung zu Grunde gelegt sind, bedeutend übersteigen. Nach 
der Reichsstatistik beliefen sich die Erträge jenes Jahres auf 
6093 Mill. Kilo Roggen, 2666 Mill. Kilo Weizen und 441 Mill. Kilo 
Spelz. Sollten diese Zahlen, wie die Angaben über die Ernten 
überhaupt, einigermassen zu niedrig angesetzt sein, so würde das 
für unsere Berechnung nur wenig Unterschied machen, da dann ja 
auch die wirkliche Bedarfsmenge auf den Kopf entsprechend grösser 
wäre, als die hier angenommene. Dass die Gebiete mit geringerer 
Getreideproduktion auf den Kopf auch einen geringeren Bedarf an 
Aussaat haben, kann ausser Acht gelassen werden. 
Fassen wir also die Landestheile von ähnlichem Charakter 
zu grösseren Gebieten ohne Rücksicht auf die Zollgrenze zusammen, 
so ergeben sich Fehlbeträge an Brodgetreide (in Mill Kilo) in den 
folgenden : 
Württemberg, Hohenzollern . . 
Baden, Elsass-Lothringen . . 
Pfalz, Hessen-Darmstadt . . . 
Hessen-Nassau 
Rheinprovinz 
Westfalen, beide Lippe, Waldeck 
Die Thüringischen Staaten . . 
Königreich Sachsen .... 
Brandenburg, Berlin .... 
Schlesien 
Die 8 fränkischen Bezirke Bayerns 
Dagegen liefern folgende Gebiete Ueberschüsse : 
Ertrag Verbrauch Ueberschuss 
Das übrige rechtsrheinische Bayern . 753 
Hannover, Braunschweig, Oldenburg, 
Bremen 821 
Ertrag 
294 
453 
263 
203 
462 
424 
182 
368 
583 
731 
355 
Verbrauch Fehlbetrag 
454 
697 
364 
350 
956 
533 
267 
700 
805 
905 
411 
160 
244 
101 
147 
494 
109 
85 
332 
322 
174 
56 
628 
125 
671 
150 
Auf den Kopf 
78 Kilo 
77 
65 
92 
114 
45 
71 
104 
88 
42 
30 
Auf den Kopf 
44 Kilo 
49 ,

39 
Menge ausländischer Waaren, die in Gold zu bezahlen sind. Ein 
Theil der letzteren mag allerdings, um seinen bisherigen Absatz in 
Russland zu behalten, sich mehr oder weniger den in Rubeln aus 
gedrückten Preisen anpassen, in den meisten Fällen aber wird eine 
Erhöhung des Preises in Rubeln und eine Verminderung der Ein 
fuhrmenge eintreten, so dass sich also das Mengenverhältnis des 
Güteraustausches zum Nachtheile Russlands verschiebt. Der Ein 
fluss der Entwerthung des Rubels auf die Preisbildung ist wegen 
der besonderen Stellung Deutschlands und Russlands gegeneinander 
wieder am stärksten beim Roggen, da die russische Weizenausfuhr 
doch nur einen mässigen Bruchtheil der im Welthandel erscheinen 
den Gesammtausfuhr bildet. Bei dem Weizen entsteht allerdings 
durch die Entwerthung des Silbers eine ähnliche Verschiebung des 
Güteraustausches zwischen Europa und Indien. Aber die indische 
Weizenausfuhr bildet auf dem Weltmarkt ebenfalls nur einen mit 
wirkenden, aber keineswegs den ausschlaggebenden Faktor, wie schon 
z. B. die Ziffern der Einfuhr von Weizen und Mehl (auf Körner be 
rechnet) nach England für das Jahr 1887 beweisen: von der Ge- 
sammtmenge von 78,4 Mill, (engl.) Ctr. kamen 5,6 Mill, aus Russ 
land, 8,5 Mill, aus Indien, 5,2 Mill, aus Britisch-Nordamerika und 
49,1 Mill, aus den Vereinigten Staaten. 
