«4 o 4 N d 5 ft a sc A b, <2 a! §- zu ot B tic bi V tri fa öfl nil 18 bie on Pfl ma 5. : lau 668 gelc Ver die letzt fäßl 1870, betr. das Urheberrecht an Schriftwerken u. s. w. in Bezug genommen. Aber biefe Analogie ist nicht glücklich ge wählt, da der in jenem Gesetze behandelte Gegenstand einer seits dem Handelsrechte, anderseits schon dem alten Bundes rechte und seiner Gesetzgebung angehörte, also der in § 13 des Gesetzes vom 12. Juni 1869 bestimmten Competen; ganz na türlich und ebenbürtig sich anschloß. Zur Motivirung des § 10 ist dann ferner hervorgehoben, daß der aus dem Handelsgesetzbuche in das Hastpflichtgesetz übernommene Ausdruck: „höhere Gewalt" wegen seiner rechts- begrisflichen Unbestimmtheit zur einheitlichen und gleichmäßigen Auslegung und Entscheidung in höchster Instanz am zweck mäßigsten dem Oberhandelsgerichte sich zuweise. Aber man übersieht auch hierbei, daß Eisenbahnen, Bergbau-, Hütten- und Fabrik-Betrieb ganz eigenthümliche thatsächliche Erschei nungen und rechtliche Verhältnisse für den Begriff „höhere Ge walt" realisiren und bieten, und eben dieser Eigenthümlichkeit wegen, — zumal die Reichsgesetzgebung über Eisenbahn-, Berg-, Hütten- und Salinenwesen sowie über die in § 4 des Haft pflichtgesetzes bezeichneten Kassen und Anstalten noch fehlt, — neben der Auslegung, wie sie das Handelsrecht mit sich bringt, leicht falsch beurtheilt werden können. Dies Moment fällt um so mehr in's Gewicht, da das Haftpflichtgesetz in § 9 die Particulargesetzgebung der einzelnen Bundesstaaten in sehr be deutsamen Partieen aufrecht erhält und in Anwendung gebracht wissen will. Schon aus diesen Gründen können wir den § 10 des Haftpflichtgesctzes nicht als einen glücklichen Griff des Gesetz gebers erachten, —wenigstens für die Gegenwart. Hätten wir erst einmal ein einheitliches materielles und formelles Civilrecht für ganz Deutschland, das ganze Reich, — dann würden auch wir den § 10 ebenso logisch als praktisch finden. 2. Der Ausdruck „bürgerliche Rechtsstreitigkeiten" ist gewählt worden, weil dadurch ausgeschlossen werden sollen Schadensersatz-Ansprüche, die im Wege des Adhäsionsver fahrens gleichzeitig mit dem Criminalverfahren*) geltend gemacht werden. Auf diese Sachen erleidet die Competenz des Ober handelsgerichts keine Anwendung. 3. Im Uebrigen sind dem Oberhandelsgericht alle Rechts- streitigkeitcn, und zwar in der Form der Klage und Wider klage, zugewiesen, welche ans Grund des Haftpflichtgesctzes zur Entscheidung kommen. Besonders zu beachten ist in dieser Beziehung, daß auch die nach § 9 des Gesetzes zu behandeln den Ansprüche, welche sich auf Landesgesetze gründen, vor das Oberhandelsgericht gehören. Die hiermit constituirte Com petenz des Oberhandelsgerichts überschreitet die Zumuthnngen, welche einem so jungen Gerichtshöfe hätten gemacht werden sollen. Mit der bloßen Zuweisung von Sachen ist dem Ge richtshöfe noch nicht das Vertrauen des Publikums zu seiner Rechtskenntniß und Rechtsübung gegeben. Wie die genügende Kenntniß der Particulargesetzgebung aller deutschen Staaten *) Stenogr. Ber. S. 626. — Welche Ansprüche hier gemeint sind, ist nicht klar. Denn das Criminalverfahren befaßt sich nach Emanation des Deutschen Strafgesetzbuchs mit Schadensersatz-Ansprüchen, welche bei Anwendung des Haftpflichtgesctzes in Rücksicht kommen, bei Körper verletzungen nicht mehr. Nur bei Tödtungen könnten dergleichen Ansprüche noch Vorkommen. wohl keinem der Gesetzgeber, denen § 10 zu danken ist, zuge- muthet werden kann, so hätte sie auch von diesen dem Ober handelsgerichte nicht zugemuthet werden sollen. Ohne diese Zu- muthung ist § 10 ein Gesetzgebungsexperiment, das dem recht nehmenden Publikum theuer zn stehen kommen kann. Hoffentlich wird das Oberhandelsgericht selbst den § 10 in dieser Be ziehung corrigiren auf Grund des § 21 seines Organisations gesetzes, wonach ihm die Erklärung seiner Unzuständigkeit freisteht. 4. Die Competenz des Oberhandelsgerichts kann sich nach dem Wortlaut des § 10 nur auf die Rechtsstreitigkeiten be ziehen, welche schon in erster Instanz auf Grund des Haft pflichtgesetzes anhängig gemacht sind. Das Gesetz ist in Kraft getreten für das deutsche Reich, mit Ausnahme von Württemberg und Baiern, am 28. Juni 1871, für die beiden genannten Staaten mit dem 1. Juli 1871. Ob und wie auch früher anhängig gemachte Rechtsstreitigkeiten vor das Handels gericht gehören, glauben wir den höchsten Gerichtshöfen der Einzelstaaten, unter Beachtung des § 21 des Gesetzes vom 12. Juni 1869, überlassen zu müssen.*) Es ist diese Entscheidung nach Landesrecht um so wünschenswerther, da auch dieWider- klage an das Oberhandelsgericht gewiesen ist. 5. Unter den „Ergänzungen" des Gesetzes vom 12. Juni 1869 sind vorläufig nur die das Gesetz betreffenden Disposi tionen zu verstehen, welche in den Reichs-Verfassungs-Gesetzen und den mit den süddeutschen Staaten abgeschlossenen Bundes verträgen enthalten sind. Der Wortlaut des § 10 sowie die legislatorischen Quellen lassen übrigens die Annahme zu, daß zu den „Ergänzungen" auch die künftigen, das Gesetz vom 12. Juni 1869 weiter ausbildenden oder ausdehnenden Gesetz erlasse gehören. — Richtig verstanden, ausgelegt und angewandt kann das Haftpflichtgesetz vom 7. Juni 1871 nicht nur einen Fortschritt deutscher Gesetzgebung bezeichnen, sondern auch social-politische und volkswirthschaftliche Erfolge erzielen, wie sie bei den Reichstagsverhandlungen mehrfach als zur Tendenz des Gesetzes gehörig angedeutet und anerkannt worden sind. Hiernach ein Stück der Socialgesetzgebung, welche die Stellung und Lage der Arbeiterklassen gegenüber dem Arbeitgeber und Unternehmer regeln, d. i. bessern will, kann das Haftpflichtgesetz in seiner ganzen Fassung nicht verleugnen, daß es ein Gebiet betreten, auf dem durch Gesetzgebung wenig zu bessern ist ohne die thä tige Selbsthilfe Derjenigen, denen es die Gunst und Theil nahme des Gesetzgebers beweisen soll. Dieser Aufruf der Selbsthilfe bildet denn auch den Kern des Gesetzes. Er liegt im § 4, dessen zweckmäßige Ausführung und Ausnutzung alle Haftpflicht-Streitigkeiten nnd damit das Hastpflichtgesetz selbst überflüssig machen kann. — Die bis jetzt vorliegenden Versuche hierzu lassen allerdings noch wenig, aber immer doch hoffen, daß besagter Kern des Gesetzes den Boden finden werde, aus dem seine volle Frucht barkeit zu Tage treten kann. — * ! Anderer Ansicht ist Dr. Endemann in seinem Commentar des HaftpflichtgesetzeS Ş. 86. Hiernach sollen „auch viele vor Publication dieses Gesetzes anhängig gewordene, noch schwebende Rcchtsstreitigkeiten" vor das Oberhandelsgericht gehören. — Wir können uns dieser Ansicht nach den legislatorischen Quellen des Hastpflichtgesetzes sowie des Gesetzes vom 12. Juni 1869 nicht anschließen. höre solch gesei li genstand der Übertragung im Wege des richterlichen oder admini strativen Executiousv ersah rens (Zwangsvollstreckung.) — § 4. War der Getödtete oder Verletzte unter Mitleistung von Prämien oder anderen Beiträgen durch den Betriebsunter nehmer bei einer Versicherungsanstalt, Knappschafts-, Unter- stützungs-, Kranken- oder ähnlichen Kasse gegen den Unfall versichert, so ist die Leistung der Letzteren an den Ersatz berechtigten auf die Entschädigung einzurechnen, wenn die Mitleistung des Betriebsunternehmers nicht unter einem Drittel der Gesammtleistung beträgt. 1. Schon in ten „Mot." fand sich folgender Paffuö zur Erläuterung des § 5 des RegierungS - Entwurfs : „Als selbstverständlich darf vorausgesetzt werde«, daß der Richter bei Abschätzung des Schadens auch darauf werde Rücksicht zu nehmen haben, ob etwa dem Verletzten oder den Hinterbliebenen des Getödteten, insbesondere ans Grund von Leistungen deö Ersatzpflichtigen, Pensions- oder sonstige Entschädigungs-Ansprüche zur Seite stehen. Nur die Schad lo 6 Haltung, nicht die Bereicherung des Beschädigten kann das Gesetz im Auge haben." Hiermit war die Idee, die Haftpflicht-Leistung durch Anstalten vorsorglicher Versicherung erleichtern, ja vollständig ersetzen zu lassen, vom Gesetzgeber selbst angeregt und gebilligt, und hat im vorst. § 4 des Gesetzes einen Ausdruck gefunden, der vollständig genügt, um die Tendenz des Gesetzgebers zu verwirklichen. Freilich wäre es vielleicht praktischer gewesen, den Weg der „Hilfskasten" oder der Unfall-Versicherung, ohne die Umschweife des Haftpflichtgesetzes, sofort offen einzu schlagen und zwar durch zeitgemäße und zweckentsprechende Reform der bereits bestehenden Institute, als da sind: Eisen bahn-Arbeiter- und Beamten-Unterstützungs- und Pensions-. Kasten, Knappschafts-Vereine, gewerbliche Unterstützungskassen ii. s. w. Hiermit wäre der deutschen Gesetzgebung das ihr keineswegs besondere Ehre machende Hastpstichtgesetz erspart worden. — Wie wenig dasselbe im Stande ist, den Tendenzen des Gesetzgebers zu genügen, beweisen auch die „Resolutionen", welche der Reichstag gewistermaßen zur Ergänzung und Ver vollständigung seiner legislatorischen Schöpfung angenommen hat. Dieselben lauten: 1. Antrag Lasker: „Der Reichstag wolle beschließen, den Reichskanzler aufzufordern, jedenfalls in der nächsten Session, unter Mittheilung des bis dahin zu beschaffenden statistischen Materials, den Entwurf eines Gesetzes vorzulegen, welches Normativ-Bedingungen für die Errichtung von Kranken-, Hilfs- und Sterbekassen für Gesellen, Gehilfen und Fabrikarbeiter anordnet." ll. Antrag Dr. Hammmacher - v. Bernuth: „Der Reichstag wolle beschließen, an den Bundeskanzler die Auffor derung zu richten, Erhebungen zu veranstalten, welche die Grundlagen für die Gestaltung gegenseitiger Versicherung der gewerblichen und landwirthschaftlichen Beamten und Arbeiter gegen die wirthschaftlichen Folgen der Körperver letzung und T öd tun g in ihrem Berufe sowie für die Bil dung von allgem. Alterversorgungs- und Jnvaliden- Kasten umfassen." Mit diesen Resolutionen ist der Bedeutung des § 4 für die ganze Erledigung des Haftpfiichtgesetzes und seiner Ten denzen die entschiedenste Anerkennung gegeben, d. h. der Ver sicherung auf Grundlage des Gegenseitigkeitö-Princips die Haftpflicht-Leistung bei Unfällen des Betriebes der Landwirth schaft, der Industrie und des Verkehrs übertragen. 2. Was zunächst die Eisenbahnen anbetrifft, so haben dieselben in Deutschland und Oesterreich bereits der oben an gedeuteten Tendenz, die Ausführung des Haftpflichtgesetzes im Wege der gegenseitigen Versicherung zu bewirken, Rechnung getragen durch zweckmäßige Maßnahmen. Wir entnehmen hierüber dem amtlichen Organe des „Vereins deutscher Eisen bahn-Verwaltungen":*) Unter den Gegenständen, welche der Verein der Privat- eisenbahnen im Deutschen Reiche in seinen Bereich gezogen hat, finden sich auch Maßnahmen zur Abschwächung der den Eisen bahnverwaltungen durch das Gesetz vom 7. Juni 1871 (Haft- pstichtgesetz) drohenden Nachtheile resp. Ersatzverpflichtungen bei Verunglückungen und Beschädigungen von Menschen durch den Bahnbetrieb. Man hat eine solche Abschwächung der Folgen des Ge setzes darin zu erblicken geglaubt, daß bei Eisenbahn-Unfällen der gedachten Art die Gesammtheit der Vereinsmitglieder (oder doch der dieser Vereinbarung Beitretenden) für die einzelne Verwaltung eintritt und die Tragung der Entschädigungsan sprüche gemeinsam übernimmt. Jedoch soll diese gemeinsame Uebernahme der Entschädigungspflicht nur unter folgenden Modificationen erfolgen: Zunächst soll sich diese gegenseitige Versicherung nur auf Unfälle beziehen, welche Paffagieren oder anderen nicht in der Ausübung des Eisenbahnbetriebödienstes begriffe nen Personen zugestoßen sind und auch auf diese nur insoweit, als die zu zahlende Entschädigung im Ganzen einen Betrag von 5000 Thlr. in Capital übersteigt, wobei Renten von unbestimmter Dauer zum 12 V, fachen Betrage capitalisirt an gerechnet werden. Entschädigungen, die diesen Minimalsatz nicht übersteigen, und von höheren Entschädigungen der Be trag von 5000 Thalern sind von derjenigen Verwaltung allein zu tragen, welche dem Gesetze nach für den Schaden aufzu kommen hat. Die Repartition der über 5000 Thlr. hinausgehenden Entschädigungen erfolgt in der Weise, daß vorweg mit 5 Proc. die zunächst dem Gesetze gegenüber vertretungspflichtige Eisen bahn belastet wird, während die Vertheilung der übrigen 95 Proc. auf sämmtliche Mitglieder in folgender Weise geschieht: Die einzelnen Entschädigungen werden am Schluffe des Jahres zusammengestellt und zur Hälfte nach der Zahl der ge- sammten Wagen -Achsmeilen, zur Hälfte nach der Gesammt- zahl der Personenmeilen repartirt. Bei Letzteren wird jedoch die Personenmeile der IV. Classe 1 fach, die Personenmeile der HL Classe, insofern eine IV. Classe überhaupt auf der betreffenden Bahn nicht existirt, 2fach, die Personenmeile der HL Classe beim VorMndensein einer IV. Classe 3fach, die Personenmeile der 11. Classe 6fach, die Personenmeile der 1. Classe lOfach gerechnet. Die nach dem Gesetze vertretungspflichtige Eisenbahn regelt die Ersatzansprüche im eigenen Namen und hat hierbei volle Befugniß, sowohl die Berechtigung eines Entschädigungs anspruches überhaupt anzuerkennen, als auch die Höhe der Entschädigung und die Form, in der sie gewährt werden soll, also namentlich ob in Capital oder Rente, zu vereinbaren oder aber den Rechtsweg zu betreten. Regreßansprüche gegen solche Personen, welche für einen zunächst von der Eisenbahn zu vertretenden Unfall haftbar sind (gegen Eisenbahn - Officianten, wie gegen dritte Personen), werden von der regulirenden Verwaltung nach ihrem Ermeffen und in ihrem Namen verfolgt. Die hierbei erlangte Summe wird nach demselben Maaßstab vertheilt, wie die Entschädigung, *) „Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen" 1871. Nr. 49 S. 1035 f. 19 nent Rechte doch zulässig, je nachdem die Forderungen fortbe stehen oder schwinden, für welche die Caution haftet.") 7. Bei allen Nachforderungen, welche in Al. 2 und 3 des § 7 statnirt sind, ist wohl zu beachten, daß ihre Begrün dung und Rechtfertigung stets davon ausgehen muß, daß die Verbesserung oder Verschlimmerung der Verhältnisse des Ren tenempfängers trotz oder in Folge der Verletzung erfolgt ist. Der unmittelbare Zusammenhang der Thatsachen, welche für die Rachsorderungen geltend gemacht werden, mit der Ent stehungs-Ursache der Rentenpflicht oder Rentenberechtigung ist stets klar zu halten und zu stellen, besonders durch Nachweis der Verschuldung. Sobald z. B. in Folge nachweisbarer eigener Verschuldung der Zustand der Bedürftigkeit der Ren ten- oder Alimenten-Empfänger sich verschlimmert hätte, so ist natürlich die Forderung nachträglicher Erhöhung oder Wieder gewährung der Reute ungerechtfertigt und zurückzuweisen.**) Die hier einmal dem Gesetze einverleibte Casuistik wird den Nachforderungen mehr Praktische Bedeutung geben, als dem Gesetzgeber wohl selbst vorgeschwebt haben und zum Bewußt sein gekommen sein mag. Denn da es sich in den beiden Aliuea's um Reu ten-Entschädigung handelt, so gehören oazu auch die Wittwen und Waisen und andern gesetzlich ali- menteuberechtigten Personen zu gewährenden Unterhalts- Forderungen. Dem Haftpflichtigen kommt z. B. die Wieder- verheirathung der Wittwen, die anderweitige Versorgung der Waisen rc. zu Gute, aber ebenso muß er sich erhöhte Nachfor derungen derselben Personen gefallen lassen, wenn sie uachwei- fen, daß ihre Alimenteuberechtigung gar nicht oder nicht voll ständig durch Reuteubewilliguug ausgeglichen und erledigt sei. Allerdings sagt der dem Rentenberechtigten Nachforderungen gewährende Satz ausdrücklich nur: „Der V erletzte" ; aber wie aus den Verhandlungen des Reichstages hervorgeht, sind mit dieser Bezeichnung auch die Successoren und Alimentenberech- tigten des Verletzten, d. i. des durch den Unfall persönlich Beschädigten, nicht ausgeschlossen.***) 8. Durch Vergleich geordnete Rentenbezüge fallen nicht unter § 7, unterliegen deshalb den Nachforderungen weder des Haftpflichtigen noch des Rentenberechtigten. Doch gelten natür lich die positiven Laudesgesetze über Anfechtbarkeit von Verglei chen. P) Diese Bestimmungen sind besonders zu beachten zur Auslegung der §§ 4 und 5 des Haftpflichtgesetzes. Die Zah lungen aus den in § 4 bezeichneten Kassen können als Ver gleichsobjecte auch mit Bezug auf die Haftpflicht angesehen _. r ) Po>üive Vorschriften bezüglich Bedürfnisses, Art und Höhe der Slcherhertsbesteltung (Caution) vergl. z. B.: „Commentar te. zur Conkurs-Ordnung vom 8. Mai 1855 rc. von Goltdammer, Kgl. Db(r.%rib..:«atb". (SBedm 1858) @. 48 536 R. **) Mit Bezug auf diesen ursächlichen Zusammenhang äußerte der Bundes-Regierungs-Vertreter im Reichstage: „Um solchen Zweifeln von vornherein entgegenzutreten, möchte ich aussprechen, in welchem Sinne ich dre «Lchlußworte (Alin. 2 § 7) auffasse. Ich glaube, sie können keinen anderen Sinn haben, als daß nur dann eine Erhöhung oder Wiederge- wahrung der Rente verlangt werden kann, wenn die Verhältniffe des Rentenberechtigten sich in Nachwirkung seiner Beschädigung ver- ichlunmert haben: ich glaube, daß der Herr Antragsteller, mit dem ich gestern darüber gesprochen, ganz denselben Sinn mit den Worten ver bunden hat, und wenn das hohe Haus mit mir einverstanden sein sollte, so würde das wohl für die Zukunft einen Factor der richtigen Auslegung fur den Richter abgeben". — Stenogr. Ber. S. 619. *-*) Der Abg. Dr. Schwarze, eine berühmte Autorität der Rechts wissenschaft, deducirte, daß der Richterspruch durch Festsetzung einer Rente nur rin Provisorium jei, und wies darauf bin, daß die Wittwen der Be- chadlgten sich wieder verheirathm und dadurch den Haftpflichtigen von der Rentenzahlung an sie befreien könnten u. s. w. — Stenogr. Ber. S. 618. » s %Ņeml. für Preußen: §§ 412, 413, 414, 415, 417 ff. Allgem. ?â?