15 verlangen und sich dabei gleichfalls auf die versprochene Gerechtig keit berufen. Also auch im Zukunftsstaate wird die Regierung, mag fie nun die abgestufte oder die gleiche Vertheilung des Arbeitsoertrags wählen, nicht im Stande sein, alle Arbeiterkreise zufrieden zu stellen, es sei denn, daß es ihr gelänge, sämmtliche Zukunftsstaatsbürger dahin zu bringen, daß der Gemcinsinn alle ihre Handlungen be herrsche, daß Jeder zu Gunsten des Gemeinwohles auf jedes Sonderinteresse verzichte, mit anderen Worten: daß er die höchste moralische Vollkommenheit erreiche. Hat aber nicht gerade die socialdemokratische Presse durch Erregung der schlimmsten Leiden schaften: des Neides, des Hasses und der Habgier in den Herzen der Arbeiterklassen, der sog. Enterbten, die Wurzeln des Gcmein- sinns gänzlich durchschnitten? 2. Der Ehrtrieb. Ein zweiter sehr mächtiger Trieb im Menschen ist der nach Ehre, d. h. nach der guten Meinung seiner Mitmenschen. Der selbe ist schon bei Kindern als Zeichen des beginnenden Verstandes wahrzunehmen und bildet bei den Erwachsenen mehr oder weniger die Richtschnur ihres Lebens. Ist das Ehrgefühl in einem Menschen wenig entwickelt oder durch schlechte Neigungen erstickt, so charakterisirt er sich als ein verächtlicher Lump. Das lebendige Ehrgefühl kann sich nach verschiedenen Richtungen hin entfalten; bei beschränkten Naturen führt es zur Eitelkeit und zum Hochmuth; bei weltklugen Leuten zum Ehrgeiz und zur Herrschaft und nur bei wenigen ist dasselbe darauf gerichtet, sich bei ihren Mitmenschen Achtung, Liebe und Vertrauen zu erwerben. Da die Mehrzahl der Menschen sich in der Allgemeinheit be deutungslos fühlt, so sucht der Einzelne mit Andern gemeinsam die Anerkennung, welche er für sich allein nicht beanspruchen kann, in der Standesehre. Er schließt sich daher den Gleichgestellten an und bildet mit ihnen einen Stand. Jeder Stand beansprucht seine