Wie gross nun die Mehrausgabe ist, die dem ganzen Volke 
jährlich aus den Getreidezöllen erwächst, lässt sich aus den obigen 
Darlegungen nicht feststellen. Man kann nur sagen, dass diese 
Summe von Jahr zu Jahr nach den Ernteverhältnissen des In- und 
Auslandes wechselt, und dass die durchschnittliche Vertheuerung 
des Getreides unter dem vollen Betrage des Zolles bleibt, aber mit 
zunehmender Höhe des letzteren ebenfalls grösser wird. Unter Ver 
theuerung ist aber hier die Abweichung vom P'reihandelspreise zu 
verstehen, wie er insbesondere für Weizen in England zum Aus 
druck kommt, und die relative Vertheuerung in diesem Sinne schliesst 
daher nicht aus, dass eine absolute Verbilligung des Getreides gegen 
über dem in den siebziger Jahren geltenden Durchschnitt statt 
gefunden hat. Ein erheblicher Preisunterschied des Brodgetreides 
in zwei Bändern von gleicher Kulturstufe und wetteifernden wirt 
schaftlichen Bestrebungen hat aber eine allgemeinere wirtschaft 
liche Tragweite und es würden ernstliche Bedenken gerechtfertigt

4 
wie Getreide, deren Jahreserzeugniss von den veränderlichen und 
unberechenbaren Ernteverhältnissen abhängt, selten zu finden sein. 
Bald weist das Ausland, bald das Inland einen ungewöhnlich reichen 
Ernteertrag oder umgekehrt einen Ausfall auf, und so ergeben sich 
mehrere Combinationen, welche Einfuhrströmungen von verschiedener 
Art und Stärke und als Folge derselben auch verschiedene Ein 
wirkungen des Zolles auf den Preis erzeugen. Insbesondere kann 
die Einfuhr bedingt sein entweder durch das Uebergewicht des 
Andrangs der von aussen kommenden Waarenmasse oder durch 
die Anziehung, welche eine durch unzulängliche Ernte im Inland 
entstandene Leere hervorruft. Trifft jener äussere Andrang mit 
einer normalen oder reichlichen Ernte des Inlandes zusammen, so 
wirkt der Zoll zunächst drückend auf den Preis des ausländischen 
Getreides, und zwar um so mehr, je grösser der auf dem Welt 
markt angebotene Ueberschuss ist. So kann zeitweise der Auslands 
preis um den vollen Zollbetrag unter den inländischen sinken, das 
fremde Getreide kann also dann eingehen und erzeugt nun, da das 
Inland an sich genügend versorgt ist, durch Ueberfüllung des Marktes 
eine Erniedrigung des Preises im Inneren. Indess wird diese im 
Allgemeinen nicht so weit gehen als bei freiem Handel, da der 
Zoll wenigstens einen Theil der sonst möglichen Einfuhr verhindert. 
Ist die Ueberführung des Weltmarktes nicht allzu stark, so wird 
durch die Verhinderung der Einfuhr des ausländischen Getreides 
in ein einzelnes Land der Weltmarktpreis vielleicht nur wenig be 
rührt, so dass dieser sich selbst nicht einmal vorübergehend um 
den vollen Zollbetrag unter den inländischen Preis stellt. Es wird 
dann überhaupt wenig oder gar nichts eingeführt, der inländische 
Preis also auch nicht merklich gedrückt werden, dabei aber doch 
vielleicht nur um einen mässigen Bruchtheil über dem Auslands 
preise stehen. 
Im Ganzen wirkt also, wenn die Einfuhrbewegung durch den 
Andrang von aussen erzeugt wird, der Zoll nicht positiv steigernd 
•auf den inländischen Getreidepreis, sondern er verhindert nur, dass 
derselbe so tief sinkt, wie der ausländische, und die Differenz zwischen 
jenem und diesem wird sich dem vollen Zollbetrag um so mehr 
näheren, je grösser das überschüssige Angebot auf dem auswärtigen 
Markte ist.

30 
Jahr. 
1881 
1882 
1883 
1884 
Danzig Berlin Köln Bremen 
Niedrigster Mon.-Pr. 164,00(12) 179,25(12) 202,50(12) 175,25(0) 
Höchster Mon.-Pr. . 199,04(1) 208,00(4) 230,00(5) 206,40(5) 
Jahresdurchschnitt . 188,20 195,20 216,90 191,21 
Niedrigster Mon.-Pr. 121,90(12) 136,50(12) 152,50(10) 133,00(12) 
Höchster Mon.-Pr. . 165,12(1) 176,75(1) 206,25(1) 170,00(1) 
Jahresdurchschnitt . 141,40 152,30 178,10 147,oc 
Niedrigster Mon.-Pr. 121,32(3) 135,30(3) 145,00(3) 131,20(1) 
Höchster Mon.-Pr. . 148,93(g) I54,oo(g) 167,40(g) 140,75(g) 
Jahresdurchschnitt . 136,10 144,70 156,go 135,30 
Niedrigster Mon.-Pr. 124,27(9) 137,25(9) 143,75(g) 128,25(11,12) 
Höchster Mon.-Pr. . 151,50(7) 149,00(7) 164,00(7) 137,40(7) 
Jahresdurchschnitt . 138,70 143,30 153,20 132,27 
Im Jahre 1880 war die Roggenernte in Deutschland schlecht 
und auch in Russland erheblich unter dem Durchschnitt. Der Preis 
ging daher in der zweiten Hälfte des Jahres auf den deutschen 
Märkten bedeutend in die Höhe und die Wirkung des Zolles von 
10 Mark musste sich nun deutlicher fühlbar machen. In der That 
sehen wir, dass die Preisdifferenz zwischen Berlin und Bremen, die 
im April nur 2,65 Mark betrug, im December auf 12,25 Mark ge 
stiegen war. Die Qualitätsverschiedenheit des Roggens auf den 
beiden Plätzen kommt bei dieser Art der Vergleichung weiter nicht 
in Betracht. 