àcht Th. I. Tit. 16. — Zur Abschließung von Vergleichen über künftige Aumente chime zur Einwilligung bei Lebensversicherungen ist die gerichtliche gönn n# 9. n. ^ 1345 (#.(Sammt. @. 495. und geltend gemacht werden. Danach wären sie auch gegen # 7 und seine Nachfordernngen gesichert. 9. Der § 7 läßt eine Bestimmung über den Gerichts stand vermissen, in welchem die Nachfordernngen geltend zu machen. Ueberhaupt ist die Frage des Gerichtsstandes für Haftpflichtprocesse im vorliegenden Gesetze nicht entschieden. Doch kam dieselbe im Reichstage zur Sprache, wobei der Vertreter der Bundes - Regierungen, nach Anführung von Gründen, es für besser hielt, diese Materie der künftigen Proceßordnung zu überlassen.*) — §. 8. Die Forderungen auf Schadenersatz (§§ 1 bis 3) verjähren in zwei Jahren vom Tage des Unfalles an. Gegen Denjenigen, welchem der Getödtete Unterhalt zu gewähren hatte (§ 3 Nr. 1), beginnt die Verjährung mit dem Todes tage. Die Verjährung läuft auch gegen Minderjährige und diesen gleichgestellte Personen von denselben Zeitpunkten an, mit Ausschluss der Wiedereinsetzung. 1. Der Regierungs - Entwurf § 6 hatte die Frist der Verjährung für die Schadensersatz-Forderungen allgemein auf ein Jahr, von der Entstehung der Forderung ab gerechnet, be stimmt und der Alimentenansprüche gar nicht gedacht, mit der kurzen Motivirung: „Bei Unfällen der in Rede stehenden Art entzieht der thatsächliche Vorgang sich in der Regel nach Ver lauf einiger Zeit jeder sicheren Prüfung und Feststellung. — Hieraus ergiebt sich das Bedürfniß zur Festsetzung einer kurzen Verfährungsfrist. Als Anfang dieser Frist ist in Uebereinstim mung mit den Grundsätzen des gemeine» Rechts die Entstehung der Forderung angenommen." — Mot. — 2. Im Reichstage machten sich viele und meist begründete Bedenken gegen diese Bestimmnng des Regierungs-Entwurfs geltend, namentlich bezüglich der Nichtunterscheidung der For derungen des Verletzten in Person und derjenigen seiner ali- mentenberechtigten Angehörigen, bezüglich der Kürze der Ver jährungsfrist, bezüglich des völlig unbestimmten Termins des Fristbegiunes. Schließlich siegte die obige Fassung des Gesetzes, und zwar, soviel aus den bezüglichen Debatten zu entnehmen, *) Der Abg. Dr. Banks beantragte, dem Gesetze einen § einzu schalten folgenden Wortlauts: „Für die Aburtheilung der auf dieses Gesetz sich gründenden Scha dens-Ansprüche ist neben den Gerichten, welche nach den jedesmaligen Landesgesetzen zuständig sind, immer auch das Gericht des Ortes, an welchem der Unfall stattgefunden hat, zuständig". — Drucks. Nr. 81. II. Der Reichstag hat jedoch diesen Antrag abgelehnt, — Sten. Ber. S. 507, — hauptsächlich wohl mit Rücksicht auf die Ausführungen des Bundes-Regier.-Vertreters. Derselbe sagte: Meine Herren, ich bitte Sie, den Antrag abzulehnen, und zwar zunächst auö dem principiellen Gesichts punkt, der heute wiederholt geltend gemacht worden ist, daß man es nicht für wünschenswerth halten könne, processualische Bestimmungen in das Gesetz hineinzutragen, die nicht nothwendig sind. Wenn ich mir aber die Frage der Nothwendigkeit gegenüber diesem Antrage vorlege, so glaube ich dieselbe verneinen zu können. Auch diejenigen Landesgcchtze, die keinen besondern Gerichtsstand wegen Forderungen aus unerlaubten Hand lungen oder wegen Entschädigungöforderungen haben, enthalten Bestim mungen, welche für die meisten in Betracht kommenden Fälle dahin führen, denjenigen Gerichtsstand zu erlangen, den man hier gerade wünscht. Ich erinnere zunächst an die Bergwerke; bei diesen wird der Gerichtsstand des Ortes des Unfalls mit dem persönlichen Gerichtsstände zusammenfallen. Daffelbe gilt für Unfälle in Fabriken; denn entweder werden die Fabriken aufgefaßt werden als Etablissements, die einen besondern persönlichen Ge richtsstand begründen, oder aber es wird überhaupt der persönliche Ge richtsstand des Fabrikbesitzers am Orte der Fabrik sein. Es kommen also nur die Eisenbahnen in Betracht. Für den Reisenden auf den Eisen bahnen wird es durchschnittlich gleichgiltig sein, an welcher Stelle er klagt. Man mag sich auch vorstellen, daß vor Erhebung der Klage mit der Direction der betreffenden Eisenbahn verhandelt wird. Wenn nun schon diese Verhandlungen nach dem Sitze der Direction erfolgen, wo sie auch ihren persönlichen Gerichtsstand hat, so scheint es mir keine Erschwerung zu enthalten, wenn später Klagen gegen sie ebenfalls dorthin erhoben werden". — Sten. Ber. S. 506. 6 gefolgt sind, erhoben werden, gehören nach Wahl des Klägers vor das Handelsgericht, in dessen Sprengel die geklagte Unter nehmung ihren Sitz hat oder in welchem das Ereigniß einge treten ist. Ueber dieselben ist summarisch zu verfahren und es können mehrere Kläger Erbansprüche, welche in demselben Er eigniß ihren Grund haben, iu derselben Klagschrift geltend machen. § 4. Dieses Gesetz tritt mit dem Tage seiner Kund machung in Wirksamkeit". — Dies Gesetz ist offenbar milder, als das deutsche Reichö- gesetz, schon iu seinem § 1 durch die Beschränkung aufLoco- motivbahnen, in § 2 durch die Befreiung von dem Ver schulden dritter Personen. Diese letztere Befreiung ist in das deutsche Gesetz nicht aufgenommen, immerhin steht aber dem erkennenden Richter frei, unter „höherer Gewalt" auch das Verschulden dritter Personen zu verstehen, sind letztere nur nicht Angestellte oder Vertreter des Betriebs-Unternehmers.*) 8 2. Wer ein Bergwerk, einen Steinbruch, eine Gräberei (Grube) oder eine Fabrik betreibt, haftet, wenn ein Bevoll mächtigter oder ein Repräsentant oder eine zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommene Person durch ein Verschulden in Ausführung der Dienstver richtungen den Tod oder die Körperverletzung eines Menschen herbeigeführt hat, für den dadurch entstandenen Schaden. 1. Auch dieser § 2 ist dem Regierungs - Entwürfe wörtlich entnommen und im Ganzen deshalb den „Motiven" entspre chend, wie sie hier folgen. „Die Unglücksfälle im Bergbau sind, soweit eine Ver schuldung dabei in Betracht kommen kann, meistens durch Explosionen (schlagende Wetter), Bruch oder Zllsammenstnrz des Grnbengebäudes, Wafferdurchbrüche, Sprengarbeiten und Maschinen verursacht worden. Im Hinblick hierauf muß sich zunächst die Frage aufdrängen, ob es zuläßig ist, den für die Haftungspflicht der Unternehmer von Eisenbahnen aufgestellten Grundsatz in gleichem Maaße ans den Bergbau anzuwenden. Diese Frage läßt sich nicht unbedingt bejahen, weil zugegeben werden muß, daß zwischen dem Betrieb der Eisenbahnen und dem des Bergbaus in der hier fraglichen Beziehung sehr we sentliche factische Verschiedenheiten bestehen." „Man wird nicht zu weit gehen, wenn man annimmt, daß bei dem dermaligen Stande der Technik und der großen Menge von Hilfsmitteln und Erfahrungen erliste Unfälle im Eisenbahnverkehr sich durch Sorgfalt im Betriebe in der Regel vermeiden lassen. Die Unfälle im Bergbau dagegen sind oft- rnals die Folge des Einwirkens von Elementen und Natur kräften, welche sich auch der sorgfältigsten Controle entziehen. Ferner hat im Bergbau die selbstständige Thätigkeit des Arbeiters einen viel größeren Antheil am Betriebe, als bei den Eisenbahnen, wo es vornehmlich darauf ankommen wird, daß die dienstlichen Reglements und Anweisungen von den Ange- stellten pünktlich befolgt werden. Beim Bergbau handelt es sich nicht um den Schutz des Publikums, sondern um den Schutz des Arbeiters gegen die Verschuldungen des Unternehmers sowie der Bergwerksgcnossen, und namentlich gegen die der eigenen *) Zur Literatur über die Haftpflicht der Eisenbahnen machen wir aufmerksam auf: H. A. Simon (übersetzt und bearbeitet von M. v. Weber). Die Haftpflicht der Eisenbahnen oder das Recht in Bezug auf Unfälle und Unregelmäßigkeiten beim Eisenbahnbetriebe in England. Weimar. 1868. Vergi, hierüber: Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahn-Verwaltungen. 3*#. 1868. @. 501. Lehmann. Körperverletzungen und Tödtungen auf deutschen Eisen bahnen. Erlangen. 1869. Mitarbeiter selbst. Die Verantwortlichkeit des Werksbcsitzers kann nicht füglich weiter ausgedehnt werden, als die Möglich keit seiner Controle bei der Auswahl des zu verwendenden Personals reicht, und diese wird bei der großen Zahl der im Bergbau beschäftigten Arbeiter über letztere kaum zu führen sein. Der Hauptgesichtspunkt aber, welcher einer strengeren Haftungspflicht der Werkbesitzer entgegentritt und in den Ab handlungen des Dr. H. Achenbach über diesen Gegenstand mit Recht betont wird, ist der, daß jeder Bergmann in die Arbeit mit dem vollen Bewußtsein der Gefahren eintritt, welche aus der Mitarbeit zahlreicher Genossen ihm erwachsen können. Er weiß, daß ein einziger Mitarbeiter durch unzeitiges Oeffnen der Sicherheitslampe, durch Unvorsichtigkeit bei den Spreng arbeiten oder bei der Anwendung der Maschinen u. s. w. die Verstümmelung oder den Tod vieler Gefährten herbeiführen kann. Für die daraus entspringenden Schäden kann der Werk- besitzer nach Billigkeit nicht in Anspruch genommen werden, seine Haftung wird sich auf das eigene Verschulden und das jenige seiner Techniker und Officiante» beschränken müssen. Die französische Praxis ist, trotz der weitgehenden Bestimmungen des Code, in diesem Punkte schwankend gewesen, in England dagegen haben Theorie und Praxis die Haftbarkeit des Werk besitzers für die einem Arbeiter durch die Schuld eines Mit arbeiters verursachten Schäden entschieden verneint. An diese Auffassung von der Verantwortlichkeit des Wertbesitzers wird sich die weitere Folgerung anknüpfen, daß im Schadensfälle nicht, wie bei den Eisenbahnen, eine Verschuldung des Unter nehmers ohne Weiteres präsumirt werden kann, der Beweis der Verschuldung vielmehr von Demjenigen zu erbringen ist, der sich auf dieselbe als den Grund seines Anspruches beruft." Unter Hinweisung aus die wachsende Zahl von Uuglücks- fällen auch im Fabrikbetriebe, auf die Ausdehnung der An wendung der Dampfkraft, bestreiten die „Mot.", daß „schon der Arbeitslohn eine Prämie für die Uebernahme der Gefahren enthalte. Da der Arbeiter in Fabriken bezüglich der Sicherheit seiner Person den Einrichtungen und Vorkehrungen des Unter nehmers vertrauen und demselben oftmals willenlos sich über lassen muß, so wird die Forderung nicht abzuweisen sein, daß auch hier der Größe der Gefahr die Verantwortlichkeit des Unternehmers entsprechen müsse. Eine Ersatzpflicht des letzteren wird jedenfalls dann anzunehmen sein, wenn die für den Fabrikbetrieb erlassenen polizeilichen Vorschriften nicht eingehal ten wurden und die vorgekommene Körperverletzung damit in kausalem Zusammenhange stehen konnte. Dagegen wird die Verschärfung der Haftbarkeit des Unternehmers nur so weit reichen dürfen, daß er die Verschuldung seiner Angestellten zu vertreten hat, nicht aber wird er für die widerrechtlichen Hand lungen seiner Lohnarbeiter verantwortlich zu machen sein. Die Gründe, welche diese Beschränkung beim Bergbau rechtfertigen, treffen mehrentheils beim Fabrikbetriebe zu. Dem entsprechend, wird es hinsichtlich der Bewcislast im Wesentlichen bei den Regeln des gemeinen Rechts zu bewenden haben." — 2. Auf den § 2 näher eingehend, dehnen die „Mot." die Haftpflicht sowohl auf die „verliehenen" als die kraft des Grundeigenthums besessenen Bergwerke aus, wie solche nach dem sächsischen Berggesetze vom 16. Juni 1868 im Kgr. Sachsen und nach dem preuß. Gesetze vom 22. Februar 1869 in den vormals kursächsischen Landestheilen der Provinzen Sachsen, Brandenburg und Schlesien bestehen. Das Wort „Bergwerk" bezeichne hiernach „die Anwendbarkeit der Grund sätze des Gesetzes ans alle Bergwerke ohne Ausnahme." Nach dieser Ausdehnung sind jedenfalls auch die nach § 211 des Allg. Berggesetzes vom 24. Juni 1865 von dessen Bestimmungen ausgenommeneu Eisenerze des Herzogthums 2 Ae seh. betreffend die Verbindlichkeit zum 8chadenersatz für die bei dem betriebe von Eisenbahnen, Nergwerben re. herbeigeführten Tödtungen und Körperverletzungen. Vom 7. Juni 1871. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preussen etc. verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichs tages, was folgt: § 1. Wenn bei dem Betriebe einer Eisenbahn ein Mensch getödtet oder körperlich verletzt wird, so haftet der Betriebs- Unternehmer für den dadurch entstandenen Schaden, sofern er nicht beweist, dass der Unfall durch höhere Gewalt oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten verursacht ist. 1. Das Gesetz stimmt hier wörtlich überein mit dem Ent würfe des Bundesraths, und findet seine authentische Erläu terung in den „Motiven", wie folgt: Bei Redaction dieses Paragraphen hätte es angemessen erscheinen können, die Fassung des 8 25 des Preußischen Eisen bahngesetzes vom 3. November 1838 nach Möglichkeit in das neue Gesetz , zu übernehmen, da einestheils die letztere gesetzliche Bestimmung bereits durch die Jurisprudenz eine feste Ausle gung erhalten hat, andererseits auch mehrere andere Bundes staaten jene Vorschrift bei sich eingeführt haben. Indeß schon aus rein sprachlichen Gesichtspunkten war es geboten, eine Fassung aufzugeben, welche den Anforderungen nicht mehr ge nügt, die in neuerer Zeit an gesetzgeberische Arbeiten gestellt zu werden pflegen. Bei der vorgeschlagenen Formulirung ist angenommen, daß sie keine irgend erhebliche Ausdehnung der Haftpflicht der Eisen bahnen über diejenigen Grenzen hinaus herbeiführt, welche bisher in dieser Beziehung die Preußische Rechtsprechung und namentlich das Königliche Ober-Tribunal festgestellt hat, indem keineswegs zu besorgen ist, daß bei der Anwendung des Aus drucks „Betrieb" die Haftpflicht aus § 1 auf Unfälle bei Bauten, bei dem Betriebe von Maschinen - Werkstätten und ähnlichen Anlagen übertragen werden könne. Der allgemeine Ansdruck Eisenbahnen soll auch die mit Pferden betriebenen Bahnen umfassen. Wenn letztere in Rück sicht auf die angewendete Triebkraft minder gefährlich erscheinen, als die mit Locomotiven befahrenen Bahnen, so sind sie doch, wie die Erfahrung vielfach gelehrt i)ot, in dem Betracht mit größeren Gefahren verbunden, daß sie die öffentlichen Straßen zu ihren Transporten benutzen. Daß die Pferdebahnen in der Regel von Actieugesellschaften erbaut und betrieben werden, dürfte ein Grund mehr sein, sie in dem hier fraglichen Punkte den Locomotivbahuen gleich zu behandeln. Die Worte „durch einen unabwendbaren äußern Zufall" in § 25 des Preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 sind mit dem Ausdrucke „durch höhere Gewalt" im An schlüsse an das Deutsche Handelsgesetzbuch (Art. 395) vertauscht, wogegen ¡bet Schlußsatz des § 25: „die gefährliche Natur der Unternehmung selbst ist als ein solcher von dem Schadenersatz befreiender Zufall nicht zu betrachten," als nunmehr entbehrlich weggelassen ist. 2. Die Bezugnahme dieser den § 1 authentisch erläutern den „Motive" auf den § 25 des preuß. Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 (Ges.-Samml. S. 510) ist für den mate riellen Inhalt des neuen Gesetzes weit maßgebender, als bis her in den kritischen Bearbeitungen desselben zum. Bewußtsein und Ausdruck gekommen ist. Daß § 1 „keine irgend er hebliche Ausdehnung" der Haftpflicht der Eisenbahnen über die durch die preußische Rechtsprechung, namentlich das Königliche Ober - Tribunal festgestellten Grenzen herbeiführen soll, giebt bei dem Umstande, daß das preußische Eisenbahn gesetz für die Gesetzgebung fast aller deutschen Staaten maß gebend, ja von letzter« grundsätzlich adoptirt ist, dem angezo genen § 25 und seiner judicatmäßigen Declaration den Character einer fast gesetzlich - declaratorischen Auslegungsquelle. Mit diesem Character werden auch viele der Unsicherheiten und Unklarheiten beseitigt, welche andere Commeutatoren*) des Haftpflichtgesetzes in § 1 gefunden haben. Deshalb dürfen wir den Wortlaut des § 25 eit. nebst seinen durch die Recht sprechung erhaltenen Erklärungen hier nicht übergehen. Es lautet § 25 des Eisenbahngesetzes vom 3. Novbr. 1838: „Die Gesellschaft ist zum Ersatz verpflichtet, für allen Schaden, welcher bei der Beförderung auf der Bahn, an den auf derselben beförderten Personen und Gütern, oder auch an anderen Personen und deren Sachen, entsteht und sie kann sich von dieser Verpflichtung nur durch den Beweis befreien, daß der Schade entweder durch die eigene Schuld des Beschädigten oder durch einen unabwendbaren äußeren Zufall bewirkt worden ist. Die gefährliche Natur der Unternehmung selbst ist als ein solcher von dem Schadensersatz befreiender Zufall nicht zu betrachten." Nehmen wir diese analoge Bestimmung nebst ihren rechts- giltigen Erklärungen zum Wegweiser bei der Auslegung und Anwendung des § 1 des Haftpflichtgesetzes, so werden viele Zweifel über den rechtlichen Inhalt des letztern schwinden. 3. Es fragt sich zunächst, welche Eisenbahnen von dem § 1 getroffen werden? Die Frage, ob außer Locomotivbahuen auch „Pferdebahnen" dem Gesetze unterliegen, ist durch die „Motive" (s. o. unter 1) entschieden, wie es denn überhaupt auf die Trieb- und Zug kraft nicht ankommen kann. Selbst sogen. Draissinen, Velo cipedes oder andere auf Eisenbahnen ohne Dampf- oder Thier kraft sich bewegende Fahrzeuge würden unter § 1 fallen, wenn sie, zum oder beim Betriebe einer Eisenbahn benutzt, Unfälle herbeiführen. Es kommt alles auf die Characterisiruug des Verkehrs wegs als Eisenbahn an, so daß § 1 alle Eisenschienenwege oder Eisenstraßen unterliegen, seien nun die Schienen aus Puddeleisen, Rohstahl, Bessemerstahl oder sonst einer Eisensorte gefertigt. Schienenwege auf Holz oder andern nicht zum Eisen gehörigen Stoffen fallen nicht unter das vorliegende Gesetz. Ob „Drahtseilbahnen" hierher gehören, möchte mehr zweifel haft sein. , _ Die Frage, ob auch unterirdische Eisenbahnen (Schie nenwege) von § 1 betroffen werden, hat der Commissar des Bundesraths dahin erledigt, daß nur an „Unternehmungen über der Erde" gedacht sei; „die Unternehmungen unter der Erde vermittelst einer sogen. Eisenbahn haben keine andere Bedeutung, als alle andern Maschinen, die zur Er leichterung des Betriebes in einem Bergwerk be nutzt werden." Bei einer Eisenbahn „über Tage" kommt es ferner darauf au, ob „dieselbe wirklich nur integrirender Theil einer andern Unternehmung ist; in diesem Falle kann man in der That nicht mehr sagen, als daß es sich um den Betrieb eines Bergwerkes oder einer Hütte handle, zu dessen Erleichterung derartige Einrichtungen dienen, die man im gewöhnlichen Leben *) Wie z B auch Herr ve. W. End e mann, Professor und Ober- Appellationsgerichtsrath zu Jena, Mitglied des Reichstags, in semer höchst verdienstvollen Bearbeitung des Gesetzes: „Die Haftpfircht der Eisenbahnen, Bergwerke re Erläuterungen des Reichsgesetzes vom 7. Juni 1871 rc." (Berlin 1871.) S. 9 ff. M 7211 EIGENTUM DES INSTITUTS FÜR WELTWIRTSCHAFT KIEL BIBLIOTHEK 63LSU790S90Z 15 § 5. Die in den §§ 1 und 2 bezeichneten Unternehmer sind nicht befugt, die Anwendung der in den §§ 1 bis 3 ent haltenen Bestimmungen zu ihrem Vortheile durch Verträge (mittelst Reglements oder durch besondere Uebereinkunft) im Voraus auszuschließen oder zu beschränken. Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegen stehen, haben keine rechtliche Wirkung. 1. Dieser § 5 war als § 4 bereits in dem Regierungs- Entwurf enthalten. In den „Mot." heißt es dazu: „Wenn das Gesetz seinen Zweck erreichen soll, so darf den Inhabern der fraglichen Anlagen nicht gestattet sein, die Anwendung der in den §§ 1—3 enthaltenen Vorschriften durch Vertrag, namentlich auch nicht in den Dienstverträgen mit ihren Beamten, Arbeitern u. s. w. auszuschließen oder zu be schränken. Im Gebiet des Rheinischen Rechts versagt die Rechtsprechung vertragsmäßigen Einschränkungen einer derartigen gesetzlichen Haftpflicht, als gegen das öffentliche Interesse nud die gute Sitte verstoßend, auf Grund des Art. 6 des Rhein, bürgerlichen Gesetzbuchs die Geltung. Eine dem entsprechende ausdrückliche Vorschrift ist, abgesehen von dem den Transport von Gütern auf Eisenbahnen betreffenden Art. 423 des Allg. deutschen Handelsgesetzbuchs, hinsichtlich der Haftung der Eisen bahnen für Beschädigungen von Personen bereits in dem Preußischen Gesetze vom 3. Mai 1869*) und in dem Oesterr. Gesetze vom 5. März desselben Jahres enthalten. Diesen Vor gängen schließt sich die Bestimmung des § 4 des Entwurfs an. Es sagt sich von selbst, daß durch diese Bestimmung dem Un ternehmer nicht die Befugniß entzogen werden soll, sich seine Regreß-Ansprüche gegen jeden seiner Angestellten im Vertrags wege, für den Fall zu sichern, daß der Unternehmer aus dem Verschulden des Angestellten in Anspruch genommen werden sollte." — 2. Es ist von verschiedenen Seiten die Meinung geäußert, daß § 5 mit § 4 des Gesetzes in Widerspruch stehe, ja, man hat § 5 als Wiederaufhebung des § 4 ausgelegt. Doch dieser Meinung und Auslegung fehlte das richtige juridische Verständniß der beiden Bestimmungen.**) *) Dieses Gesetz vom 3. Mai 1869, bete. einen Zusatz zu § 25 des Gesetzes über die Eisenbahn-Unternehmungen vom 3. Novbr. 1838, lautet: „Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden re. ic. verordnen re., was folgt: Einziger Artikel. Die Eisenbahnen sind nicht befugt, die Anwendung der im § 25 des Gesetzes über die Eisenb. - Untern, v. 3. Novbr. 1838 enthaltenen Bestimmungen über ihre Verpflichtung zum Ersätze des Schadens, welcher bei der Beförderung auf der Bahn anchen auf derselben beförderten Personen oder auch an anderen Personen, entsteht, zu ihrem Vortheile durch Verträge (mittelst Reglements oder auch durch besondere Uebereinkunft) im Voraus auszuschließen oder zu beschränken. — Vertragsbestimmungen, welche dieser Vorschrift entgegenstehen, haben keine rechtliche Wirkung. — Urkundlich re." Das österreichische Gesetz vom 5. März 1869 s. o. zu § 1 Zus. 9. In der „Austria" Jahrg. 1871 S. 471 ist in § 5 des Haft pflichtgesetzes ein sehr bedeutender Druckfehler zu notiren: dort sind die sehr wesentlichen Worte: „im Voraus" ausgelassen. — Der dortige Abdruck des Gesetzes enthält außerdem noch mehrere Druckfehler, weshalb er vor der Benutzung nach einem eorreeten Texte des Gesetzes zu ver gleichen und zu berichtigen ist. **) I" îBezug auf den aus einem Antrage des Abg. Lasker her vorgegangenen § 4 des Gesetzes und auf den obigen § 5 sagt z. B. Hr. Dr. Gallus ln seiner bereits oben angeführten Schrift (S. 12 f.) „Also Hr. Lasker schließt einen Compromiß auf Kosten des Be rechtigten, welcher 66% pcşt. bezahlt, mit dem Verpflichteten, der nur 33% pCt. beisteuert. — Wie aber diese Einschaltung mit der Bestimmung des § 4 (jetzt § 5) u. s. w. (folgt Wortlaut des §) — logisch sich ver einigen läßt, wird wohl Hr. Lasker zu beantworten wissen. — Würde durch diesen Lasker'schen Paragraph dem Verpflichteten eine Gelegenheit geboten, in einer bereits bestehenden Institution sich vollständig zu erholen, dann wäre er nach meiner unmaßgeblichen Meinung als eine Verbesserung zu betrachten, so aber nicht. — Solche halben Maß regeln bringen nur Unzuträglichkeiten, wie die Praxis zeigen wird. — Man kann nicht neuen Wein in alte Schläuche fassen". — Zunächst ist zu beachten, daß § 5 die Clauses: „zu ihrem Vortheil" als Hinderniß der Geltung des § 4 ent hält. Wie wenig z. B. bei den Knappschaftskassen die Werksbesitzer, d. i. die Haftpflichtigen des Bergbaus, „zu ihrem Vortheil" diese Gelegenheit benutzen, sich ihre Haftpflicht zu erleichtern, haben wir oben zu § 4 Zus. 3 statistisch nachge wiesen. Eben dadurch, daß § 4 durch § 5 in die Grenzen der Tendenz des Haftpflichtgesetzes gewiesen wird, ist der Schluß nahe gelegt, daß der Gesetzgeber, insbesondere der Abgeordnete Laster, der den § 4 mit Recht vertreten hat, im Anschluß an die in den „Mot." dargelegte Tendenz des Entwurfs, recht gut gewußt habe, in welchem Verhältniß die bisherigen Lei stungen der haftpflichtig zu machenden Unternehmer zu den im neuen Gesetz aufgelegten Verbindlichkeiten stehen. Hätte der Gesetzgeber dies nicht gewußt, so wäre allerdings entweder § 4 oder § 5 ein legislatorischer Widerspruch in demselben Gesetze. Es ist ferner zu beachten, daß § 5 die Clausel: „im Voraus" enthält. Es ist ja gar nicht möglich, durch Dis positionen auf Grund des § 4 die §§ 1 bis 3 illusorisch zu machen, da die in §§ 1 und 2 bezeichneten Unternehmer dem richterlichen Urtheile vorzugreifen außer Stande sind. Dies Urtheil hätte ja nach § 7 überall in seiner Macht, die die Haftpflicht beschränkenden Verträge re. für widerrechtlich zu er klären. Der § 5 ist nur eine legislatorische Anerkennung der Freiheit des richterlichen Arbitriums, wie es in § 7 des Ge setzes anerkannt worden ist. Im Uebrigen kann weder der Gesetzgeber noch der Richter verbieten, Vergleiche abzuschließen. Als Vergleiche sind die Vereinigungen aufzufaffen, deren Leistungen die in § 4 be zeichneten Anstalten und Kassen realisiren, nicht als Verträge. Die Leistungen der Kaffen rc. des § 4 sind nämlich nur das Resultat der Einigung zwischen Berechtigten und Verpflichteten über bisher gegenseitig erhobene streitige Ansprüche. Auch von diesem Vergleichs- und Ansgleichungs-Standpunkte der Arbeit geber und Arbeitnehmer ist der § 4 als die weiseste Bestim mung des ganzen Gesetzes zu betrachten. Sie anticipirt und concipirt gewissermaßen Das, was man durch Herstellung von Ausgleichs-Commissionen oder Comitês oder Schiedsgerichten bezüglich sonstiger Streitigkeiten zwischen Arbeitgeber nnd Ar beitnehmer, namentlich behufs Beseitigung der unseligen Strikes, erst noch ausführen und realisiren will. — Man reibe doch nicht geheilte wunde Stellen an dem Verhältniß zwischen Ar beitgeber und Arbeitnehmer ganz ohne Noth immer wieder wund, zumal wenn sie so glückliche Heilung und langzeitige Vernarbung gefunden, wie in den Knappschaftsvereinen nnd ähnlichen Instituten zum Besten der Arbeitgeber und Arbeit nehmer! — 3. Bei der Bezugnahme der „Mot." (s. o. Zus. 1) auf das Gesetz vom 3. Mai 1869 und damit auf § 25 des Eisen bahngesetzes vom 3. November 1838 mag hier noch her vorgehoben werden, daß ein Rescript der Minister der Finan zen und des Innern vom 9. September 1843 (Minister.-Bl. d. i. V. 1843 S. 265) die Einholung der ministeriellen Er laubniß zur Errichtung von Unterstütz un gs- und Sterb e - k a ss en für Eisenbahnbeamte für überflüssig erklärt. Die Errichtung und Erhaltung solcher Kassen ist jetzt, bei der Re- gulirnng der Haftpflichtverbindlichkeiten der Eisenbahnen, doppelt wichtig und durch § 5 des Haftpflichtgesetzes keineswegs unter sagt oder beschränkt, im Gegentheil durch § 4 gebilligt und deshalb zu fördern, zumal die bis jetzt von den Eisenbahnen Hr. Dr. Gallus befindet sich hier im Irrthum über den rechtlichen Inhalt der §§ 4 und 5 und wird, bei richtigem Verständniß derselben, voraussichtlich noch zu unserem Meinungsgenossen in Hinsicht auf die Knappschaftsvereine. — a 7 16 getroffenen Maßnahmen zur Erledigung ihrer Haftpflicht (s. o. § 4 Zus. 2) sich nicht auf Personen beziehen, welche „in der Ausübung des Eiseubahubetriebsdiensteö be griffen" find. § 6. Das Gericht hat über die Wahrheit der thatsächlichen Behauptungen unter Berücksichtigung des gesummten Inhaltes der Verhandlungen nach freier Ueberzeugung zu entscheiden. Die Vorschriften der Landesgesetze über den Beweis durch Eid, sowie über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden und ge richtlicher Geständnisse bleiben unberührt. Ob einer Partei über die Wahrheit oder Unwahrheit einer thatsächlichen Behauptung noch ein Eid aufzulegen, sowie ob und in wieweit über die Höhe des Schadens eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen oder Sachverständige mit ihrem Gutachten zu hören, bleibt dem Ermessen des Gerichtes überlassen. 1. Dem wesentlichen Inhalte nach war dieser § 6 des Gesetzes schon in § 5 des Regierungs - Entw. enthalten. So weit die Uebereinstimmung reicht, sind die „Mot." noch jetzt an erster Stelle zu beachten. Es heißt in denselben: „In dem überwiegend größeren Theile des Bundesgebiets bestehen für den bürgerlichen Proceß noch positive Regeln über die Wirkung der Beweise. Die Anwendung dieser Regeln auf die hier in Rede stehenden Rechtsstreitigkeiten würde beider Schwierigkeit eines formell ausreichenden Beweises, insbeson dere hinsichtlich der Verschuldung (§ 2 des Entwurfs) und für die Höhe des Schadens, die Wirksamkeit des Gesetzes beein trächtigen und vielfach gänzlich lähmen. Die Ueberzeugung, daß auch in Civilprocessen dem Richter eine freie Würdigung der Thatsache zustehen müsse, ist gegenwärtig fast ausnahms los zur Herrschaft gelangt, und in den bedeutenden, in den letzten Jahren in Deutschland zur Umgestaltung des bürger lichen Verfahrens unternommenen gesetzgeberischen Arbeiten überall zum Ausdruck gebracht (vergl. § 42 Í Preuß. Entw. v. 1864, §§ 306, 307. ^am^ou. Gntm., §§ 455, 457. ^orbbcu^^c^c^I Entw., Art. 345, 330 der Civil-Proc.-Ordn. für Baiern u. a. m.). Ungeachtet der hinsichtlich des Vortrags des that sächlichen Materials und des Beweisverfahreus, fast ausschließ lich schriftlichen Natur des Preußischen Civilprocesses, hat die in einzelnen Preußischen Specialgesetzen dem Richter anheim gegebene freie Würdigung der Thatsachen in der Anwendung sich ebenfalls überall bewährt (vergl. §§ 111, 375 ff. der Konkurs-Ordnung vom 8. Mai 1855, § 17 des Gesetzes vont 9. Mai 1855). Aus der überwiegend schriftlichen Natur des in den meisten Bundesstaaten wenigstens zur Zeit noch gel tenden Civilprocesses wird daher kein maßgebender Einwand gegen den Inhalt des Entwurfes hergeleitet werden können. Die einzelnen, in den ersten beiden Absätzen des § 5 des Ent wurfes enthaltenen Bestimmungen fassen im Wesentlichen den Inhalt der §§ 455, 457 und 633 des Norddeutschen Civil- Proceß-Entwurfs zusammen. Hinsichtlich des Beweises durch Eid, sowie der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und gericht licher Geständnisse war es bei den Vorschriften der Landesgesetze zu belassen. Von der Zulassung eines besonderen Gerichts standes etwa in der Weise, wie der § 64 des Norddeutschen Entwurfs und der § 708 des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen denselben für Forderungen ans unerlaubten Handlungen bestimmt, ist Abstand genommen. Als selbstver ständlich darf vorausgesetzt werden, daß der Richter bei Ab schätzung des Schadens auch darauf werde Rücksicht zu nehmen haben, ob etwa dem Verletzten oder denHin- terbliebeueu desGetödteten,insbesondere aufGrund von Leistungen des Ersatzpflichtigen, Pensions oder sonstige Entschädigungs-Ansprüche zur Seite stehen. Nur die Schadloshaltung, nicht die Bereiche rung des Beschädigten kann das Gesetz im Auge haben. 2. Die hier gegebenen Vorschriften erstrecken sich aus schließlich auf die Geltendmachung der in §§ 1 bis 3 bezeich neten Verschuldungen und dadurch begründeten Haftpflichtan sprüche, und zwar ausschließlich ans das dazu eingeleitete Civ il-Proceßverfahren. Auf den Straf-Proceß behufs straf rechtlicher Verfolgung haben sie keine Beziehung. — Das Civil - Proceßverfahren ist an sich unberührt geblieben: so weit bestimmte Arten und Formen desselben je nach dem Streitobjecte (Vagateli-, Mandats-, summarischer oder ordent licher Proceß) oder nach andern Umständen zu beobachten sind, gelten sie auch für die Haftpflicht-Ansprüche. Nur ist Auf nahme, Prüfung und Würdigung der Beweise über die that sächlichen Voraussetzungen der Anwendung des Haftpflichtgesetzes befreit von allen positiven und wissenschaftlichen Regeln der Beweistheorie, namentlich der Wirkung der Beweise, und dem freien Ermessen des Richters anheimgegeben; nur bezüglich der Beweiskraft der öffentlichen Urkunden und gericht lichen Geständnisse sowie bezüglich des Eides als Be weismittel ist er an die bestehenden Landesgesctze gewiesen. Im Uebrigen steht das ganze Verfahren unter seiner Leitung und Beurtheilung und seine Entscheidung ist der schließliche Ausdruck seiner richterlichen Ueberzeugung auf Grund des ge- sammten Inhalts der Verhandlungen. Die Function des Rich ters faßt also gewissermaßen den gelehrten Richter und den sachverständigen Geschwornen in eine Person zusammen, wie dies auch bei Injurien und minder strafbaren Gesetzverletzuugen der Fall ist. Anträge, welche dieser Zusammenfassung des Richters der That- (Schuld-) und der Rechtsfrage widersprachen, sind von den Antragstellern zurückgezogen worden.*) 3. Wenn dem Richter in § 6 die Entscheidung „über die Wahrheit" der thatsächlichen Behauptungen übertragen ist, so ist natürlich die Entscheidung über die Unwahrheit ihm nicht entzogen worden. Im ursprünglichen Entwürfe war auch aus drücklich gesagt: „über die Wahrheit oder Unwahrheit u. s. w." Die Streichung der beiden Worte bei der Schlußredaction des Gesetzes ist bedeutungslos, zumal dieselben im Alin. 3 des § 6 stehen geblieben sind. 4. Der Entwurf hatte hinter den Worten: „unter Berück sichtigung des gesammten Inhalts der Verhandlungen" noch den Zusatz: „sowie des Ergebnisses einer etwaigen Beweis aufnahme". Der Wegfall dieser Worte hat keineswegs _bie Bedeutung, daß dem Richter die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme entzogen sein soll, vielmehr ist es bei der *) Es beantragte nämlich: 1. Abq. Lasker: „Der Reichstag wolle beschließen. den Rerchs- fin&Ier auf&uforbern, herauf Bebaut &u nehmen, baß bte 3)eu#e (Wb Proceß-Ordnung für Streitigkeiten, welche nach den Proeeßgrundsätzen dieses Gesetzes zu entscheiden sind, die Mitwirkung von Laien (Geschwore nen, Schöffen) anordne, namentlich soweit die Feststellung der Entschädi gungspflicht, die Höhe und die Art des Schadenersatzes in Betracht kommen". — Drucks. Nr. 76. I. 1. — Dieser Antrag wurde zurückgezogen. Vergl. @ten. 0er. <5 653. 654). , 2. Abg. Biedermann: „Dre Zuziehung von Sachverständigen muß jedoch erfolgen, wenn eine der beiden Parteien es verlangt. In diesem Falle steht jeder Partei die Ernennung der gleichen Zahl von Sach verständigen, dem Gerichte die Bestellung eines Obmannes zu". — (Drucks. Nr. 71. III. 3. — Auch dieser Antrag wurde zurückgezogen. Vergl. Sten. Ber. S. 499). — Adit der Zurückziehung sind jedoch Ansichten und Tendenzen der An träge nicht ausgegeben worden, vielmehr ist jene nur erfolgt, um die an geregten Fragen der Zuziehung von Geschworenen, resp. Sachverständigen, der definitiven und allgemeinen Regelung und Entscheidung der neuen Civilproceß-Ordnung zu überlassen. (Sten. Ber. S. 494. 654). 4 Mäßigen Schienenlage*) beschädigt bei der Uebcrfahrt über den Bahnkörper. 4. Die Haftpflicht der Eisenbahnen nach § 1 tritt nur bei Verletzung rc. von Menschen ein, gleichviel in welchem Verhältnisse die beschädigten Menschen zu dem Bahnbetriebe stehen, gleichviel also, ob sie Bahn-Beamte over Bahn-Arbeiter oder Bahn-Passagiere oder alles dies nicht sind. Die einfache Thatsache der Tödtung oder körperlichen Verletzung eines Men schen begründet schon die Haftpflicht und diese kann nur durch den in § 1 geforderten Gegenbeweis der Nichtverschuldung ab gewiesen werden. Bei diesem Gegenbeweise wird wiederum die Anrufung der mehrerwähnten Reglements die wichtigste Rolle spielen, je nachdem sie verletzt oder beobachtet sind. Eine durch reglementswidrige Beschaffenheit der Dämme rc. herbei geführte Ueberschwemmung z. B. würde nicht als „höhere Ge walt" angesehen werden, wogegen diese bei dem Nachweise der Reglementsmäßigkeit der Dämme rc. unter den Begriff der vis major fallen würde. 