Während der ersten Hälfte des Jahres 1881 behauptete der 
Roggen seinen hohen Preisstand, im Juli aber, als sich das Ergeb 
nis der neuen Ernte übersehen Hess, trat ein jäher Sturz des Preises 
ein, der in den folgenden Monaten nur zum kleineren 1 eile wieder 
ausgeglichen wurde. Dabei war aber die Ernte in Deutschland, 
wenn auch besser als im Vorjahre, so doch keineswegs gut aus 
gefallen und die russische Roggenausfuhr blieb in diesem Jahre 
sogar ungewöhnlich gering. Auffallend ist auch, dass die äusserst 
ungünstige Weizenernte und der seit August stark steigende Weizen 
preis auf den Roggen keine stärkere Rückwirkung ausgeübt haben. 
Allerdings blieb der Roggenpreis trotz seines starken Rückganges 
am Schluss des Jahres noch auf einem verhältnissmässig hohen Satze 
und es bedurfte der guten Ernte des Jahres 1882, um ihn wieder 
ungefähr auf den Stand zurückzuführen, den er 1879 eingenommen 
hatte. Bemerkenswerther Weise stand im December 1882 der 
Roggen in Danzig im freien Verkehr 11 Mark niedriger als die

DIE WIRKUNG 
DER 
GETREIDEZÖLLE 
VON 
W. LEXIS. 
SONDERABDRUCK 
AUS DER 
FESTGABE FÜR GEORG HANSSEN ZUM 31. MAI 1889. 
TÜBINGEN, 1889. 
VERLAG DER H. LAUPP’SCHEN BUCHHANDLUNG.

VERLAG DER H. LAUPP’SCHEN BUCHHANDLUNG IN TÜBINGEN. 
Demnächst erscheint: 
DIE GRUNDLAGEN 
DER 
VOLKSWIRTSCHAFTSLEHRE 
VON 
Dr. FR. J. NEUMANN, 
Professor an der Universität Tübingen. 
Preis ca M. 4. 50. 
ARCHIV 
FÜR 
SOZIALE GESETZGEBUNG 
UND STATISTIK 
VIERTELJAHRESSCHRIFT 
ZUR ERFORSCHUNG DER GESELLSCHAFTLICHEN ZUSTÄNDE 
ALLER LÄNDER. 
HERAUSGEGEBEN VON 
Dr. HEINRICH BRAUN. 
Preis pro Jahrgang oder Band von 4 Heften M. 12. —. 
ZEITSCHRIFT 
FÜR DIE GESAMTE 
STAATS WISSENSCHAFT 
In Verbindung mit 
Dr. G. HANSSEN, Dr. J. A. R. v. HELFERICH, Dr. W. ROSCHER, 
Prof, in Göttingen, Prof, in München, Prof, in Leipzig, 
Dr. F. v. HACK, Dr. A. WAGNER, 
in Stuttgart, Prof, in Berlin. 
Herausgegeben von 
Prof. Dr. FRICKER in Leipzig, Dr. A. E. F. SCHÄFFLE in Stuttgart, 
Prof. Dr. G. von SCHÖNBERG in Tübingen. 