5. Die Begriffe der „Tödtung" und „körperlichen Verletzung" stellen sich fest nach Analogie der vom Straf rechte**) adoptirten Begriffe dieser Ausdrücke. Ob die Tödtung oder körperliche Verletzung die unmittelbare oder mittelbare, die sofortige oder spätere Folge des Bahnbetriebes ist, kommt nicht in Betracht; es genügt die Behauptung des ursächlichen Zu sammenhangs mit dem Bahnbetriebe, um den Betriebs-Unter nehmer in den Rechtsstand der Haftpflicht nach § 1 zu ver setzen. Tritt die Tödtung oder Körperverletzung nicht unmittelbar ein, so bleibt der Beweis des ursächlichen Zusammenhangs mit dem Bahnbetriebe dem Beschädigten zur Last. 6. Als Haftpflichtiger wird in § 1 der „Betriebs- Unternehmer" bezeichnet, d. h. diejenige Person, welche den gewerblichen Betrieb der Bahn factisch besorgt. Bei der Ver pachtung oder sonstigen Uebertragung einer Bahn haftet also der Pächter oder Derjenige, welcher den Bahnbetrieb an Stelle oder für Rechnung des Eigenthümers übernommen und nach den gesetzlichen Reglements u. s. w. zu vertreten hat, gleichviel, ob dies eine juristische Person, der Fiscus, eine Corporation oder Gesellschaft ist. Die Haftpflicht des Unternehmers schließt natürlich das Recht des Haftpflichtigen oder Beschädigten, den nach dem Civil- oder Strafrechte zulässigen Regreß noch an andere Per sonen zu verfolgen, nicht aus (§ 9). An erster Stelle haftet jedoch nur der Betriebs-Unternehmer, und zwar nur 7. „für den entstandenen Schaden, und auch nur für den „dadurch", d. i. durch die Tödtung oder Körper verletzung entstandenen Schaden, endlich nur für den u. s. w. Schaden, wie er in §§ 3 und 4 d. Ges. näher bestimmt wird. Daß der „entgangene Gewinn" nicht unter die Haft pflicht fällt, ist schon durch das Erk. des Ober-Trib. vom 21. April 1854 (s. o.) entschieden. 8. Von der Haftpflicht befreit den Betriebs-Unternehmer der Beweis, daß „der Unfall durch höhere Gewalt *) Eine Schienenlage gehört zum Betriebs-Material. Veranlaßte sie durch reglementswidrige Beschaffenheit die Beschädigung eines Menschen, so würde hierdurch die Eisenbahn haftpflichtig. Dagegen würde sie dies nicht z. B. in dem Falle, daß ein Mensch durch Stoß rc. an einer regle mentsmäßigen Schienenlage sich verletzt, da der Uebergang des Menschen über die Schienen ohne Anstoß geschehen muß; die Berührung der Schienen ist reglementswidrig und macht die Eisenbahn nur haftpflichtig, wenn die Schienenlage fehlerhaft ist. **) Es kommen hier namentlich §§ 223 224 226 des Deutschen Strafgesetzbuchs und deren Auslegung und Feststellung hinsichtlich des ob jectiven Thatbestandes in Rücksicht. Das auch Geisteskrankheiten unter den Begriff der Körperverletzung fallen, ist aus 8,224 zu deduciren. Werden also solche durch Eisenbahn-Unfälle verursacht, so machen sie den Betriebs - Unternehmer haftpflichtig. oder durch eigenes Verschulden des Getödteten oder Verletzten verursacht ist". a. Der Beweis ist formell näher bestimmt durch § 6 (s. u.) b. Was unter: „höhere Gewalt" zu verstehen sei, hat das Gesetz nicht weiter definirt, und nach den legislatorischen Quellen auch nur näher insofern erklärt, als dieser Ausdruck im Allgemeinen mit dem der Rechtswissenschaft geläufigen Be griffe der vis major oder force majeure zusammenfallen solle. Was man seitens der Autoren des Entwurfs darunter verstanden hat, ist übrigens an erster Stelle maßgebend und enthalten in einer Aeußerung des Bundesraths-Bevollmächtigten, welche die Entstehungsgeschichte des Ausdrucks giebt. Danach ist der Ausdruck als eine Modification des betreffenden Passus in § 25 des preuß. Eisenbahngesetzes vom 3. Novbr. 1838 anzusehen, wo anstatt „durch höhere Gewalt" gefügt ist: „Durch einen unabwendbaren äußeren Zufall". Diese Fassung war dem Allg. Landrecht entnommen.*) In der That wird *) Die bezügliche Aeußerung des BundeSraths-Commissars findet sich „Stenogr. Ber." S. 451 f., also lautend: „Es ist die Fassung des preußischen Gesetzes im Staatsrath entstan den, und zwar unter hauptsächlicher Verweisung auf den § 1734, 8, II, Allgemeines Landrecht und der lautet: „den ausgemittelten Schaden muß „der Schiffer ersetzen, wenn er nicht nachweisen kann, daß selbiger durch „inneren Verderb der Waaren oder durch einen äußeren Zufall ent- „standen ist, dessen Abwendung er nicht in seiner Gewalt hatte", — und wenn man gegenüber diesem Muster nicht den letzten Ausdruck „Gewalt" gewählt, sondern den ersten „äußerer Zufall" genommen hat, so liegt das einfach darin, daß der „äußere Zufall" noch an verschiedenen anderen Stellen des Landrechts vorkommt. Was aber die Praxis betrifft, so werde ich mir erlauben, aus einem Erkenntniß des Obertribunals aus dem Jahre 1863 eine Stelle vorzuführen, und zwar nur die Stelle, die hier speciell interessirt. Es heißt dort: „Als ein unabwendbarer „äußerer Zufall, worunter die Entstehung des Sckadcnö durch ein „Ereigniß höherer Gewalt verstanden werden muß". — Meine Herren, ein sehr verdienstvoller Schriftsteller auf diesem Gebiete, Herr Lehmann, hat die Frage auf das Allergenaucste erwogen und hat in dem schließlichen Résumé auf Seite 34 seiner Schrift, die wohl Viele von Ihnen in Händen haben werden, gesagt: „Der Richter wird den rechten Weg „gehen, wenn er den Begriff „vis major“ (also die höhere Gewalt) eng „auffaßt und von der Bahn den Nachweis „eines von außen kom- „m e nd en seiner Natur nach oder nach Lage der Sache unabwend- „baren Ereignisses verlangt". — Ich glaube, ich stehe mit meiner Meinung, daß die Sache dieselbe ist, nicht allein. Nun könnten Sie freilich sagen: wenn dem so ist, warum wünschen die Bundesregierungen, daß der Ausdruck, den sic vorgeschlagen haben, amendirt wird? Meine Herren, das hat einen sehr einfachen Grund, und zwar einen Grund, der eigentlich aus der Stellung als eines Faktors der Gesetzgebung des deutschen Reichs herzuleiten ist. Es giebt ein deussches Reichsgesetz — das Handels- Gesetzbuch, und das braucht für ganz analoge Fälle denselben Ausdruck: „höhere Gewalt". Es konnten die verbündeten Regierungen es nicht für geeignet halten, für die Reichsgesetzgebung von deren eigenem Sprachgebrauche auf die Ausdrucksweise eines Landesrechts zurückzugehen. Allerdings habe ich von einem anderen, aus diesem Ge biete sehr thätigen juristischen Schriftsteller, von Koch, den Satz gelesen: die Kommission, welche das Handels-Gesetzbuch ausgearbeitet habe, habe einen wahren Erisapfel mit dem Begriffe der „höheren Gewalt" unter die Juristen geworfen. — In der That — ich gebe das zu — ist ein großer Streit in der Theorie entstanden, und die Herrenhaben sich ab gemüht, die „höhere Gewalt" zu definiren; zahlreiche Definitionen wäre ich im Stande Ihnen vorzutragen, ich möchte aber von keiner behaupten, daß sie alles erschöpft. Es ist das eben einer der Begriffe, die ihren wahren Inhalt nur empfangen können im einzelnen Falle; sie lassen sich nicht abstrakt definiren. Daher ist es gekommen, daß obschon der EriS- apfel in der Theorie vorhanden ist, in der Praxis die Sache sich doch ge macht hat. Und sollte nun gar § 10 des Amendements angenommen werden, wonach das Bundes-Obcrhandelsgericht in letzter Instanz zu ständig sein würde, nun, meine Herren, dann können sie sich bei diesem Ausdruck „höhere Gewalt" um so mehr beruhigen, als dieser Begriff bei diesem Gesetze alsdann ebenso ausgelegt werden würde, wie über ihn bei jenem anderen Paragraphen des Handels-Gesetzbuchs von demselben hohen Gerichtshöfe erkannt werden muß und erkannt werden wird". — In dem deut chen Handelsgesetzbuche ist der Ausdruck: „höhere Ge walt (vis major)" in Artt. 395, 607, 674 ebenfalls ohne jede nähere Erklärung gebraucht — wobei der von der regulirenden Verwaltung vorweggetragene Betrag von 5000 Thlr. erst nach Deckung der übrigen Bei träge zur Erstattung kommt. Die Vertretung der Gesammtheit wird durch einen Aus schuß wahrgenommen, doch ist die Haftung dem Publicum gegenüber immer an die zunächst vertretungspflichtige Eisen bahn gebunden, während die Gesammthaftung.nur eine innere, unter den Mitgliedern bestehende ist. Diese Vereinbarung soll mit Beginn des Jahres 1872 in Wirksamkeit treten und läuft vorerst unkündbar drei Jahre unter Stipulation stillschweigender Verlängerung auf je weitere drei Jahre. Nach Ablauf der ersten drei Jahre kann jede Verwaltung nach vorausgegangener halbjähriger Kündigung, welche zu Anfang eines Kalenderjahres zu erfolgen hat, ans der Gemeinschaft austreten. Dies die wesentlichen Grundzüge dieser Angesichts des Haftpflichtgesetzeö so wichtigen Vereinbarung, von der voraus zusetzen ist, daß ihr alle Deutschen Privateisenbahnen beitreteu werden. Es läßt sich nicht läugneu, daß ein solches Abkommen, falls man nicht einer der seit Kurzem bestehenden Unfall-Ver sicherungs-Gesellschaften beizutreten geneigt ist, vorzüglich den kleineren und mit geringeren Fonds ausgestatteten Bahnen die Gefahr nimmt, bei großen Unfällen in ihrer Existenz er schüttert oder doch in ihrer Lucrativität auf lange Zeiten hinaus vernichtet oder geschmälert zu werden, während der, wenn auch möglicherweise stetige, so doch in mäßigen Grenzen blei bende jährliche Repartitionsbetrag eine weittragende Bedeutung für den Bestand und die Entwickelung des Unternehmens selbst nicht auszuüben vermögen wird. — In Oesterreich, wo durch das Gesetz vom 5. März 1869 ebenfalls eine strengere Haftpflicht der Eisenbahnen für Unfallobeschädigung der Personen eingeführt worden war, ist nach Analogie der Vereinbarungen der Deutschen Privalbahneu die Bildung eines ähnlichen Assecuranzvereines unter den österreichischen Eisenbahnverwaltungen angeregt worden. Ein Comite, bestehend aus Vertretern der Südbahn, Kaiser Fer dinands-Nordbahn und Böhmischen Westbahn (v. Schreiner, Dr. Kuh und Dr. Sochor), ist gewählt worden, um einen Vertrags-Entwurf auszuarbeiten, wobei dem Vernehmen nach auch eine gegenseitige Transportversicherung in'ö Auge ge nommen werden soll. — Diese nach dem amtlichen Organe des Deutschen Eisen bahn -VerwaltungS- Vereins getroffenen Vereinbarungen über gegenseitige Haftpflicht-Versicherung erstrecken sich nur auf die Privat-Eisenbahnen des Deutschen Reichs. Ueber die von den Staats-Eisenbahnen ergriffenen Maßregeln verlautete bis jetzt noch nichts Näheres, doch läßt sich erwarten, daß auch diese den Tendenzen des Haftpflichtgesetzes Genüge leisten werden. Weshalb die Staats-Eisenbahnen deu Privatbahneu nicht mit gutem Beispiele in der Organisation der Einrich tungen für Haftpflicht-Verbindlichkeiten vorangegangen, ist nicht bekannt geworden. — Aus Belgien verlautete kürzlich von dem Projette einer internationalen Versicherungsanstalt für Eisenbahnunfälle. Mau will nämlich eine Gesellschaft zur Versicherung von Per sonen gegen Eisenbahnunfälle gründen, welche ihre Wirksam keit über alle Länder der Erde ausdehnen soll. Die Ver sicherungsgebühr soll 3 Centimes für jede Fahrkarte I. Klasse, 2 Cent, für eine Karte II. Klaffe und 1 Cent, für jede Karte III. Klaffe und für jeden Frachtbrief betragen. Diese Ge bühren sollen von den Eisenbahnkaffen eingehoben und an die Gesellschaft abgeliefert werden, welche auch ein Kapital von 3 Mill. FrcS. aufzubringen gedenkt. Die Gesellschaft soll im Falle des Todes eines Reisenden den Hinterbliebenen eine Pension oder einmalige Abfertigung, bei vorkommenden Ver wundungen, welche die Arbeitsunfähigkeit nach sich ziehen, eine lebenslängliche Rente oder summarische Entschädigung gewähren, und überdies sollen den Beamten jener Bahnen, auf welchen im Laufe eines Jahres nur wenige oder gar keine Unglücks fälle vorkommen, Prämien ertheilt werden. Ob und welche reelle Grundlage das Project hat, ob es überhaupt anöführbar sein wird, ist hier nicht weiter zu untersuchen. — 3. Der Bergbau und die ihm verbundenen Produc- tionsstätten haben Versicherungsanstalten, wie sie für sie die geeignetsten sind, schon in den Knappschafts-Vereinen und ähnlichen Selbsthilfs-Anstalten. In Bezug auf die Haftpflicht sönne» diese ohne wesentliche Aenderungen ihrer Grundver- faffung als Gegenseitigkeits-Versicherungs-Anstalten auftreten. Daß es hiezu bedeutender und wesentlicher Reformen, na mentlich abgesonderter Institute bedarf, ist weder geboten, noch zweckmäßig, den am meisten interessirten Arbeiterklassen dienlich. Besonders die den Knappschaftsvereinen angehörigen Arbeiter haben das entscheidendste Interesse, ihre Haftpflicht- Ansprüche nicht von diesen Instituten zu trennen, da diese Trennung ihnen das sehr werthvolle Privilegium (deö § 173 des Allg. Berggesetzes vom 24. Juni 1865 und analoger Bestimmungen der Bergordnungen oder bezüglicher Special gesetze über Bruderladen k.), des Schutzes gegen Arre st schlag für ihre ^Haftpflicht-Ansprüche entzieht. Das Gesetz vom 7. Juni 1871 kennt dies Privilegium nicht, eine Verletzung des Princips, das doch erst kürzlich, in dem Gesetze vom 21. Juni 1869 über Aufhebung der Lohnarreste, in Deutschland seine schwererrungene allgemeine Anerkennung zum Besten der Arbeiterklassen gefunden, in Oesterreich schon nach § 207 des Berggesetzes vom 23. Mai 1854 bestanden hat. Es wird sich nun fragen, in welcher Weise die Haft pflichtverbindlichkeiten von den Knappschaftsvereinen zu erledi gen sind, ob es namentlich dazu einer Erhöhung der statuten mäßigen Leistungen dieser Vereine bedarf. Wer Einsicht ge nommen hat von den neueren Statuten der Knappschafts- Vereine,*) muß sich überzeugen, daß in denselben bereits Vorsorge für Pernnglückungsfälle getroffen ist, wie cs nur irgend in der Tendenz deS Haflpflichtgesetzes gelegen haben kann, wenigstens soweit es sich um Renten handelt für Erwerbsunfähigkeit der Verunglückten und für Alimentation der nächsten Angehörigen. Die Reorganisation der Knappschaftövereine würde hier nach besonders folgende Punkte in's Auge zu faffen haben: a. Bei jeder Knappschaftskaffe wird ein Separat-Con to für angezeigte HaftpfiichtfäUe angelegt und geführt, mit dem Zwecke, liquide zu erhalten, welche Leistungen die Kaffe auf Grund des Haftpflichtgcsetzes realisirt hat. b. Diese Leistungen erfolgen vorläusig aus den Fonds, *) Man vergl. z. B. das Statut des Oberschlesischen Knapp- schaftö-Vereins, oberbergamtlich bestätigt d. d. Breslau, 6. December 1869, §§ 16. 41. ff. über freie Kur und Arznei; § 19. 20. 41. über Krankengeld (Krankenlohn), das im Falle der Beschädigung bei der Arbeit 6 bis 18 Sgr. für verheirathete, 5 bis 13 V 2 Sgr. für unverheirathete Arbeiter pro Tag beträgt; § 21. ff. 41. über Jnvalidenlöhne? welche in den ordentlichen Sätzen, je nach dem Dienstalter, von l Thlr. 8 Sgr. bis 11 Thlr. monatlich steigen und bei Unfalls-Invalidität um ein Dienst alter von 15 Jahren, d. i. um 40 bis 100 Procent im umgekehrten Ver hältniß zum wirklichen Dienstalter erhöht werden. In gleich humanlibe- raler Weise ist die Haftpflicht bezüglich der Wittwen und Waisen der Verunglückten (§§ 23. 26. 28. 29. 33. 34. 41. 42.) anerkannt. Ebenso vergl. über den Märkischen Knappsckaftsverein zu Bochum die neuesten Statuten-, resp. Leistungs-Aenderungen „Glückaufs 1871. Nr. 50. r Schlesien, der Grafsch. Glatz, Neuvorpommerns, der Insel Rügen und der Hohenzollernschen Lande, wenn sie bergmännisch gefördert oder auch nur durch „Gräberei" gewonnen werden, dem Haftpflichtgesetze unterworfen. Hätten sie ausgenommen werden sollen, wäre dies besonders ausgesprochen gewesen.*) Es heißt dann weiter in den „Mot.": „Neben den Berg werken sind die Steinbrüche noch besonders aufgeführt, da die durchschnittliche Gefährlichkeit derselben die Anwendung des Gesetzes auf dieselben erheischt und andererseits es zweifelhaft sein konnte, ob ein Steinbruch unter die Bezeichnung „Berg werk^ zu subsummiren sein würde. Dasselbe trifft rücksichtlich der Mergel-, Kies-, Sand-, Thon-, Lehm- und ähn licher Gruben zu, welche in Uebereinstimmung mit der Ter minologie neuerer Berggesetze unter dem Ausdruck „Gräberei" zusammengefaßt sind. Die Anwendbarkeit des Gesetzes nach Analogie des § 154 der Gewerbe-Ordnung für den Norddeut schen Bund auf unterirdisch betriebene Brüche oder Gruben zu beschränken, dürfte sich nicht rechtfertigen lassen." — 3. Was unter „Fabrik" zu verstehen sei, ist nach den „Mot." auch hier, wie in andern Gesetzen, dem Richter über lassen, da eine Feststellung des Begriffs vergeblich versucht würde, auch eine Aufzählung der unter das Gesetz fallenden Etabliffcments, wie in englischen Gesetzen erfolgt sei, abgesehen von der dadurch eintretenden Casuistik, „nie vollzählig sein könne", und „bei der rapiden Entwickelung der modernen In dustrie, welche in rascher Folge alljährlich neue Arten von Fa briken hervorrufe, mit dem wirklichen Bedürfnisse nicht in Ein klang stehe." Ebenso verbiete sich die Hinweisung auf § 16 der Gewerbe-Ordnung für den Nordd. Bund und die Unter scheidung der Fabriken nach ihrer Gefährlichkeit oder ihren Triebkräften. „Hiernach mußte es sich empfehlen, das Gesetz auf alle Fabriken ohne Ausnahme für anwendbar zu erklären.**) Wenn auf diesem Wege ersteres sich auch auf eine Anzahl von weniger gefährlichen Unternehmungen beziehen wird, so ist dies beim Mangel der bei letzteren eintretenden Unglücksfälle ohne prakti sche Bedeutung, wogegen andererseits das erstrebte Ziel, alle gefährlichen Anlagen der Wirksamkeit des Gesetzes zu unter werfen, mit Sicherheit erreicht ist". „Eine Unterscheidung der Fabriken nach der Zahl der in denselben beschäftigten Arbeiter, wie dies z. B. in der Englischen Akte 30 und 31. Viet. c. 103 (15. August 1867. An Act for the extension of the Factory Acts) 3. N. 7 geschehen ist, ***) erscheint für den hier angestrebten Zweck nicht aus führbar". (Mot.) 4. Im klebrigen findet sich zu diesem Paragraph noch zu bemerken, daß die Worte „eine zur Leitung oder Beaufsichti gung des Betriebes angenommene Person" deut § 74 hes Preußischen Allgemeinen Berggesetzes entnommen sind. Dkese Worte werden im weitesten Sinne aufzufassen sein, und na- ') Merkwürdigerweise sind diese Eisenerzförderungen in den „Mot." nicht angeführt, wo dies doch schon die Ausnahme-Bestimmung des § 211 des Alla. Bcrggcs. hätte nahe legen sollen. Es ist diese Uebergehung um so auffallender, da die „Mot." auch den Ausdruck „Gräberei" nicht auf Eisenerzförderungen erstrecken (s. o.) **) Doch was sind eben „alle Fabriken ohne Ausnahme?" — Wenn alle Fabriken gemeint sind, muß ja doch ein bestimmter Begriff zu Grunde gelegen haben. — Dieser Begriff hätte sich wohl auch genügend dahin fassen lassen: „Gewerbliche Betnebs-Anstalten, deren Trieb- oder Arbeitskraft durch Maschinen in Verbindung mit Elementarkrästen (Feuer, Luft, Wasser, Erde) bewirkt und bewegt wird". Unter diese Definition fallen auch Hohöfen und andere Werke der Montan-Industrie (Hüttenwerke, Aufbereitungsanstalten, Wäschen rc.) ***) Vergi. Preuß. Handels-Archiv. 1871. I. S. 78 ff. 130. mentlich auch diejenigen Bergleute umfassen, welche mit Dienst leistungen betraut werden, die für die Sicherheit des ganzen Betriebs von Wichtigkeit sind, wie z. B. die Prüfung, welche dem Einfahren in den Schacht vorauszugehen pflegt, die Her richtung und Austheilung der Sicherheitslampen u. a. m. (Mot.) 5. Ob und wie weit die landwirthschaftlichen Be triebsarbeiten, welche Natur und Erfolg des Fabrikbetriebes haben, unter das Haftpflichtgesetz fallen, ist bei der Allge meinheit seiner Fassung, besonders mit dem Ausdruck „Fabrik" und seiner legislatorischen Erläuterung, fraglich, dem richter lichen Urtheile aber immer ebenso anheimgegeben, wie der Um fang des Begriffs „Fabrik". — Jedenfalls gehören Braue reien und Brennereien, selbst wenn sie nur für den Hausbedarf betrieben würden, zu den Fabriken ebenso, wie Cichorien-, Zucker- u. a. mehr oder weniger mit landbaulicher Production verbundene Fabriken. Ob der Gebrauch von Maschinen zu einzelnen Verrichtungen, wie von Sä-, Mäh- und Dreschmaschinen u. s. w., den Besitzer oder Miether haft pflichtig mache, für dabei vorkommende Fälle, ist zweifelhaft; das entscheidende Moment möchte hier schon der Sprachge brauch an die Hand geben, indem, wo dieser das Wort Fabrik nicht zuläßt, auch von einer Haftpflicht nicht die Rede sein kann. Man kann sagen: Roheisen-, Walzeisen-, Rohzink- u. s. w. Fabrik für Hohofen, Hütte rc.; aber nicht Sä-, Mäh-, Dresch fabrik, auch nicht Saat-, Garben-, Getreide-Fabrik rc. Dagegen werden unsere Leder-, Handschuh-, Stiefel-, Kleider- rc. Fabriken unter das Haftgesetz fallen, sobald sie Maschinen- und Ele mentarkraft zu ihrer Production benutzen. 6. Die Fassung des § 2 weicht in der Bezeichnung des Haftpflichtigen vom § 1 wesentlich ab: hier heißt der selbe „Betriebs-Unternehmer", dort: „Wer rc. betreibt". Die Unterscheidung ist in der Praxis ohne rechtliche Bedeutung, eine mehr sprachliche, als begriffliche. Der Ausdruck „betreibt" ist derselbe wie in der Fassung: Wer ein Gewerbe, ein Hand werk, einen Handel „betreibt". An die technische Bedeutung von „treiben" oder „betreiben", wie sie z. B. die bergmännische oder bergrechtliche Sprache kennt,*) hat das Haftpflichtgesetz in § 2 nicht gedacht. 7. Der Unterschied der Haftpflicht nach § I (der Eisen bahnen) und nach § 2 (der Bergwerks- rc. Unternehmer) ist wesentlich bedingt durch a. die Präsumtion des Verschuldens. — Die Eisenbahnen haften unter allen Umständen an erster Stelle und unmittelbar; nur der Beweis der „höheren Gewalt" oder des „eigenen Verschuldens" des Beschädigten befreit sie von der Haftpflicht, gleichviel, wer den Unfall verschuldet hat. Der Bergwerks- rc. Betreiber dagegen haftet nur im Falle eigenen Verschuldens nach allgemeinen civilrechtlichen Grundsätzen und im Falle des Verschuldens seines „Bevoll mächtigten oder Repräsentanten, oder einer zur Leitung oder Beaufsichtigung des Betriebes oder der Arbeiter angenommenen Person". Die Haftpflicht des Bergwerks- rc. Betreibers ist also weit beschränkter als die Haftpflicht der Eisenbahnen, und zwar *) Vergl. : „Deutsches Bergwörterbuch rc. von Heinr. Veith". (Breslau. 1870) sub voce „Betreiben". Für Bergwerke möchte sich der Begriff „betreiben" als Gegensatz von „Betriebs-Einstellung" annehmen lassen. — Eine rechtliche Streitfrage dürfte sich für die Haftpflicht durch den nach den Berggesetzen zulässigen „Zwang zur Inbetriebsetzung" — (vergl. die Commentare von Dr. R. Klostermann (Berlin. 1871) S. 445 ff. und von Dr. C. F. Koch (Berlin. 1870) S. 141 ff.) — ergeben. Wird der Bergwerksbesitzer, wider seinen Willen und trotz Protestes gegen den „Zwang zur Inbe triebsetzung", durch letztern haftpflichtig für Unfälle, welche bei dem ihm aufgczwungenen Betriebe vorkommen? — 26* LL unrig seitens des Verpflichteten, eine rechtsgiltige Protestation des Berechtigten. Klage-Anträge, welche nicht auf §§ 1. 2 des Haftpflicht gesetzes, sondern andere Gesetze sich gründen, wie namentlich Klagen gegen den wirklich Regreßpflichtigen, unterbrechen die in § 8 festgesetzten Verjährungen nicht.*) Soweit sie unter § 9 des Haftpflichtgesetzes fallen, unterliegen sie zwar derselben Verjährung des § 8, wirken aber keine Unterbrechung der Verjährung gegen die Haftpflichtigen. Selbst die Klage gegen einen von mehreren Haftpflich tigen oder Regreßpflichtigen hat nicht die Wirkung, die Ver jährung gegen die übrigen Pflichtigen zu unterbrechen. Ein entgegengesetzter Antrag ist vom Reichstage abgelehnt worden, und zwar in Zustimmung zu folgenden Ausführungen des Bundes-Regier.-Commissars: Das Amendement gehöre indie Lehre der Verjährung im Allgemeinen. Ein Bedürfniß, das selbe in das Gesetz aufzunehmen, liege nicht vor, weil, wenn verschiedene Personen vom Kläger angegriffen würden, es statthaft sei, die Klagen zu verbinden, zu cumuliren, ja es werde sogar gewünscht, denn darauf beruhe mit die Vorschrift des § 9. Was den Verklagten betreffe, so werde man in der Lage sein, durch Streitverkündigungen, durch Litisdenun- ciationen, die Verjährung zu unterbrechen, und wo das nicht der Fall sei, da gebe es andere Mittel zur Unterbrechung der Verjährung, als die Klage und deren Behändigung. Man habe sich zu hüten, in das Specialgesetz Grundsätze hineinzu tragen, die von der allgemeinen Regel abweichen, wenn es nicht geboten sei.**) — § 9. Die Bestimmungen der Landesgesetze, nach welchen ausser den in diesem Gesetz vorgesehenen Fällen der Unter nehmer einer in den §§ 1 und 2 bezeichneten Anlage oder eine andere Person, insbesondere wegen eines eigenen Ver schuldens für den bei dem Betriebe der Anlage durch Tödtung oder Körperverletzung eines Menschen entstandenen Schaden haftet, bleiben unberührt. Die Vorschriften der §§ 3, 4, 6 bis 8 finden auch in diesen ballen Anwendung, jedoch unbeschadet derjenigen Be stimmungen der Landesgesetze, welche dem Beschädigten einen höheren Ersatzanspruch gewähren. !• Diese Bestimmungen enthielt schon der Regier.-Entwurf y wörtlich gleichlautend. Rur die in Bezug genommenen - ™ r Ģksetzes sind verändert. Der Regier.-Entwurf wurde, rm Anschluß an seine Paragraphenfolge, erläutert: „Der § 7 des Entwurfs berücksichtigt die Fälle, in wel chen, setê es der Inhaber der Anlage, ein bei derselben beschäs- tlgter Offiziant, Arbeiter u. s. w. oder ein Dritter aus eigenem Verschulden wegen einer bei dem Betriebe der Anlage herbei geführten Tödtung oder Körperverletzung in Anspruch genommen Mit der Anwendung der §§ 3 bis 6 auf die Ersatz ansprüche, welche ln den Landesgesetzen ihr Fundament haben, i, E der Entwurf die Vermeidung sonst sich ergebender Unglelchherten. Es kann nicht wohl zulässig erscheinen, den Urheber emer Körperbeschädigung, der als solcher nach dem Landesrecht zu haften hat, in materieller und formeller Be ziehung günstiger zu behandeln, als den, der aus Grund des gegenwärtigen Gesetzes aus der Schuld eines Dritten in An- monaAgcnti# %#ng(gfcit etn%kg( au^Äbigun^glgm ìà ruht drc Verwahrung der Forderung gegen andere Verpflichtete" - — Drucks. Nr. 94. II. — Sten. Ber. S. 621. spruch genornmen wird. Das Maaß der Entschädigung, wel ches der Urheber zu leisten hat, darf nicht geringer sein, als dasjenige, welches dem auferlegt wird, der fremde Schuld zu vertreten hat. Der Erstere darf auch nicht in der vortheilhaf- ten Lage bleiben, daß ihm gegenüber der Schade im Wege der stricten Regeln der partikularrechtlichen Beweistheorie er wiesen werden muß, während derjenige, der nach diesem Reichs gesetze für fremde Schuld verantwortlich gemacht wird, dem freien richterlichen Ermessen sowohl hinsichtlich der Ermittelung des Thatbestandes als der Höhe der Entschädigung sich zu un terwerfen hat. Für die Fälle seiner Anwendung stellt sich so nach der nach § 3 des Entwurfs zuzubilligende Schadensersatz als das Minimum dessen dar, was dem Entschädigten zu leisten ist. Daneben trifft der Schlußsatz Fürsorge, daß dem Berechtigten, sofern derselbe nach dem Landesgesetz einen höheren Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, als der §. 3. des Ent wurfs gewährt, dieser Anspruch nicht entzogen wird." — Mot. 2. Es fragt sich zunächst, welche „Landesgesetze" hier für unberührt erklärt würden? a. Zunächst wird es sich um die strafrechtlichen Laudes gesetze handeln. Das Strafrecht kann jedoch nur von Alin. 1, nicht von Alin. 2 betroffen sein. Denn dasselbe hat seine be sondere Proceßordnuug, welche nach den legislatorischen Quellen des Haftpflichtgesetzes nicht modificirt werden sollte. Alin. 2 des § 9 hat also für die strafrechtliche Verfolgung der in Alin. 1 bezeichneten Beschädigungen keine Geltung. Die Bestimmungen des deutschen Strafgesetzbuchs, welche hier in Rücksicht kommen können, sind: § 222. Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht, wird mit Gefängniß bis zu drei-Jahren bestraft. — Wenn der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Ge werbes besonders verpflichtet war, so kann die Strafe bis auf fünf Jahre Gefängniß erhöht werden. § 230. Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines Andern verursacht, wird mit Geldstrafe bis zu dreihun dert Thalern oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. War der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, vermöge seines Amtes, Berufes oder Gewerbes besonders verpflichtet, so kann die Strafe auf drei Jahre Ge fängniß erhöht werden. § 231. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine au den selben zu erlegende Buße bis zum Betrage von zwei Tausend Thalern erkannt werden. — Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs aus. — Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. § 232. Die Verfolgung leichter vorsätzlicher, sowie aller durch Fahrlässigkeit verursachter Körperverletzungen (§§ 223, 230) tritt nur auf Antrag ein, insofern nicht die Körperver letzung mit Uebertretung einer Amts-, Berufs- oder Gewerbs- pflicht begangen worden ist. — Die in den §§ 195, 196 und 198 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. — Von den hier citirten §§ 195 ff. kommt nur § 195 in Betracht, also lautend: § 195. Sind Ehefrauen oder unter väterlicher Gewalt stehende Kinder beleidigt (verletzt) worden, so haben sowohl die Beleidigten (Verletzten), als deren Ehemänner und Väter das Recht, auf Bestrafung anzutragen. — Die Verjährungsfrist bestimmt § 61: Eine Handlung deren Verfolgung nur auf Antrag eintritt, ist nicht zu verfol gen, wenn der zum Antrage Berechtigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit den Erklärungen des Abg. Lasker: Was „Entstehung" einer Forderung sei, dürfte schwer auseinanderzusetzen sein. Die Regierung wolle von einem Zeitpunkte ab, der an sich juristisch nicht genau fixirt sei, eine Frist von einem Jahre laufen lassen. Da scheine es besser für den Beschädigten zu sein, wenn er den Anfangspunkt der Verjährung genau kenne und wenn von da diese zwei Jahre dauere. Die Frage, un ter welchen Umständen die Nachkommen des Getödteten ein selbstständiges Recht hätten, sei bei § 3 des Gesetzes zu beantworten. Der § 8 entscheide diese Frage nicht, sondern nur: wenn die Nachkommen am Tage des Todes des Verun glückten ein Recht haben, dann solle von diesem Tage die Ver jährungsfrist für ihre Ansprüche laufen, und zwar zwei Jahre, jedoch mit der Voraussetzung, daß, wenn für den Beschädigten selbst der Anspruch am Todestage bereits verjährt sei, seine Erben auch keinen Anspruch weiter hätten. Denn diese hätten nur Rechte aus dem Rechte des Erblassers, und wenn für diesen selbst jedes Recht getilgt sei, und zwar durch Verjährung oder durch Vergleich, oder auf andere Weise, so „können die Nachfolger durch den Todesfall keinen seiner Verpflichtungs gründe nach erloschenem Rechtsanspruch erlangen." — Dagegen könne der Beschädigte gewisse Rechte schon geltend gemacht haben und mit seinem Tode in Folge des bestehenden noch nicht erloschenen Verpflichtungsgrundes ein in seiner Art neuer Anspruch für die Erben eintreten und von ihnen geltend ge macht werden: — „wenn also am Todestage ein Recht für die Erben vorhanden war, so verjährt es in zwei Jahren; wenn jeder Verpflichtungsgrnnd erloschen war, so ist keine Verjährung mehr nothwendig." — *) 3. Bei der Verjährung kann es sich um folgende For derungen handeln: A. Heilungskosten, sowohl wenn sie der Verunglückte selbst fordert, als auch wenn sie die berechtigten Nachfolger (Alimentirten) beitreiben, sind der Verjährung in zwei Jahren vom Tage des Unfalles ab unterworfen. B. Beerdigungskosten unterliegen derselben Verjährung vom Tage des Unfalles ab.**) C. Schadensersatz für den Verlust an Erwerb u. s. w. des Verunglückten selbst: für diese Forderung gilt dieselbe Verjährungsfrist vom Unfalltage ab. D. Schadensersatz für Alimente rc. an gesetzlich Berech tigte. Dieser Anspruch unterliegt der selbstständigen Geltend machung der Berechtigten und zwar mit einer Verjährungsfrist von zwei Jahren, angerechnet vom Todestage des Verun glückten, jedoch wird vorausgesetzt, daß auch der Anspruch des ') Stenogr. Ber. S. 505 f. — Bei der dritten Berathung des Ge setzes im Reichstage wurde die Discussion über die Verjährung wieder und noch lebhafter ausgenommen, und wies der Abg. Windhorst (Berlin) auf die Lage des ältern Rechts und dessen Auslegung durch Obertribunalö- Entscheidung hin. (Sten. Ber. S. 620). — Er zog besonders an § 54 Allg. Landr. Th. f. Tit. 6 und dessen Declaration vom 31. März 1838 (Gesetz- Samml. S. 252) sowie auch Erk. des Ob.-Trib. vom 20. März 1846 (Entscheid. Bd. 13 S. 19. Just.-Min.-Bl. 1846 S. 131). Doch dürften sich Declar. von 1838 und Ob.-Trib.-Erk. von 1846 auf Beschädigungen der bei dem Haftpflichtgesetze in Betracht kommenden Personen gar nicht beziehen, sondern, so weit cs sich um den in Nr. 1 der Declar. v. 31. März 1838 auch erwähnten Bergbau handelt, nur auf Beschädigung an Sachen, namentlich an Grund und Boden, Gebäuden rc. Wenigstens lassen die vorliegenden Rechtsquellen und Commentare diese einseitige Be ziehung annehmen. — Jedenfalls sind diese älteren Bestimmungen, soweit es sich um Haftpflichtfälle handelt, auf die letztern nicht mehr anwendbar nach Erlaß des Haftpflichtgesetzes. — **) In Bezug auf die Beerdigungskosten waren bei den Reichstags- Verhandlungen Zweifel angeregt, die jedoch vom Bundes-Regierungs- Commissar unter stillschweigender Zustimmung des Reichstags dahin erledigt wurden, daß auch für diese die gegen den Verunglückten selbst laufende Verjäbrungsfrist vom Unfalltage ab beginne. — Stenogr. Ber. S. 621. 20 Verunglückten am Todestage noch nicht verjährt oder sonst durch Richterspruch, Vergleich rc. erledigt war (s. o. unter Zus. 2). — Wenn also diese Voraussetzung fehlt, d. h. wenn der Haupt- anspruch des Verunglückten selbst durch Verjährung, Vergleich oder sonst seine Erledigung schon bei dessen Lebzeiten gefunden hat, ohne daß für seinen Todesfall die Ansprüche seiner Erb nachfolger oder gesetzlich Alimentirten gewahrt und vorbehalten waren, so haben auch die letztern nach dem Tode des Verun glückten keine Ansprüche, also auch keine Verjährungsfrist. E. Die in § 7 bezeichneten Anträge und Nachforde rungen: Aushebung und Herabsetzung oder Erhöhung und Wiedergewährung der Rente sowie die Sicherheits-For derung beruhen auf dem Rechtsgrunde eines rechtskräftigen Erkenntnisses, sind deshalb auch an keine Verjährungsfrist gebunden. Im Uebrigen ist dies in § 7 durch den Ausdruck: „jederzeit" ausdrücklich erklärt worden. F. Treten Folgen der Verunglückung erst zwei Jahre nach dem Unfalltage ein, so gilt die Präsumtion, daß dieselben nicht dem Unfälle allein, sondern auch andern concurrirenden Ursachen in Rechnung zu stellen, deshalb auch Ansprüche auf Entschädi gung zu gewähren nicht geeignet seien, oder mit andern Wor ten: auch nach dem Ablauf der zweijährigen Verjährung vom Unfalltage ab eintretende Ansprüche auf Entschädigung sind durch den Ablauf der Verjährung verloren gegangen. Eine entgegengesetzte Ansicht behauptet, daß, wenn der Tod des Verunglückten nicht sofort mit, sondern später, selbst nach Ablauf von zwei Jahren, nach dem Tage des Unfalles als nachweisbare Folge des letztern eintritt, die Alimenten- Berechtigten die ihnen nach § 3 Nr. 1 zustehenden Ansprüche noch innerhalb zweier Jahre nach dem Todestage geltend ma chen können.*) Doch diese Ansicht würde dem oben (s. Zus. 2 zu diesem § 8) nachgewiesenen Sinne des Gesetzesgebers widersprechen. Sollen Ansprüche über die Hauptverjährungs frist (zwei Jahre vom Unfalltage ab) hinaus rechtsgiltig erhal ten sein, so muß dies vom Verunglückten selbst schon während jener Frist durch rechtsgiltige Disposition (Klage-Petitum, Vergleichs-Bedingung) oder durch das richterliche Erkenntniß vorbehalten sein. Können die Alimenten- oder sonstigen Be rechtigten dies nicht nachweisen, und es kommt ihnen auch nicht ein Theil der Hauptverjährungsfrist vom Unfalltage ab zu Gute, so ist jeder ihrer Ansprüche am Todestage verloren. Das Gesetz übt gegen die Rechte der Hinterbliebenen auch bei dieser Auffassung die nöthige Rücksicht, indem es denselben ja mit der Hauptverjährungsfrist vom Unfalltage ab und der Nachfrist vom Todestage ab in máximo einen Zeitraum von vier Jahren weniger einen Tag zur Geltendmachung ihrer Ansprüche gewährt. 