Preis pro Jahrgang oder Band von 4 Heften M. 16. —

I 2 
rung übrig bleiben. Diese Menge scheint, da sie nicht nur das zum 
Brodbacken, sondern auch das zu Mehlspeisen, Suppen u. s. \v. ver 
wendete Getreide enthält, sehr klein, wenn man sie mit den zahl 
reichen Angaben über den Verbrauch von Back- und Kochmehl 
in bäuerlichen Familien vergleicht, die man in den badischen Er 
hebungen über die Lage der Landwirthschaft findet. Doch ist 
andererseits zu bedenken, dass die Mehlspeisen in Süddeutschland 
eine weit grössere Rolle in der Volksernährung spielen, als im 
Norden, wo die Kartoffeln in stärkerem Verhältniss an die Stelle 
der Getreidenahrung treten. Wie weit Gersten- und Hafermehl mit 
zum Brodbacken verwendet wird, kommt für unsere Zwecke nicht 
in Betracht. Auch brauchen wir nicht näher zu untersuchen, wie 
sich die verzehrten Mengen von Brod und Mehlspeisen zu einander 
verhalten. Nach den freilich gewagten Schätzungen Keleti’s werden 
in Ungarn zu letzteren auf den Kopf 55,6 Kilo an Weizen-, Roggen-, 
Halbfrucht- und Maismehl verwendet, ausser 2,9 Kilo Gerstenmehl, 
während der Verbrauch von Brod aus den erstgenannten Getreide 
arten 125,5 Kilo betragen soll, wozu noch 17,5 Kilo Hafer- und 
Gerstenbrod kommen. Wenn wir den Mais als Vertreter des Weizens 
betrachten, so würde jene Mehlmenge etwa 74 Kilo Getreide dar 
stellen, der Brodverbrauch aber würde, da die Gewichtsvermehrung 
des Brodes durch Wasseraufnahme grösser ist, als der Abgang 
beim Mahlen des Getreides, etwa einer Körnermenge von 115 Kilo 
entsprechen, so dass sich der gesammte Kopfantheil am Getreide 
verbrauch für Nahrungszwecke zu 189 Kilo ergeben würde. In Süd 
deutschland mögen die Mehlspeisen wohl nicht weniger Getreide in 
Anspruch nehmen, als die für Ungarn angegebene Menge, da 
gegen dürfte der jährliche Brodverbrauch dort beträchtlich über 
125 Kilo hinausgehen, wenn er auch die Ziffer von Paris, wo 164 
Kilo auf den Kopf gerechnet werden, nicht erreichen wird. 
IV. 
Nehmen wir nun die gesammte jährliche Bedarfsmenge Deutsch 
lands an Roggen, Weizen und Spelz für die verschiedenen ange 
führten Zwecke rund zu 220 Kilo an, so ersehen wir aus der Ernte-

25 
Monat (1886) 
Januar 
Februar 
März . 
April . 
Mai 
Juni 
Juli . . 
August 
September 
October . 
November 
December 
Danzig 
131,96 
1 33,i 7 
141,8 3 
143,88 
137,33 
138,3* 
140,3 4 
136,62 
136,46 
136,46 
140,00 
148,7 3 
Berlin 
14 Í ,00 
149,40 
153.75 
153,50 
152,00 
145,20 
147,57 
156,52 
151.75 
149,9 5 
150,23 
158,90 
Köln 
165.3 3 
168,37 
167.10 
171.3 7 
169,00 
168.10 
1 I 3,00 
169,50 
160,7 0 
159.3 7 
163.62 
166.62 
Mannheim 
185.70 
188.50 
192,80 
192.50 
189,so 
187,60 
186,00 
187.70 
188.50 
188,90 
191,20 
192,30 
Einfuhr 
55.8 
11,4 
13.1 
10.2 
11,4 
13.2 
47.6 
24.9 
31.0 
18.6 
18.3 
17.1 
In England ergab der Januar den Durchschnittspreis 138,40 
und im Februar sank derselbe sogar auf 136,50. Es trat dann eine 
geringe Besserung ein bis 150,40 im August und nach einem aber 
maligen Rückschläge brachte der December den höchsten Monats 
preis, 153,60. Der Jahresdurchschnitt berechnet sich zu 143,80, also 
4,90 Mark höher als der entsprechende Danziger Preis (138,90) und 
7,50 Mark höher als der Berliner Durchschnittspreis (151,30). Im L ^ \ ' Y*' 
übrigen stand der letztere jetzt 12,40 Mark über dem Danziger, 
also zwar weniger als im Jahre 1885, aber doch um 7,30 Mark 
mehr, als im Jahre 1884 vor der Zollerhöhung. Die^ Differenz des 
Kölner Jahresdurchschnitts (167,60) gegen den englischen beträgt 
23,80 Mark, die des Mannheimer (189,80) gegen denselben Ver 
gleichspreis ist 46,00 Mark, während im Jahre 1884 die entsprechenden 
Unterschiede sich nur auf 14,60 und 19,07 beliefen. Auch hier liegt 
ohne Zweifel eine Wirkung der Zollerhöhung vor, aber die grössere 
Festigkeit des Mannheimer Preises im Vergleich mit dem Kölner 
hängt jedenfalls mit lokalen Ursachen zusammen. 