6. Entschädigungs-Forderungen, welche auf Grund anderer als der im Haftpflichtgesetze bezeichneten Verschuldungen und Nechtstitel geltend gemacht werden können, unterliegen den be sonderen Landesgesetzen nach Maßgabe des § 9 des Haftpflicht gesetzes (s. u. § 9). — 4. Die Unterbrechung der im § 8 festgesetzten Verjäh rung erfolgt nach den allgemeinen Rechtsregeln, und wird in der neuen Civil-Prozeßordnung ihre nähere Bestimmung sinden. Hierbei ist zu bemerken: Ein Vergleich unterbricht die Verjährung nicht, sondern nur ein Klage-Antrag, eine rechts giltige (gerichtliche oder sonst urkundlich nachweisbare) Anerkcn- *) Vergl. z. B. Endemann, die Haftpflicht rc. S. 77. — Gegen die hier ausgesprochene Ansicht macht sich die Widerlegung geltend, welche der Abg. Laöker (s. o. Zusatz 2 zu § 8) in seiner Erläuterung ausge führt hat. Das Gesetz ist durchaus nach dem Grundsätze zu erklären: Mit dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Tage des Unfalls sind sämmtliche Ansprüche zur Erledigung gekommen durch Verjähning oder Vergleich oder Richterspruch. 8 nicht nur beschränkter in der Präsumtion des Verschuldens hin sichtlich der Personen (subjective» Thatbestandes), sondern auch b. hinsichtlich des objectiven Thatbestandes, der Thatsachen des Verschuldens. Ein Unfall auf den Eisenbahnen ist von diesen zu ver treten, gleichviel, durch Wen und wie er verschuldet ist, ob durch Uebertretung der Betriebs-Ordnung oder von Polizei- vorschriften oder nicht durch solche Contravention. Der Bergwerks- rc. Betreiber haftet dagegen nur für ein Verschulden „in Ausführung der Dienstvorschriften", welche die Bevollmächtigten, Repräsentanten, Leiter, Beaufsich- tiger für ihre Funktion erhalten haben. Die Ausführung von Dienstvorschriften und das bezügliche Verschulden kann po sitiv und negativ, Handlung oder Unterlassung sein, aber immer bildet der Functionskreis des Verschuldenden auch den Kreis der Haftpflicht seines Principals. Wenn ein Dritter sich die Function anmaßt, ohne Auftrag, kann er auch den Berg werks- rc. Betreiber nicht haftpflichtig machen, denn der Dritte handelt eben nicht als Functionär, hat weder Dienst noch Dienstvorschriften. Dagegen verpflichtet jeder der in § 2 ge nannten Functionäre seinen Principal, auch wenn er sich andre Functionen anmaßt, über seine Dienstvorschriften hinausgeht oder hinter denselben zurückbleibt, gleichviel ob die schuldbare Handlung oder Unterlassung zu seinem Functionskreise gehört. Letzterer bildet eben immer nur die Grenze des Zuviel oder Zuwenig in Ausführung der Dienstvorschriften. Die Haftpflicht nach § 2 ist ferner noch beschränkt durch e. die Beweis last. — Nach § 1 liegt dem Beschädigten nur der Beweis der Thatsache der Beschädigung, nicht auch der Verschuldung gegen die Bahnbetriebs-Unternehmer ob. Die Verschuldung des letzter» wird präsumirt bis zum Gegenbe weise der „höheren Gewalt" oder des „eigenen Verschuldens" des Beschädigten. In ß 2 dagegen fehlt die gesetzliche Zulassung der Schuld- Präsumtion gegen den Bergwerks- rc. Betreiber. Der Be schädigte hat nicht nur die Thatsache seiner Beschädigung, sondern auch die Thatsache des Verschuldens bei Ausführung von Dienstvorschriften zu beweisen. Wo der letztere Beweis fehlt, tritt auch die Haftpflicht des Bergwerks- rc. Betreibers nicht ein. Bei den legislatorischen Verhandlungen sind verschiedene Versuche gemacht, die Präsumtion des Verschuldens gegen den Bergwerks- rc. Betreiber in das Gesetz einzuführen, doch sind alle bezüglichen Anträge und Ansichten nicht durchgedrungen, namentlich auch nicht der Antrag:*) „Der Betriebs-Unternehmer haftet ferner, wenn er nicht beweist, daß diejenigen Vorkehrungen getroffen waren, welche bei der Einrichtung und dem Betriebe zur Abwendung eines solchen Unfalles erforderlich sind". 8. In Oesterreich besteht eine Haftpflicht, wie sie in Deutschland durch obigen § 2 gesetzlich geworden, rechtlich noch nicht. Doch hat das dortige Ackerbau-Ministerium die ihm ") Vergl. Drucks. Nr. 65 die Anträge von Lasker und Gen. unter Nr. 2. und Stenogr. Ber. S. 166. S. auch Dr. Endemann: „Die Haftpflicht re." S. 33., wo der oben angeführte Antrag mit einem Druckfehler, nämlich mit „aus" anstatt „und dem Betriebe" wiedergegeben ist. — Hr. Dr. Endemann läßt hier die Annahme eines Verschuldens des Betriebs-Unternehmers durch Unterlassung bezüglich der nöthigen oder betriebsmäßigen Vorkehrungen rc. zu. Eine gesetzliche Präsumtion wäre jedoch diese Annahme keineswegs, vielmehr läge der Beweis des Verschuldens immer dem Beschädigten ob. Daß der Betriebs-Unternehmer selbst durch eigenes Verschulden haftpflichtig für Unfälle werden kann, ist ja übrigens schön nach allgemeinen Rechts regeln selbstverständlich. DaS wesentliche Moment bleibt immer, daß eine Präsumtion solches Verschulden nirgends im Gesetze statuirt worden ist. untergebenen Berghauptnramrschasten aufgefordert, mit Zu grundelegung allfättiger geeigneter Einvernehmungen in Er wägung zu ziehen und zu beachten, ob es sich empfehlen lasse, auch bezüglich der Haftbarkeit bei dem Bergbau, bei Stein brüchen oder Gräbereien auf Sand, Lehm u. s. w. ein ähn liches Gesetz vorzubereiten, wie das beigefügte deutsche Gesetz vom 7. Juni 1871?"») In dem urtheilssähigsten Organe der Fachwissenschaft in Oesterreich, der „Oesterr. Zeitschrift für Berg- und Hütten wesen" (1871 Nr. 48), spricht Hr. Dr. O. Frh. v. Hingenau, eine berühmte Autorität auch der Praxis des Bergbaus, vor läufig aus, daß er „nicht absolut gegen ein Haftpflichtgesetz sei, werde man schon aus der Einleitung der von ihm im ge nannten Organe gebrachten Mittheilungen über das deutsche Gesetz erkennen; aber die Schwierigkeit liege in einer klaren und gerechten Fassung desselben". — Diese Schwierigkeit ist vom deutschen Gesetze allerdings nicht überwunden. — Das österreichische Gesetzprojcct erstreckt sich auch auf Fabriken rc. und sind die dortigen Handels- und Gewerbe- kammern zu gutachtlicher Aeußerung aufgefordert. Auch diese haben sich im Allgemeinen nicht gegen das Project, jedoch zugleich die Bitte ausgesprochen, daß ihnen der bezügliche Ge setz-Entwurf, bevor er der legislativen unterzogen wird, zur Begutachtung zugewiesen werde". — Auch in Deutschland ist seiner Zeit diese Bitte von allen berufenen Organen der Interessentenkreise des Bergbaus und der Industrie ausgesprochen, doch nur sehr spärlich beachtet worden, was offenbar dem Gesetze vom 7. Juni 1871 nach theilig gewesen ist. — 9. In Belgien ist von dem Tribunal zu Brüssel kürzlich ein Präjudiz abgegeben, das die Haftpflicht eines Betriebs- Unternehmers ganz allgemein proclamirt. In dem Falle einer Dampfkessel-Explosion, bei welcher Arbeiter-Familien in Schaden gekommen waren, hat das Tribunal entschieden,**) daß ein Hütten-Besitzer (un propriétaire d' usine) für den in seinem Etablissement durch Maschinen verursachten Schaden hafte, auch ohne Nachweis des geringsten Fehlers oder leichtesten Ver sehens in seinem Betriebe (dans sou chef), selbst wenn der Unfall durch Fehlerhaftigkeit des Materials herbeigeführt wäre; den Haftpflichtigen befreie nur der Beweis der Unmöglichkeit der Verhütung des Unfalls, der höheren Gewalt" (force ma jeure) oder „äußeren Zufalls" (cas fortuit). 10. Keine Bestimmung des Haftpflichtgesctzes hat in den urtheilsfähigen Interessentenkreisen und in der Fachpresse mehr Kritik und Verwerfung erfahren, als der vorliegende § 2.***) *) Vergl. „Oesterreichischc Zeitschrift für Berg- und Hüttenwesen". 1871. Nr. 46. 48. 50. **) Vergl. Moniteur des intérêts matériels. 1871. p. 386. Jurispendence. "") Die Kritik im Allgemeinen zusammenfassend werden folgende Druckschriften angezogen: Ueber den Entwurf eines Reichsgesetzes betr. die Haftpflicht rc. Aus Baiern, 10. April. - (Berggeist. 1871. S. 177 ff.) Bemerkungen zum Entwurf des Gesetzes, betr. die Verbmdückkett zum Schadenersatz rc. Von einem baierischen Bergbeamten (a. a. O. S. 191 f.) Die Unternehmer-Haftpflicht. (Aus Lugau im Kgr. Sachsen abge sandter Protest verschiedener Steinkohlenwerke (a. a O. S. 204). Petition mit Denkschrift an den hohen Reichstag rc. rc. von 554 Interessenten aus Preußen, Baiern, Sachsen, Sachsen-Meiningen, Nassau rc. (im Auszuge commentirt von Rich. v. Swaine, Mitgl. des Reichstags, mitgetheilt a. a. O. Ş. 187 s.) — Als „eine beachtenswerthe Darstellung in Betreff der legislat. Be handlung des Bergbaues" wird in Dr. Endemann's Commentar Ş. 6 angeführt die Dissertation: „A. Frantz, die Haftbarkeit und Entschädi gungspflicht bei den Verunglückungen ' des Bergbaues. Jena 1869", — (veröffentlicht in: „Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik rc. von B. Hildebrand". 1870. Bd. I. S. 36—77). 16 getroffenen Maßnahmen zur Erledigung ihrer Haftpflicht (s. o. § 4 Zus. 2) sich nicht auf Personen beziehen, welche „in der Ausübung deö EifeubahubetriebsdienfteS be griffen" sind. § 6. Das Gericht hat über die Wahrheit der thatsächlichen Behauptungen unter Berücksichtigung des gesummten Inhaltes der Verhandlungen nach freier Ueberzeugung zu entscheiden. Die Vorschriften der Landesgesetze über den Beweis durch Eid, sowie über die Beweiskraft öffentlicher Urkunden und ge richtlicher Geständnisse bleiben unberührt. Ob einer Partei über die Wahrheit oder Unwahrheit einer thatsächlichen Behauptung noch ein Eid aufzulegen, sowie ob und in wieweit über die Höhe des Schadens eine beantragte Beweisaufnahme anzuordnen oder Sachverständige mit ihrem Gutachten zu hören, bleibt dem Ermessen des Gerichtes überlassen. 1. Dem wesentlichen Inhalte nach war dieser § 6 des Gesetzes schon in § 5 des Regierungs - Entw. enthalten. So weit die Uebereinstimmung reicht, sind die „Mot." noch jetzt an erster Stelle zu beachten. Es heißt in denselben: „In dem überwiegend größeren Theile des Bundesgebiets bestehen für den bürgerlichen Proceß noch positive Regeln über die Wirkung der Beweise. Die Anwendung dieser Regeln auf die hier in Rede stehenden Rechtsstreitigkeiten würde bei der Schwierigkeit eines formell ausreichenden Beweises, insbeson dere hinsichtlich der Verschuldung (§ 2 des Entwurfs) und für die Höhe des Schadens, die Wirksamkeit des Gesetzes beein trächtigen und vielfach gänzlich lähmen. Die Ueberzeugung, daß auch in Civilprocessen dem Richter eine freie Würdigung der Thatsache zustehen müsse, ist gegenwärtig fast ausnahms los zur Herrschaft gelaugt, und in den bedeutenden, in den letzten Jahren in Deutschland zur Umgestaltung des bürger lichen Verfahrens unternommenen gesetzgeberischen Arbeiten überall zum Ausdruck gebracht (vergl. § 42 Í Preuß. Eutw. v. 1864, §§ 306, 307. Hanuov. Entw., §§ 455, 457. Norddeutschen Entw., Art. 345, 330 der Civil-Proe.-Ordn. für Baiern u. a. m.). Ungeachtet der hinsichtlich des Vortrags des that sächlichen Materials und des Beweisvcrsahrens, fast ausschließ lich schriftlichen Natur des Preußischen Civilprocesses, hat die in einzelnen Preußischen Specialgesetzen deut Richter anheim gegebene freie Würdigung der Thatsachen in der Anwendung sich ebenfalls überall bewährt (vergl. §§ 111, 375 ff. der Konkurs - Ordnung vom 8. Mai 1855, § 17 des Gesetzes vom 9. Mai 1855). Aus der überwiegend schriftlichen Natur deö in den meisten Bundesstaaten wenigstens zur Zeit noch gel tenden Civilprocesses wird daher kein maßgebender Einwand gegen den Inhalt des Entwurfes hergeleitet werden können. Die einzelnen, in den ersten beiden Absätzen des § 5 des Ent wurfes enthaltenen Bestimmungen fassen im Wesentlichen den Inhalt der §§ 455, 457 und 633 des Norddeutschen Civil- Proceß-Entwurfs zusammen. Hinsichtlich des Beweises durch Eid, sowie der Beweiskraft öffentlicher Urkunden und gericht licher Geständnisse war es bei den Vorschriften der Landesgesetze zu belassen. Von der Zulassung eines besonderen Gerichts standes etwa in der Weise, wie der § 64 des Norddeutschen Entwurfs und der § 708 des bürgerlichen Gesetzbuchs für das Königreich Sachsen denselben für Forderungen aus unerlaubten Handlungen bestimmt, ist Abstand genommen. Als selbstver ständlich darf vorausgesetzt werden, daß der Richter bei Ab schätzung deö Schadens auch darauf werde Rücksicht zu nehmen haben, ob etwa dem Verletzten oder denHin- terbliebeuen desGetödteten, insbesondere aufGrund von Leistungen des Ersatzpflichtigen, Pensions oder sonstige Entschädigungs-Ansprüche zur Seite stehen. Nur die Schadloshaltung, nicht die Bereiche rung des Beschädigten kann das Gesetz im Auge haben. 2. Die hier gegebenen Vorschriften erstrecken sich aus schließlich auf die Geltendmachung der in §§ 1 bis 3 bezeich neten Verschuldungen und dadurch begründeteu Haftpslichtan- sprüche, und zwar ausschließlich aus das dazu eingeleitete Civil-Proceßverfahren. Auf den Straf-Proceß behufs straf rechtlicher Verfolgung haben sie keine Beziehung. — Das Civil - Proceßverfahren ist an sich unberührt geblieben: so weit bestimmte Arten und Formen deffelben je nach dem Streitobjccte (Bagatell-, Mandats-, summarischer oder ordent licher Proceß) oder nach andern Umständen zu beobachten sind, gelten sie auch für die Haftpflicht-Ansprüche. Nur ist Auf nahme, Prüfung und Würdigung der Beweise über die that sächlichen Voraussetzungen der Anwendung des Haftpflichtgcsetzes befreit von allen Positiven und wissenschaftlichen Regeln der Beweistheorie, namentlich der Wirkung der Beweise, und dem freien Ermessen des Richters anheimgegeben; nur bezüglich der Beweiskraft der öffentlichen Urkunden und gericht lichen Geständnisse sowie bezüglich des Eides als Be weismittel ist er an die bestehenden Landesgesetze gewiesen. Im Uebrigen steht das ganze Verfahren unter seiner Leitung und Beurtheilung und seine Entscheidung ist der schließliche Ausdruck seiner richterlichen Ueberzeugung auf Grund des ge- sammten Inhalts der Verhandlungen. Die Function des Rich ters faßt also gewissermaßen den gelehrten Richter und den sachverständigen Geschwornen in eine Person zusammen, wie dies auch bei Injurien und minder strafbaren Gesetzverlctzungen der Fall ist. Anträge, welche dieser Zusammenfassung des Richters der That- (Schuld-) und der Rechtsfrage widersprachen, sind von den Antragstellern zurückgezogen worden.*) 3. Wenn dem Richter in § 6 die Entscheidung „über die Wahrheit" der thatsächlichen Behauptungen übertragen ist, so ist natürlich die Entscheidung über die Unwahrheit ihm nicht entzogen worden. Im ursprünglichen Entwürfe war auch aus drücklich gesagt: „über die Wahrheit oder Unwahrheit u. s. w." Die Streichuug der beiden Worte bei der Schlußredaction des Gesetzes ist bedeutungslos, zumal dieselben im Alin. 3 des § 6 stehen geblieben sind. 4. Der Entwurf hatte hinter den Worten: „unter Berück sichtigung des gesummten Inhalts der Verhandlungen" noch den Zusatz: „sowie des Ergebnisses einer etwaigen Beweis aufnahme". Der Wegfall dieser Worte hat keineswegs die Bedeutung, daß dem Richter die Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme entzogen sein soll, vielmehr ist es bei der *) Es beantragte nämlich: ' 1. Abg. Lasker: „Der Reichstag wolle beschließen, den Reichs kanzler aufzufordern, darauf Bedacht zu nehmen, daß die Deutsche Civil- Proceß-Ordnung für Streitigkeiten, welche nach den Proceßgrundsätzen dieses Gesetzes zu entscheiden sind, die Mitwirkung von Laien (Geschwore nen, Schöffen) anordne, namentlich soweit die Feststellung der Entschädi- gungöpflicht, die Höhe und die Art des Schadenersatzes in Betracht kommen". — Drucks. Nr. 76. I. 1. — Dieser Antrag wurde zurückgezogen. Bergt. Stm. 0cr. 6 653. 654). 2. Abg. Biedermann: „Dre Zuziehung von Sachverständigen muß jedoch erfolgen, wenn eine der beiden Parteien es verlangt. In diesem Falle steht jeder Partei die Ernennung der gleichen Zahl von Sach verständigen, dem Gerichte die Bestellung eines Obmannes zu". — (Drucks. Nr. 71. III. 3. — Auch dieser Antrag wurde zurückgezogen. Bergt. Sten. Ber. S. 499). — Mit der Zurückziehung sind jedoch Ansichten und Tendenzen der An träge nicht aufgegeben worden, vielmehr ist jene nur erfolgt, um die an geregten Fragen der Zuziehung von Geschworenen, resp. Sachverständigen, der definitiven und allgemeinen Regelung und Entscheidung der neuen Civilproceß-Ordnung zu überlassen. (Sten. Ber. S. 494. 654). auch Eisenbahnen nennt, die aber keine andere Bedeutung haben, als jedes Geleise unter der Erde im Bergwerke. Aber es giebt auch noch andere Eisenbahnen, die zum Betriebe einer Hütte dienen, die zur Förderung von einem Bergetablissement nach einem Hüttenetablissement im weitesten Sinne reichen, — diese Eisenbahnen werden vermöge ihrer Natur auch unter das allgemeine Polizeiliche Eisenbahn-Reglement und damit unter § 1 des Haftpflichtgesetzes fallen." *) Nach unserer Ansicht ist der Streit über den Begriff „Eisenbahn" hier ziemlich überflüssig. Denn de lege ferenda, aus allen Vorverhandlungen des Gesetzes ist es bekannt und unzweifelhaft, daß nur die Eisenbahnen gemeint und getroffen werden sollten, welche den Transport von Gütern und Perso nen gewerblich, d. h. gegen Lohn betreiben, welche öffent liche Verkehrs-Wege und Mittel sind. Das Kriterium der von § 1 betroffenen Eisenbahn wird hiernach die Thatsache sein, ob und daß die letztere unter den von Staatswegen erlassenen Betriebs- und Bahnpolizei-Reglements steht. Für den Norddeutschen Bund waren und sind dies das Bahnpolizei-Reglement vom 3. Juni und das Betriebs- Reglement vom 10. Inni 1870, **) in Kraft getreten resp. am 1. Januar 1871 und am 1. October 1870. Diese Re glements sind auch von den übrigen deutschen Staaten adoptirt oder durch analoge Verordnungen ersetzt worden. Alle Eisen bahnen, welche diesen Reglements nicht unterstellt sind, fallen nicht unter § 1, sondern als gewerbliche oder maschinelle Hilfs- anlagen unter § 2 des Haftpflichtgesetzes, wonach sich die in den obenangeführten Aeußerungen des Regiernngs-Commissars erörterten Streitfragen auf sehr Präcise Weise erledigen. 