Die Einfuhr von Weizen nach Deutschland war im Jahre 1886 
ungewöhnlich gering, die Preisbewegung war also wesentlich durch 
die Lagervorräthe und das Ernteergebniss bestimmt. Die amerika 
nische Ernte war mässig, wenn auch erheblich besser als im Vor 
jahre, Russland und Ungarn blieben mit ihren Erträgen unter dem 
Mittel, und so erscheint es auffallend, dass die aufsteigende Be 
wegung des Preises am Ende des Jahres nicht stärker auftrat. 
Immerhin setzte sie sich in das Jahr 1887 fort, wie die folgende 
Tabelle zeigt.

3 
29 
sprechende Stellung- Englands dem Weizen gegenüber in Vergleich 
zieht, da der Einfuhrbedarf Deutschlands an Roggen durchschnitt 
lich nur 600—700,000 Tonnen beträgt. Da aber diese Menge zu 
mehr als drei Vierteln aus Russland bezogen wird, so fällt sie doch 
bei der Preisbildung höchst entscheidend in’s Gewicht. Auch für 
die Wirkung des Zolles kommt es also hauptsächlich darauf an, 
wie sich Ernte und Vorräthe in Deutschland und in Russland zu 
einander verhalten, und insbesondere wird bei beiderseits günstiger 
Ernte die Abwälzung des Zolles auf Russland, das eben für seinen 
Ueberfluss keinen anderen erheblichen Absatz findet, wahrscheinlich 
fast vollständig gelingen. Weist dagegen die deutsche Roggenernte 
einen ungewöhnlichen Fehlbetrag auf, so wird Russland auch bei 
guter eigener Ernte leichter aus diesem Umstande Nutzen ziehen 
können, weil- es eben der Hauptlieferant für dieses Getreide ist und 
nicht, wie bei Weizen, überseeische Mitbewerber zu fürchten hat. 
Im Folgenden vergleichen wir die Roggenpreise von Danzig, 
Berlin, Köln und Bremen nach den Angaben der Monatshefte der 
Reichsstatistik. Der Danziger Preis bezieht sich auf Roggen im 
freien Verkehr von etwa 71,5 Kilo Hectoliter-Gewicht; für Berlin 
ist wieder die frühere handelsübliche Lieferungswaare von 65,9 Kilo 
(seit October 1887 66,8 Kilo) Qualitätsgewicht gemeint; der Kölner 
Preis bezieht sich auf fehlerfreien rheinischen Roggen von min 
destens 70 Kilo Hectoliter-Gewicht; der von Bremen seit 1883 auf 
unverzollten, guten, gesunden südrussischen, vorher auf Nikolajeff- 
Odessa-Roggen. Mannheim hat als Handelsplatz für Roggen bei 
weitem nicht die Bedeutung wie für Weizen, der (nebst dem Spelz) 
in Süddeutschland den Roggen als Brodgetreide entschieden in die 
zweite Reihe gedrängt hat. Der Mannheimer Roggenpreis ist 
übrigens meistens nicht viel höher und zuweilen niedriger als der 
Kölner. Für die Jahre 1880 bis 1884 stellen wir im Folgenden die 
höchsten und niedrigsten monatlichen und die jährlichen Durch 
schnittspreise (für die I onne von 1000 Kilo) zusammen, wobei die 
Monate wieder durch die eingeklammerten Zahlen bezeichnet sind. 
Jahr Da,lzi * B"lin Köln Bremen 
1880 Niedrigster Mon.-Pr. 157,«(.) 167,„(<) 187,,ob) 164,00(4) 
Höchster Mon.-Pr. . 204,.(„) 215,00(1,) 222, 0 (n,..) 202,„(„) 
Jahresdurchschnitt . 180,«, 187, 90 2 04,«, 179, 74

Wirkt dagegen die Anziehungskraft eines ungedeckten 
Bedarfs im Inlande, so kommt es darauf an, ob gleichzeitig auf 
dem Weltmärkte Ueberfluss herrscht oder nicht. Im ersteren Falle 
wird trotz der drängenden Nachfrage im Inneren der Zoll doch 
vielleicht noch wenigstens theilweise seine Druckkraft auf den Aus 
landspreis ausüben können, und wenn nun auch zeitweilig, nämlich 
bis der heimische Bedarf befriedigt ist, der Abstand zwischen dem 
inneren und dem äusseren Preise den vollen Zollbetrag erreicht, 
so ist dies dann doch nur zum Theil durch Erhöhung des ersteren, 
zum Theil aber auch dadurch herbeigeführt worden, dass der aus 
ländische Preis in böige des Zolles durchweg auf einem niedrigeren 
Stande geblieben ist, als er unter sonst gleichen Umständen bei 
freiem Handel sich stellen würde. Um also die positiv vertheuernde 
Wirkung des Zolles im Inlande zu bestimmen, hätte man nicht den 
inländischen Preis mit dem thatsächlichen Preise des Auslandes 
zu vergleichen, sondern mit demjenigen, der eintreten würde, 
uenn der Zoll aufgehoben würde, und dieser würde unter der hier 
gemachten Voraussetzung wahrscheinlich irgendwo zwischen den 
unter dem Einfluss des Zolles wirklich bestehenden Preisen des 
Inlandes und des Auslandes liegen. 
Ist dagegen bei mangelhafter Ernte des Inlandes das Ausland 
nicht sehr reichlich versehen, so wird das erstere den Fehlbedarf 
nur durch eine positive Preissteigerung an sich ziehen können, bei 
welcher ihm der ganze Zollbetrag zur Last fällt, ganz abgesehen 
davon, dass seine Nachfrage auch den Preisstand des Weltmarktes 
ungefähr um ebenso viel erhöht, wie es bei voller Handelsfreiheit 
geschehen sein würde. Es handelt sich eben in diesem Falle um 
die Befriedigung eines unaufschiebbaren Bedürfnisses ersten Ranges, 
und wenn auch die alte King’sche Regel in Betreff des Einflusses 
einer unzulänglichen Ernte auf die Getreidepreise unter den heutigen 
Verkehrs Verhältnissen nicht mehr gilt, so wird doch unter unserer 
Annahme die Nachfrage zu dringlich sein, als dass die Abwälzung 
eines I heiles des Zolles auf das sich zurückhaltende Ausland mög 
lich wäre. 
Ist ein Land üderhaupt nicht mehr im Stande, den Bedarf 
seiner Bevölkerung an Getreide zu den Freihandelspreisen selbst 
zu befriedigen, muss es also regelmässig jährlich eine bedeutende

.4 
i6 
vinzen eine Wirkung auf die Preise aus. Hätten dieselben ihren 
früheren Charakter als Ausfuhrgebiet für den Weltmarkt behalten, 
so würde allerdings nach dem oben Gesagten ihren landwirtschaft 
lichen Interessen durch Zölle kein Schutz gewährt werden können. 
Thatsächlich aber sind durch die überseeische Concurrenz und die » 
Entwertung des Rubels die Freihandelspreise so tief gesunken, 
dass jene Provinzen auf dem Weltmarkt ohnehin nicht mehr con 
currieren könnten und demnach ihre Stellung als Ausfuhrgebiet im 
Weltverkehr verloren haben. Andererseits aber war ihr ganzes 
Wirtschaftsleben auf die Erzeugung eines Ueberschusses von Ge 
treide gegründet, und wäre ihnen für diesen der Absatz entzogen 
worden, so hätten die weniger guten Ackerländereien wieder in 
Kieferwälder und Weiden umgewandelt werden müssen, was natür 
lich nicht ohne den wirtschaftlichen Ruin vieler Einzelner abge 
laufen wäre. 
Die Getreidezölle aber verschafften der östlichen Landwirt 
schaft ein geschütztes, wenn auch geographisch nicht sehr günstig 
für sie gelegenes Absatzgebiet innerhalb der Reichsgrenzen, wo sie 
wenigstens bessere Preise erhielt, als auf dem freien Markt, wenn 
ihr auch nicht der volle Zollsatz zu Gute kam. Da aber anderer- -*• 
seits der Bedarf des deutschen Westens durch die Zufuhr aus den 
Ostprovinzen nur etwa zur Hälfte befriedigt werden kann, so behält 
jener auch in internationaler Beziehung seinen Charakter als Ein 
fuhrland und wird daher stets den vollen Zoll zu tragen haben, 
wenn die Ernte und die Versorgung des Weltmarktes mit Getreide 
nicht sehr reichlich ist. 
V. 