3. Mit vorstehender Bestimmung des Begriffs „Eisen bahn" im Sinne des § 1 ist auch außer Zweifel gestellt, was unter dem Ausdruck: „bei dem Betriebe" zu verstehen sei. Nämlich alle Handlungen und Ereignisse, welche bezüglich der Eisenbahnen durch die vom Staate erlassenen Reglements ge ordnet sind und berührt werden, machen den „Betrieb" der Eisenbahn aus. Es fallen also unter denselben nach dem Bahnpolizei-Reglement vom 3. Juni 1870 die Arbeiten zur Herstellung, Unterhaltung und Bewachung der Bahn (§§ 1 — 6), zur Einrichtung und Unterhaltung der Betriebs mittel (§§ 7 —18), zur Handhabung des Betriebes (§§ 19— 50); ferner das Verhalten des Publikums (§§ 51—71) und die Handlungen der Bahn-Polizei und Beaufsichtignng (§§ 72—79). In gleicher Weise wird Begriff und Umfang des Betriebes^ bestimmt durch das Betriebs-Reglement vom 10. Juni 1870, indem zum Betriebe gehören: 1. die Pflichtans- übung des Dienstpersonals (§§ 1 — 6); die Beförderung von Personen in allen damit verbundenen Handlungen und Ereig nissen (§§ 7 — 23), ebenso die Beförderung des Reisegepäcks (§§ 24—33), der Transport von Leichen (§ 34), Equipagen und andern Fahrzeugen (§§ 35—39), lebenden Thieren (§§ 40—45); ferner II. alle bei der Beförderung von Gütern (§§ I—26) vorkommenden Handlungen und Ereignisse. Alle Zweifel, ob Ereignisse oder Handlungen zum Be- *) Und zwar, — setzt der Commissar des Bundesraths hinzu, — „aus folgendem ganz einfachen Grunde. Wenn auch durch die Bahn nur die eigenen Producte des Bergwerks-Besitzers weggeschafft werden nach der eigenen Hütte, um dort mit verbrannt zu werden, so bleibt doch immer die Gefahr nicht blos für die Beamten, sondern auch für alle dritte Per sonen dieselbe, wie bei allen andern Eisenbahnen; auch über solche Eisen bahnen muß von den Leuten, die rechts und links der Eisenbahn wohnen, hinweggefahren werden bei den Durchlässen. Diese Bahnen sind meines Er achtens also auch Eisenbahnen im Sinne des Gesetzes. Wo die Linie zu ziehen ist zwischen den beiden Kategorien, das bin ich nicht im Stande a priori zu sagen, das ist Sache des concreten Falles". — Sten. Ber. S. 451. **) Vergl. Bundes-Gesetzblatt 1870 Nr. 23 und 24. triebe gehören oder „beim Betriebe" geschehen, erledigen sich nach obigen Bestimmungen durch die Feststellung, ob sie in Ausführung und Beobachtung der Bahnpolizei- und Betriebs- Reglements vorgenommen und vorgekommen sind. Vor- und Unfälle, welche in gar keiner Verbindung mit dem Transporte stehen, gehören auch nicht zum Betriebe, wie z. B. der ganze innere Betrieb der Werkstätten für Maschinenbau u. s. w. Das Kriterium ergiebt sich hier durch die Entscheidung der Frage, ob die Dinge, welche Veranlassung zu dem Vor- und Unfälle gegeben, mit der Eisenbahn, d. i. den Schienengeleisen und ihrer Benutzung zum Transport, in nothwendigem Be triebs-Zusammenhänge stehen, sei es in Bewegung oder Ruhe, ob sie nicht ebenso gut als selbstständige Anlagen bestehen und betrieben werden können, wie Werkstätten, Material-Nieder lagen, Güterschuppen rc., Beamten-Wohnungen, Restaurationen u. s. w. So wird z. B. ein Arbeiter, der bei der Arbeit innerhalb der Werkstätte beschädigt wird, nicht nach § 1, sondern nur nach § 2 des Haftpflichtgesetzes entschcidiguugsbe- rechtigt; fährt er aber z. B. eine Locomotive, einen Wagen rc. außerhalb der Werkstätte auf den Schienen, deren Benutzung unter den Bahnpolizei- und Betriebs-Reglements steht, und wird dabei beschädigt, so kommt ihm § 1 zu Gute. Ein Passagier, der außerhalb der Grenzen des Terrains, das er nach jenen Reglements beschreiten darf, verunglückt, hat keinen Anspruch auf Entschädigung, er ist durch eigene Schuld verunglückt. Einem Passagier, der in Erwartung des von ihm durch Billet belegten Zuges im Wartezimmer verun glückt, z. B. durch Einsturz einer Decke, einer Wand rc., steht § 1 des Haftpflichtgesetzes zur Seite, denn die Wartezimmer gehören zu den Betriebs-Ein- und Vorrichtungen und das Re glement vom 10. Juni 1870 (§ 14) gestattet den Aufenthalt in denselben. Betritt man jedoch die Wartezimmer wider das Reglement, so ist dies eine Handlung, welche nicht zum Be triebe der Eisenbahn gehört, also auch nicht unter § 1 des Haftpflichtgesetzes fällt. Eine allein reisende Dame, welche einen Platz im Damencoupö verlangt, aber nicht erhält (§ 12 Reglern.), dann aber von Männern verletzt oder sonst entschä- diguugsberechtigt wird, kann das Haftpflichtgesetz gegen die Eisenbahn anrufen. In ähnlicher Weise wird sich die Frage, ob der Vor- und Unfall „beim Betriebe" im Sinne des Gesetzes vorge kommen, fast ohne Ausnahme nach der Heranziehung und An wendung der Bahnpolizei- und Betriebs-Reglements entschei den lassen. Manche Fälle sind übrigens schon durch die Erkenntnisse des Ober-Tribunals entschieden. Diese Entscheidungen sind, bei dem legislatorischen Quellenznsammenhange des § 25 des Preuß. Eisenbahngesetzes vom 3. Novbr. 1838 mit § 1 des Haftpflichtgesetzes noch immer beachtenswerth. So ist durch Erk. des Ob. - Trib. vom 21. April 1854 (Präj. Nr. 2517) entschieden, daß die Ersatzpflicht der Eisen bahn-Verwaltung nicht voraussetze, daß „die Person en- und Güterzüge sich gerade in Thätigkeit befinden", vielmehr genügt schon jede andere Bewegung des Betriebs - Materials auch außerhalb des Zugdienstes. In dem dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Falle war ein Wagen mit einer zum Wassereinnehmen in Bewegung gesetzten Locomotive auf einem ungesperrten Uebergange zusammengestoßen. — Dagegen for derte eine Entscheidung vom 7. Juli 1852, daß die Beför derungsmittel in Thätigkeit (Bewegung) sein müssen, wenn ein dadurch veranlaßter Schade ersatzberechtigt werden solle. In dem betreffenden Falle hatte sich ein Pferd an der reglements- it Redaction des Gesetzes als selbstverständlich angenommen, daß die Beweisaufnahme zu dem „gesummten Inhalte der Ver handlungen" gehöre; auch ist in Alin. 3 des § 6 des Gesetzes dies indirect ausgesprochen worden. 5. Die in 8 6 gegebenen Regeln gelten für alle Richter- Instanzen; im Uebrigen ist die allgemeine Regelung des Verfahrens der Civil-Prozeß-Ordnung zu entnehmen, nament lich auch über den „Beweis durch Eid". Dieser Beweis ist nach wie vor den Parteien anwendbar, und ist also die Zu schiebung und Zurückschiebung des Eides im Vorverfahren zulässig. Dagegen steht den Parteien kein Recht zu, die Verstattung zum Erfüllungs- oder Reinigungs-Eide zu fordern. Dies Recht ist durch Al. 3 des § 6 aufgehoben, indem hiernach dem freien Ermessen des Richters anheimgegeben ist, ob derselbe der einen oder der andern Partei noch einen Eid zur Ergän zung der vorgebrachten Beweise vor oder in seiner Entscheidung auflegen will. Es ist ferner dem Richter freigestellt, alle Beweisaufnah men, gleichviel, ob sie von einer Partei beantragt sind oder nicht, bewirken zu lassen, und zwar auch selbstständig, ohne daß ein förmlicher Proceß bereits mit einer Klage eingeleitet worden ist. Es gehört hierher besonders die „Einnahme des Augenscheins" und die „Aufnahme des Beweises zum ewigen Gedächtniß." Wie diese Beweismittel in je dem andern Processe benutzt und beantragt werden können, sind sie auch für den Haftpflicht-Proceß nicht ausgeschlossen, wes halb ein hierauf bezüglicher Antrag*) vom Reichstage mit Recht abgelehnt worden ist. Sowohl die bestehenden Gesetze, als auch die in Berathung begriffene neue Civil-Proceß-Ordnung des Nordd. Bundes enthalten über die fr. Beweismittel allge meine Vorschriften. Bei Bergbau-Unfällen kommen zudem Vorschriften der Bergpolizei**) zur Anwendung, welche it. A. auch eine amtliche Ermittelung der Ursachen, des Verlaufs rc. der Unfälle vorschreiben. Die betreffenden Verhandlungen sind in der Regel geeignet, die oben bezeichneten Beweismittel mehr oder weniger sactisch zu ersetzen. — Auch sind überhaupt bei allen Unfällen mit Beschädigung von Menschen allgemeine po lizeiliche Feststellungen über den Thatbestand vorgeschrieben, so bald sie strafrechtliche Verfolgungen veranlassen könnten. § 7. Das Gericht hat unter Würdigung aller Umstände, über die Höhe des Schadens, so wie darüber, ob, in welcher Art und in welcher Höhe Sicherheit zu bestellen ist, nach freiem Ermessen zu erkennen. Als Ersatz für den zukünftigen Unter halt oder Erwerb ist, wenn nicht beide Theile über die Ab findung in Capital einverstanden sind, in der Regel eine Rente zuzubilligen. Der Verpflichtete kann jederzeit die Aufhebung oder Min derung der Rente fordern, wenn diejenigen Verhältnisse, welche die Zuerkennung oder Höhe der Rente bedingt hatten, in zwischen wesentlich verändert sind. Ebenso kann der Ver letzte, dafern er den Anspruch auf Schadenersatz innerhalb der Verjährungsfrist (§ 8) geltend gemacht hat, jederzeit die Er- *) Der Abg. Lesse hatte nämlich zu § 2 des Entwurfs folgenden Zusatz beantragt: „Der Beschädigte sowie der Betriebsunternehmer kann sofort nach geschehenem Unfälle die Ursache desselben durch Einnahme des Augenscheins so wie durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen feststellen lassen. — Der hierauf gerichtete Antrag ist innerhalb acht Tagen nach dem Unfälle beim Richter des Ortes anzubringen. Ueber diesen Antrag wird die Gegenpartei, wenn sie am Orte anwesend ist, gehört". — (Drucks. Nr. 75.) — Dieser Zusatz wurde jedoch abgelehnt. — Sten. Ber. S. 482. **) Vergl. Allg. Berggesetz vom 24. Juni 1865 §§ 204 ff. — Mit Bezug auf diese Bestimmungen sind für die Revier- (Bergpolizei-) Be amten besondere Instructionen erlassen. "Bad 1341 “«lg höhung oder Wiedergewährung der Kente fordern, wenn die Verhältnisse, welche für die Feststellung, Minderung oder Auf hebung der Rente maassgebend waren, wesentlich verändert sind. Der Berechtigte kann auch nachträglich die Bestellung einer Sicherheit oder Erhöhung derselben fordern, wenn die Vermögens Verhältnisse des Verpflichteten inzwischen sich ver schlechtert haben. 1. Von dem vorstehenden § 7 des Gesetzes enthielt der Regier.-Entwurf § 5 nur den Satz: „Auch unterliegt es dem richterlichen Ermessen, ob ein Schadensersatz in einer Rente oder in Capital zuzubilligen ist." — Dieser Satz selbst erscheint überflüssig, da schon in § 6 des Gesetzes das Arbitrium des Richters auch in Bezug auf Würdigung des Schadens anerkannt ist. Im Uebrigen finden sich ähnliche Vorschriften bereits in ältern materiellen und for mellen Rechtsbestimmuugen über Schadenersatzforderungen. *) 2. Dem Gerichte steht nach § 7 die Bestimmung der Höhe des Schadens nach freiem Ermessen zu. Ob und wie es sich die Ueberzeugung von der Nichtigkeit seines Er messens verschaffen will, bleibt ihm völlig frei überlassen. Es kann auch dem Beschädigten einen Eid zum Beweise der Höhe des Schadens auflegen, und insofern kann man nicht sagen, daß „der Wllrderungseid (juramentum in litem) für die Processe nach diesem Gesetze völlig abgeschafft sei."**) Das Wesent liche des Schätzungseides besteht auch für die Haftpflicht-Pro cesse fort, wenn auch die Vorschriften der Landesgesetze über den Schätzuugseid (jur. in litem) für aufgehoben zu erach ten sind. 3. Der Richter hat ferner völlig frei zu ermessen, „ob, in welcher Art und in welcher Höhe Sicherheit zu bestellen ist." Die Sicherheitsbestellung oder Cautious - Leistung ist im materiellen und formellen Civilrechte theils gesetzlich bestimmt, theils dem Ermessen des Richters überlassen, in allen Fällen aber bezüglich der Realisirung vom Antrage des Berechtigten oder Verpflichteten abhängig. Weder jene gesetzlichen Bestim mungen , noch diese Anträge der Parteien sollen bei Haftpflicht- Leistungen für den Richter maßgebend sein, vielmehr ist Be dürfniß, Art und Höhe der etwa zu bestellenden Sicherheit *) Vergl. z. B. §§ 119, 122, 126, 101, 102 Allg. Landrecht Th. 1. Tit. 6., und besonders hinsichtlich des Wittwen- und Waisen-Unterhalts sowie anderer zu gesetzlicher Alimentation berechtigter Personen bei tödt- lichen Unfällen §§ 107, 108, 109. Der obige § 7 schließt sich § 457 des Nordd. Civil-Proceß- Ordnungs - Entwurfs an. **) Vergl. Dr. Endemann, die Haftpflicht rc. S. 68, wo deducisi wird, daß das jur. in litem für Haftpflichtprocesse abgeschafft worden sei. Es wird dort ausgeführt, daß § 457 des Nordd. Civ. -Proc. - Ordn. - Entw. den Passus enthalte: „Das Gericht kann anordnen, dass der Beweisführer den Schaden eidlich schätze". — Dieser Passus sei in den § 7 des Haft pflichtgesetzes nicht übernommen worden, deshalb habe er keine Geltung für Haftpflichtprocesse. - Da das jur. in litem unseres Wissens in allen ältern Proceß-Ordnungen Deutschlands und auch in den neueren Ent würfen beibehalten worden ist, so besteht es kraft allgemeiner Proceßvor schrift auch für Haftpflichtprocesse fort. Der Würderungö- oder Schätzungs eid ist zudem das einzige Beweismittel, wenn aus andere Weise der Schaden nicht auögemittelt werden kann; daß dies einzige Beweismittel dem Richter der Haftpflichtprocesse entzogen sein soll, ist weder in den legislatorischen Quellen gesagt, noch nach §§ 6 und 7 des Gesetzes anzu nehmen. Ist dem Richter nach § 6 jede Beweisaufnahme auch über die Höhe des Schadens freigestellt, so muß ihm auch die Auflegung des Schätzungseides gestattet sein, schon weil ihm die Auflegung jedes Eides zukommt? Die Eides-Form oder Norm kommt dabei gar nicht in Be tracht. — Vergl. auch § 431 des Nordd. Entwurfs von I860, wo die Vorschriften der Landesgesetze über den Schätzungseid (jur. in litem) ausdrücklich aufgehoben sind, dem^ Richter aber allgemein überlassen ist, dem Beweisführer „die eidliche Schätzung des Schadens oder des In teresse" aufzugeben. — Es handelt sich also schließlich nur um die „Be zeichnung" des Eides. — 5 sich der Begriff der „höheren Gewalt" nicht fairen lassen noch eine Fassung ermöglichen, welche auch nur annäherungsweise der Tendenz des vorliegenden Gesetzes genügte. Wenn irgendwo, muß hier dem höchstinstanzlichen Richterspruch die Entscheidung überlassen werden.*) c. Im Anschluß an die Befreiung des Haftpflichtigen durch den Nachweis der „höheren Gewalt" hat man zur Be schränkung dieser Befreiung folgenden Zusatz beantragt: „Der Betriebs-Unternehmer haftet insbesondere auch für die durch seine Angestellten und Arbeiter bei Gelegenheit ihrer Dienstverrichtungen verursachten Beschädigungen eines Menschen". Dieser Antrag ist aber abgelehnt worden, und mit Recht, da nach Art. 400 des Handelsgesetzbuchs auch der Frachtführer haftet für seine Leute und für andere Personen, deren er sich bei Ausführung des von ihm übernommenen Transports bedient. Angestellte und Arbeiter stehen beim Bahn-Betriebe hin sichtlich der Haftpflicht des Unternehmers in demselben Ver hältniß zu letzterem, wie Locomotiven oder andere Betriebs mittel. Im Uebrigen sprach schon zu § 25 des preuß. Eisen bahngesetzes vom 3. Novbr. 1838 ein Erkenntniß des Ober- Tribunals vom 13. Novbr. 1857 (Entscheid. Bd. 37 S. 32) aus: „Die Eisenbahn-Gesellschaften als solche sind wegen des aus Unterlassung der ihnen gesetzlich obliegenden Einrichtungen und Sicherheitsmaßregeln einem Dritten entstandenen Schadens dem Beschädigten unmittelbar verantwortlich und daher nicht berechtigt, denselben an die Repräsentanten oder Beamten, durch deren Schuld jene Einrichtungen oder Sicherheits-Maßregeln nicht getroffen sind, zu verweisen". Der Grundsatz der Vertretung der Angestellten und Ar beiter durch den Betriebs-Unternehmer, wie ihn der oben an geführte Antrag dem Gesetze einverleiben wollte, war also schon unter dem eine legislatorische Quelle ersten Ranges für das Haftpflicht-Gesetz bildenden § 25 eit. in höchster Nichterinstanz anerkannt. d. Der Nachweis des „eigenen Verschuldens" wird sich in den meisten Fällen auf die Thatsache der Uebertretung und Verletzung der Polizei- und Betriebs-Reglements seitens des Beschädigten beziehen und beschränken. Dennoch können Fälle vorkommen, in denen dieser Nachweis nicht genügt, um die Haftpflicht abzuweisen. Es wird dabei hauptsächlich auf den Vorsatz des Beschädigten ankommen, sich in die Lage zu versetzen, welche ihm den Entschädigungsanspruch absprechen soll. So wird z. B. ein Passagier, der ohne Erlaubniß der competenten Beamten einen Bahnzug ohne Lösung eines Billets benutzt, von vornherein jedes Entschädigungsanspruchs verlustig. Denn er befindet sich nicht „beim Betriebe der Bahn", er *) Wir erinnern hier an einen Fall, der auch nach dem vorliegenden Hastpflichtgcsetze schwer zu entscheiden sein möchte. Im November 1865 hatte die Appellkammer des Landgerichts zu Elberfeld eine Frau wegen fahrlässiger Tödtung eines Eisenbahn-Arbeiters zu bestrafen. Diese Frau fuhr auf der Eisenbahn von Station Haan nach Vohwinkel und warf während der Fahrt ein Bündel von Gemüsepflanzen aus dem Fenster des Eisenbahnwagens zur Empfangnahme seitens eines ihrer Angehörigen. Das Bündel, durch die rasche Fahrt in der Wurfkraft verstärkt, traf einen der dort dienstlich beschäftigten Eisenbahn-Arbeiter so unglücklich auf den Leib, daß derselbe an einer Unterleibs-Entzündung erkrankte und — starb. — War in diesem Falle die Eisenbahn haftpflichtig? — Der Arbeiter war in Dienstarbeit, welche unzweifelhaft zum Betriebe der Bahn gehörte. Er wurde also „beim Betriebe der Bahn" getödtet. Die Ursache seines Todes war ebenfalls „beim Betriebe der Bahn" erfolgt, jedenfalls aber war sie ein „unabwendbarer äußerer Zufall", der den Betriebs-Unternehmer haftpflichtfrei machte, während die Dienstarbeit des Getödteten die Haft pflicht begründete. In diesem Falle wäre nach der Tendenz des vorliegenden Gesetzes der Schadensanspruch des Getödteten gegen die Bahn begründet gewesen und dieser letzter» hätte nur der Regreß gegen die Urheberin des Todes zugestanden. — existirt rechtlich nicht für den Bahnbetrieb, deshalb auch nicht für den Betriebs-Unternehmer. Anders verhält sich die Sache schon bei einem Passagier, der ein gelöstes Billet während der Fahrt verliert oder vernichtet und später verunglückt. Hier ist der Entschädigungsanspruch schon erworben mit Lösung des Billets, und derselbe könnte nur dadurch verloren gehen, daß der Passagier über seine Billetberechtigung hinaus im Zuge geblieben wäre. Der concrete Fall wird auch hier in seinem subjectiven und objectiven Thatbestände das Urtheil bestimmen müssen, in welchem ursächlichen Zusammenhange das eigene Verschulden mit der Tödtung oder Körperverletzung steht, für welche der Betriebs-Unternehmer haftpflichtig sein soll.