Als Grundlage für weitere Betrachtungen wollen wir nun 
zunächst für Weizen die örtlichen und zeitlichen Unterschiede in 
den Preisen und in Verbindung damit auch die monatliche Ver- ^ 
theilung der Einfuhrmengen durch Zahlenreihen zur Darstellung 
bringen. Aus der grossem Anzahl von Marktplätzen, für welche 
die Reichsstatistik die monatlichen Durchschnittspreise zusammen 
stellt, wollen wir nur einige besonders charakteristische berück 
sichtigen. Von den Ostseehäfen wählen wir Danzig aus, als wich-

dass der Roggenpreis in den letzten Jahren verhältnissmässig stärker 
gedrückt und weniger elastisch war, als der Weizenpreis. Man 
darf indess nicht vergessen, dass die oben berechneten Verbrauchs 
ziffern wegen der Unsicherheit der Ernteertragszahlen ziemlich weite 
Fehlergrenzen haben, wodurch natürlich auch der Werth der Diffe 
renzen derselben unsicher wird. 
Die Verbrauchsziffer von 217,5 Kilo auf den Kopf der Bevölke 
rung ist jedenfalls eher zu klein als zu gross. Wie viel von dieser 
Menge auf den Brodverbrauch kommt, lässt sich nur sehr unvoll 
kommen schätzen, hat aber auch für die uns beschäftigenden 
Fragen weniger Interesse. Es wäre zunächst der Bedarf für die 
Aussaat in Abzug zu bringen. In der Reichsstatistik wird derselbe 
nach den Angaben von Sette gast durchschnittlich für Roggen und 
Winterweizen- zu 170 Kilo und für Sommerweizen zu 184 Kilo auf 
den Hektar angenommen. Manche Sachverständige sind mit Rück 
sicht auf die zunehmende Verbreitung der Säemaschine auch in 
den kleineren landwirthschaftlichen Betrieben geneigt, diesen Bedarf 
niedriger anzuschlagen, wie denn auch in den reichsstatistischen 
Veröffentlichungen bis 1885 kleinere Zahlen angesetzt waren. Wir 
wollen hier die Aussaat für Roggen, Weizen und Spelz zu rund 
1300 Mill. Kilo oder zu ungefähr 28 Kilo auf den Kopf der Be 
völkerung von 1886 annehmen. Nicht unbedeutend ist auch der 
jährliche Verbrauch von Getreide für die Branntweinbrennerei. In 
den Etatsjahren 1883/84 bis 1886/87 wurden in der Branntweinsteuer 
gemeinschaft durchschnittlich 358 Mill. Kilo Getreide zu Brennerei 
zwecken verwendet, und wenn wir diese Menge, da die süddeutschen 
Staaten diese Art der Brennerei nur wenig betreiben, auf die ganze 
Zollvereinsbevölkerung vertheilen, so erhalten wir von dieser Seite 
einen Verbrauch von rund 8 Kilo anf den Kopf. Zur Bierbrauerei 
wird ausser Gerste auch etwas anderes Getreide, insbesondere 
Weizen, verwendet, indess betrug die Menge desselben in der 
Brausteuergemeinschaft in den Jahren 1873 bis 1886 durchschnittlich 
nur 14,8 Mill. Kilo, also auf den Kopf der Bevölkerung des Zoll 
vereins nur etwa */» Kilo. Von der gesammten Kopfverbrauchs 
menge wurde also, wenn wir von weniger wichtigen gewerblichen 
Verwendungen des Getreides und der Benutzung von Roggen als 
Viehfutter absehen, nur etwa 181 Kilo für die menschliche Ernäh-



•1

24 
stetig wieder bis 141,50 im December. Der Jahresdurchschnitt war 
in England 152,30, während er sich in Danzig auf 143,20, in Berlin 
auf 160,90, in Köln auf 173,70, in Mannheim auf 187,38 stellte. 
Der Abstand des Berliner Durchschnittspreises von dem eng 
lischen ist also gegen das Vorjahr von — 3,30 auf -f 8,60 Mark, 
also um 11,90 Mark gestiegen, während der Zoll um 20 Mark er 
höht wurde. Der englische Preis ging von Januar bis December 
urn 14,50 Mark, der Berliner (im Januar noch unter dem Einfluss des 
niedrigen Zolles) in derselben Zeit um 12,85 Mark, der Kölner um 
i Mark zurück und der Mannheimer um 1,80 Mark in die Höhe. 
An allen Plätzen hatte allerdings in den nächsten Monaten nach 
der Zollerhöhung eine Preissteigerung stattgefunden, aber schon im 
Juni war eine langsame Bewegung im umgekehrten Sinne gefolgt. 
Das starke Sinken des Berliner Preises wäre schwer erklärlich, 
wenn nicht gleichzeitig der Preis des unverzollten Weizens in Danzig 
um 18,69 Mark, also noch mehr als der englische Preis, gewichen 
wäre. Man darf aus dieser Thatsache wieder schliessen, dass jeden 
falls ein Theil der neuen Zollbelastung auf den russischen Weizen 
abgewälzt worden ist. Die Einfuhr aus Russland war überhaupt im 
Jahre 1885 nahezu so gross wie 1884, in welchem Jahre sie ein 
Maximum erreichte. Ungewöhnliche Vorräthe waren im November 
und December 1884 und im Januar und Februar 1885 an gehäuft 
worden, und als sich nun im August ergab, dass die deutsche 
Weizenernte besser als jemals seit 1878 ausgefallen war, genügte 
die innere Concurrenz allein schon, um den Preis herabzudrücken. 
Dass aber gleichwohl der Zoll im westlichen Deutschland nicht 
wirkungslos blieb, beweisen die obigen Zahlen, nach denen der 
Preis in Mannheim und Köln im December von dem des Januars 
nur wenig verschieden waren, während mittlerweile in England eine 
weitere Verbilligung um 14,40 Mark stattgefunden hatte. 
Das Jahr 1886 war insofern ein normales, als keine ausser- 
gewöhnliche Einfuhr wegen vorausgesehenen Zollmassregeln statt 
fand. Die Weizenernte war zwar nicht in allen Gebieten Deutsch 
lands gleichmässig befriedigend, der Gesammtbetrag im Reiche aber 
ging noch über den von 1878 hinaus. Die Preise und Einfuhr 
verhältnisse stellten sich wie folgt:

28 
‘Quater (ungefähr 78,6 Kilo auf das Hektoliter). Nach diesem Ver 
hältnisse umgerechnet kostete z. B. im August der englische weisse 
Weizen in London 178,90 Mark und der gelbe («rothe») 171,10 Mark 
die Tonne von 1000 Kilo. Schon Ende September aber war der 
erstere auf 152 —165 Mark und der letztere auf 147—156 zurück 
gewichen und im December Ständen die Preise noch etwas schlechter. 
Die ausländischen Weizensorten jedoch zeigten auffallender Weise 
die entgegengesetzte Preisbewegung. Amerikanischer «Red Winter» 
z. B. stand im August auf 168 Mark, im October auf 179 Mark und 
im November auf 187—192 Mark. Eine ähnliche Preissteigerung 
findet sich in den letzten Monaten des Jahres in London auch bei 
dem australischen Weizen (der oft noch etwas theuerer ist als der 
amerikanische), weniger bei den indischen und südrussischen Sorten, 
deren Durchschnittspreise meistens nicht von denen der oben er 
wähnten englischen Marken abweichen. 
VII. 
Die Marktverhältnisse des Roggens sind wesentlich von den 
jenigen des Weizens verschieden, und daher gestaltet sich auch der 
Einfluss des Zolles auf die Preisbildung bei der ersten Getreideart 
ganz anders als bei der letzteren. Allerdings stammt der grösste 
Theil des nach Deutschland eingeführten Weizens aus Russland, wie 
das auch hinsichtlich des Roggens gilt. Der amerikanische und 
indische Weizen kommt nur in verhältnissmässig kleinen Mengen 
auf den deutschen Markt, aber er wirkt entscheidend auf den eng 
lischen Weltmarktpreis ein, von dem auch der deutsche Preis ab 
hängt, und zugleich staut er den russischen Weizen theilweise zurück, 
der dann in Deutschland Absatz suchen muss. Für Roggen dagegen 
ist Deutschland das einzige grosse Einfuhrgebiet und Russland das 
einzige bedeutende Ausfuhrland. Was Oesterreich-Ungarn, Frank 
reich, Amerika an Roggen ausführen, ist von sehr mässigem oder 
geringem Belange, und die in der Statistik verzeichnete Einfuhr aus 
den Niederlanden und aus den Zollanschlüssen nach Deutschland 
wird grösstentheils ebenfalls ursprünglich aus Russland herrühren. 
So stellt also Deutschland den Weltmarkt für Ausfuhr-Roggen dar; 
allerdings nur in einem bescheidenen Masse, wenn man die ent-