*) Es läßt sich der Fall denken, daß durch die Tödtung oder Körperverletzung außer dem Getödteten oder Verletzten noch dritte Personen mittelbar beschädigt werden an Leib oder Leben. Für diese Uebertragung gilt dann das Principale Rechts- und Haftpflicht-Verhältniß, d. h. die Eisenbahn muß auch jeden mittelbar Beschädigten entschädigen, wenn sie den unmittelbar Beschädigten zu entschädigen hat. Wenn z. B. ein beim Be triebe Getödteter auf einen nicht beim Betriebe der Bahn Be teiligten geschleudert würde und diesen hiermit tödtete, so käme die Haftpflicht auch diesem zu Gute, so weit der Betriebs- Unternehmer nicht den ihn befreienden Nachweis führte. Würde dieser Nachweis schon gegen den unmittelbar Getödteten geführt, so überkäme nur der letztere EntschädigungsPflicht gegen den mittelbar Getödteten. — 9. In Oesterreich ist die Haftpflicht der Eisenbahnen schon früher, nämlich durch das Gesetz vom 5. März 1869 geordnet, also lautend (nach seiner Publication im Reichs- Gesetz-Blatt Stück XIII. Nr. 27): „§ 1. Wenn durch ein Ereigniß im Verkehr einer mit Anwendung von Dampfkraft betriebenen Eisenbahn die körper liche Verletzung oder die Tödtung eines Menschen herbeigeführt wird, so wird stets vermuthet, daß das Ereigniß durch ein Verschulden der Unternehmung oder derjenigen Personen ein getreten sei, deren sie sich zur Ausübung des Betriebes bedient. Das Verschulden dieser Personen hat die Unternehmung ebenso wie ihr eigenes Verschulden durch Leistung des Ersatzes nach Maßgabe der §§ 1325—1327 des a. B. G.-B. zu vertreten. § 2. Von dieser Ersatzleistung wird die Unternehmung nur dann und in dem Maße befreit, als sie beweist, daß das Er eigniß durch einen unabwendbaren Zufall oder durch eine un abwendbare Handlung einer dritten Person, deren Verschulden sie nicht zu vertreten hat, oder durch Verschulden des Be schädigten verursacht wurde. Eine von der Unternehmung im vorhinein angekündigte oder mit ihr vereinbarte Ablehnung oder Einschränkung dieser Ersatzpflicht ist ohne rechtliche Wirkung. § 3. Klagen auf Ersatzleistung, welche auf Grundlage dieses Gesetzes wegen Ereignisse, die der Wirksamkeit desselben nach- *)Dr. Endemann bemerkt in seinem Commentar zum Hastpflicht gesetze (S. 24 Anm. 42): „Natürlich haftet die Eisenbahn für die Ver letzung einer jeden andern Person, die durch das Verschulden Jemandes neben besten eigener Verletzung entsteht. Auch darin gilt der Standpunkt der Assekuranz. Die Eisenbahn mag sehen, wie sie eigenes Verschulden, das auch noch andere Personen gefährden kann, verhütet". Uns ist nicht recht klar, welcher Fall hier gedacht ist. Die Ueber tragung der culpa und damit der Haftpflicht kann nur nach dem Wahr spruch des Dichters erfolgen: „Das ist der Fluch der bösen That, daß sie fortzeugend Böses muß gebären". — Hat Jemand durch eigenes Ver schulden seine Tödtung oder Verletzung herbeigeführt, so steht die Eisenbahn außer allem Haftpflichtconnex mit dieser letzter», kann also auch nicht haftpflichtig werden für die Folgen des Verschuldens, für welches sie keine Verantwortung hat. Culpa culposum citât, — wo eben nicht die Schuld- vertretung ausnahmsweise anders geordnet ist, wie z. B. zwischen der Bahn und ihren Angestellten (s. o. unter c.) — 26 ss mit beut Tage, seit welchem der zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntniß ge habt hat. — Ueber die Berechtigung mehrerer Berletzten, ferner über die Theilung des Verfahrens gegen mehrere Thäter und Theil- nehmer, über die Frist zur Zurücknahme des Antrags, über das znm Antrage erforderliche Lebensalter — (das vollendete 18. Lebensjahr ist erforderlich,) — bestimmen §§ 62 bis 65 das Nähere. — Was die in § 231 zugelassene „Buße" anbelangt, so war es bei den Reichstags - Verhandlungen über dies — (bei läufig bemerkt, in der deutschen Strafgesetzgebung neue) Institut der Schadloshaltnng unentschieden, ob jeder andere Entschädi gungsanspruch neben derselben ausgeschlossen sei.*) Durch das Gesetz ist jedoch die Frage nunmehr bejaht. b. Es giebt dann besondere Strafbestimmungen, welche nach § 9 des Haftpflichtgesehes neben dessen §§ 1. 2. 3 Platz greifen können. Es sind dies solche Vorschriften, wie sie z. B. in Spccialgesetzeu,**) als der Gewerbe-Ordnung und den sie ergänzenden Bestimmungen über Dampfkesselanlagen, ferner in andern Specialgesetzen, enthalten sind. Die neueste und zugleich für die nach §§ 2 und 9 des Haftpflichtgesetzes durch das Verschulden ihrer Vertreter haftbar werdenden Betriebs-Unternehmer wichtigste Vorschrift ist in der dem Preußischen Landtage gemachten Gesetz-Vorlage, über den Betrieb der Dampfkessel, enthalten. Dies Gesetz be stimmt: „§ 1. Die Besitzer von Dampfkessel-Anlagen oder die an ihrer Statt zur Leitung des Betriebes bestellten Vertreter, sowie die mit der Bewartnng von Dampfkesseln beauftragten Arbeiter sind verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß während des Betriebes die bei Genehmigung der Anlage vorgeschriebenen Sicherheits-Vorrichtungen bestimmungsmäßig benutzt und die allgemein anerkannten Regeln der Technik beobachtet werden. § 2. Wer den ihm nach § 1 obliegenden Verpflichtungen zuwiderhandelt, verfällt in eine Geldstrafe bis zu 200 Thlrn. oder in eine Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten. § 3. Die Besitzer von Dampfkessel-Anlagen sind verpflichtet, eine amt liche Revision des Betriebes durch Sachverständige zu gestatten, die zur Untersuchung der Kessel benöthigten Arbeitskräfte und Vorrichtungen bereit zu stellen und die Kosten der Revision zu tragen. Die näheren Bestimmungen über die Ausführung die ser Vorschrift hat der Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zu erlassen. § 4. Alle mit diesem Gesetz nicht im Einklänge stehenden Bestimmungen, insbesondere das Gesetz, den Betrieb der Dampfkessel betreffend, vom 7. Mai 1856 werden aufgehoben." — Für den Betrieb von Fabriken rc. mit Dampfkesseln nimmt diese gesetzliche Bestimmung den Character einer Dienstvorschrift an, deren Uebertretnng die Unternehmer nach § 2 des Haft pflichtgesetzes für das Verschulden ihrer Vertreter haftbar machen kann. *) Vergi. Stenogr. Berichte des Reichstages (über die Sitzung vom 5. April) 1870 S. 646. — Zur Erläuterung des § 231 bemerkt der Abg. Lasker, dem die Bestimmung zu danken ist in ihrem jetzigen Wort laut, in den Stenogr. Berichten des Reichstags vom 3. April 1870 S. 668, es sei hier die Forderung des Beweises der Schadenszufügung fort gelassen, weil bei der Körperverletzung anzunehmen sei, daß „schon in der Verletzung der Nachtheil nachgewiesen sei". Da nicht die Strafe, sondern die Entschädigung dabei in's Auge gefaßt sei und der körperlich Ver letzte immer zum Schadenersatz kommen solle, so sei fahrlässige und vor sätzliche Körperverletzung hierin gleichzustellen". — **) Diese Gesetze re. haben fast durchweg polizeiliche Zwecke, ge hören deshalb dem Gebiete der Polizei-Vorschriften an und werden als solche zu Dienstvorschriften, deren Uebertretung nach § 2 des Haftpflicht gesetzes die Unternehmer verantwortlich macht. c. Neben den Strafvorschriften kommen bei § 9 des Haftpflichtgesetzes die civilrechtlichen Bestimmungen über die Schadensersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen*) zur Anwendung. Sind diese Ansprüche in diesen civilrechtlichen oder zugleich in den unter a. und b. bezeichneten Vorschriften niedriger normirt, als in §§ 3. 4 des Haftpflichtgesetzes, so können die Ansprüche nach diesen §§ erhöht werden. Geben jene Landesgesetze einen höheren Schadensersatz, so gestattet § 9, den höheren Ersatz zu fordern. Bei allen dergleichen Vorschriften kann § 9 des Haft pflichtgesetzes in Anwendung kommen, soweit es sich um directe Regreßklagen gegen den gesetzlich Ersatzpflichtigen handelt. Die auf Grund § 1. 2. des Haftpflichtgesetzes zustehenden An sprüche beschränken sich ans repräsentativ Verpflichtete, die nach sonstigen Grundsätzen von Recht und Billigkeit erst in subsidium, in Vertretung der eigentlichen und wirklichen Be- schädiger, wenn diese erweislich excussi wären, haften sollten. Auf diese directen Regreßklagen seitens des ersten Be schädigten will Alin. 2 § 9 bie §§ 3, 4, 6 bis 8 des Haft pflichtgesetzes angewandt wissen.**) Die Verjährungsfrist des § 8 greift also auch bei ihnen Platz. 3. Wohl zu beachten ist bei § 9, daß seine Bestimmungen nur den Beschädigten, wie sie in ß 3 des Haftpflichtgesetzes bezeichnet sind, zu Gute kommen. Alle dritten Personen sind mit ihren Entschädigungsansprüchen aus die sonstigen Landes gesetze angewiesen. Diese Landesgesetze gelten für die Be schädigten des § 3 nur hinsichtlich der Bestimmungen, welche denselben einen höheren Ersatzanspruch zusprechen, als § 3. Hiermit ist also das richterliche Ermessen der §§ 6. 7. des Haftpflichtgesetzes nicht mehr frei, sondern eben an die besondern Landesgesetze gebunden bezüglich der Höhe des Schadenser satzes. Es könnte also z. B. eine unverheirathete Frauens person, welche bei einem Unfälle nach §§ 1. 2. des Haftpflicht gesetzes, bei einem Eisenbahn-, Gruben- rc. Unfälle, „ver unstaltet" würde, nach § 9 auf §§ 123 ff. Allg. Landr. Th. I. Tit. 6. recurriren mit ihrem Entschädigungsanspruch, und der Richter müßte diese Landesgesetze in Preußen anwen den, wenn die Klage der Beschädigten nicht auf Grund §§ 1. 2. (gegen den Haftpflichtigen), sondern nach § 9 des Haft- pflichtgesetzes gegen den eigentlichen Beschädiger gerichtet wäre. 4. Es scheiden, wie nochmals hervorgehoben wird, bei § 9 alle Regreßansprüche aus, welche von den nach § 1. 2. Haftpflichtigen gegen die Personen, für welche sie haftpflichtig sind, gegen die eigentlichen und wirklichen Beschädiger und Schuldigen geltend machen. Für diese „indirecten" Regreß ansprüche gelten die allgem. Landesgesetze ganz unbeschränkt."*) *) Für Preußen enthält das Allg. Landrecht Th. I Tit. 6 die be züglichen Vorschriften. Aehnliche Festsetzungen gelten auch in andern Ge bieten Deutschlands und in Oesterreich. *') Vergl. über die Tragweite des § 9 und seine Ausschließung bei Regreßklagen der Haftpflichtigen gegen die eigentlichen Beschädiger Stenogr. Ber. 1871 S. 498. 621. — S. u. Zusatz 4 Anm.*) Wohl zu beachten ist, daß § 9 des Haftpflichtgesetzes für die nach den Landesgesetzen verfolgten Ersatz-Ansprüche den § 5 nicht als an wendbar erklärt. Die nach § 9 verfolgten Schadensansprüche können also noch immer im Voraus ausgeschlossen werden. Denn § 3 bezieht sich ausdrücklich nur auf die in §§ 1. 2. festgesetzte Haftpflicht der Unternehmer. ***) Daß diese Regreßklagen nicht unter § 9 des Haftpflichtgesetzeö fallen, hat Abg. Dr. Schwarze bei den Reichstagsverhandlungen, ohne Widerspruch zu erfahren, geltend gemacht im Anschluß an das Beispiel, daß eine Eisenbahn-Direction ihre Haftpflichtleistungen von demjenigen Be amten oder Dritten, welcher den Unfall verschuldet hat, wieder eintreibt. — „Ich bin der Meinung", — führte Dr. Schwarze aus, — „daß trotz der allgemeinen Bestimmung im Al. 2 § 9 die Regreßklage nicht unter die Bestimmung des Gesetzes und mithin nicht unter die Bestimmung über die Verjährung zu stellen ist, — weil das Fundament der Regreßklage der 9 Dennoch ist derselbe nunmehr Gesetz und fordert seine Geltung und Ausführung. Hierüber s. n. zu § 4 Näheres. § 3. Der Schadenersatz (§§ 1 und 2) ist zu leisten: 1. im Falle der Tödtung durch Ersatz der Kosten einer ver suchten Heilung und der Beerdigung, sowie des Vermögens nachtheiles, welchen der Getödtete während der Krankheit durch Erwerbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbs fähigkeit erlitten hat. War der Getödtete zur Zeit seines Todes vermöge Gesetzes verpflichtet, einem Anderen Unter halt zu gewähren, so kann dieser insoweit Ersatz fordern, als ihm in Folge des Todesfalles der Unterhalt entzogen worden ist; 2. im Falle einer Körperverletzung durch Ersatz der Heilungs kosten und des Vermögensnachtheiles, welchen der Verletzte durch eine in Folge der Verletzung eingetretene zeitweise oder dauernde Erwerbsunfähigkeit erleidet. 1. Der Regierungs-Entwurf hat in diesem § 3 des Ge setzes nur Redactions-Aenderungen erfahren, im wesentlichen Inhalte stimmen beide Fassungen überein. Zum § 3 des Entw. war bemerkt: „Bei der Formulirung dieses Paragraphen ist abweichend von dem Dresdener Entwurf eines Öbligationenrechts Art. 1007. ff. und dem bürgerlichen Gesetzbuche für das Königreich Sachsen §§ 1489 ff. jede Kasuistik um so mehr vermieden, als die im § 5. des Entwurfs (§ 6. des Gesetzes) dem Richter zugewiesene freiere Stellung in Beurtheilung der Thatsachen und Feststellung der Höhe des Schadens mit einer solchen Spezialisirung im Widerspruch stehen würde. — Als berechtigt zur Erhebung eines Anspruchs auf Ersatz des gesammten Ber- mögensverlnstes sind nur diejenigen Personen bezeichnet, welchen von dem durch einen Unfall Getödtete« kraft des Gesetzes Unterhalt zu gewähren war. In Uebereinstimmung mit dem Dresdener Entwürfe kann eine Veranlassung, über diese Grenzen hinauszugehen, nicht anerkannt werden". (Mot.) 2. Das Gesetz giebt hier an, was es den Haftpflichtigen behufs des Schadensersatzes aufgelegt wissen will, definirt hier mit zugleich den in §§ 1. 2. gebrauchten Ausdruck „Schaden" und bezeichnet den Umfang der sofortigen Haftbarkeit der Betriebs-Unternehmer für ihre Angestellten rc. Das Haupt moment ist in der Vertretung der Bevollmächtigten rc. durch ihre Principale bei der Bestimmung des nach § 3. zn ersetzen den Schadens zu suchen. Neben dieser Vertretung kommen dann noch die Landesgesetze zur Anwendung nach Maßgabe des § 9 des Haftpflichtgesetzes für den Ersatz eines höheren Schadens ans Grund eigener oder der Verschuldung einer an deren Person (s. u. zn § 9.) 3. Der Ausdruck: „einer versuchten Heilung" ist nicht so zu nehmen, daß der Aufwand für nur eine Heilung zu er setzen wäre. Der bestimmte Artikel „der" (versuchten Heilung) oder noch besser die Fassung: „der Heilungsversuche" wäre der Klarheit und Bestimmtheit des Gesetzes angemessener gewesen. Daß bei den Heilungs-Versuchen nach den Vorschriften der berufenen Heilungs-Wissenschaft und nicht nach der Willkühr verschwenderischer Krankenpflege und Wirthschaft zu verfahren ist, versteht sich von selbst. So würden z. B. unnöthige Wein bäder anstatt Wasserbäder a la König von Westfalen vom Haftpflichtigen nicht zu ersetzen sein. — In gleicher Weise ist aller dem Stande des Getödtete« nicht entsprechender Luxus der Beerdigung*) von der Haftpflicht ausgeschlossen, wie dies *) Ob und in welchem Maße z. B. Leichen-Transportkosten der Eisenbahnen rc. zu ersetzen, bleibt dem richterlichen Ermessen überlassen. Die Beerdigungskosten scheinen uns wenig Anspruch auf Ersatz zu haben, denn sterben müssen ja alle Menschen einmal und deshalb auch — sich beerdigen lassen. bei dem nach § 6 des Gesetzes entscheidenden „richterlichen Er messen", das natürlich ein „vernünftiges" sein muß, selbstver ständlich ist. 4. Die Frage, Wem der Schadensersatz zu leisten, ins besondere Wer zur Anstellung der bezüglichen Klage berechtigt sei, kann nach der Fassung des Gesetzes nicht zweifelhaft sein. In § 1 wie § 2 lautet die Haftpflicht ganz allgemein auf den „entstandenen Schaden". Der Schaden ist also zu ersetzen, wo und Wem irgend derselbe erwachsen ist, so weit nicht §§ 3 und 4 nähere Bestimmungen hierüber enthalten. Wer die Kosten der Hkllnng und Beerdigung getragen hat und seinen bezüglichen Schaden beweisen kann, hat Anspruch auf Ersatz und ist klageberechtigt schon nach allgemeinen Rechts regeln. Kranken- und Begräbniß-Kassen und ähnliche Anstal ten vertreten den Beschädigten, soweit ihre Leistung nicht nach § 4 eben selbst den Schadensersatz ausmacht. 5. Schwieriger zu entscheiden ist die Frage des Ersatzes des verlorenen Unterhalts au die gegen den Getödtete« ali- mcutationsberechtigten Personen. Es ist in dieser Beziehung feststehend: a. Unterhalt, welcher nach Verträgen zn gewähren, namentlich die mit Besitz- und Eigenthums-Verhältnissen ver bundenen dinglichen Anrechte auf Altentheile u. s. w., fallen nicht unter § 3 Nr. 1. Denn ausdrücklich ist hier der Ersatz auf die gesetzlich angeordnete, d. i. die Noth- nnd Zwangs- Alimentation beschränkt. b. Die gesetzliche Alimentation ist nach den Lermögens- und Standes-Verhältnissen des Getödtete« zu berechnen, und nur zu gewähren in dem Falle gesetzlicher Berechtigung, deren erste Voraussetzung nach allen ältern und neueren Civil- rechten der Stand der Bedürftigkeit, der eigenen Vermö genslosigkeit und Erwerbsunfähigkeit ist. Auf dieser Voraus setzung beruht die gesetzliche Pflicht des Mannes und Vaters zum Unterhalt der Frau und der Kinder allgemein und unbe dingt, wogegen die Alimentationspflicht gegen andere Bluts verwandte das gesetzliche Erbrecht zur Grundlage hat. In Deutschland enthalten die Gesetze über die Armenpflege die hier in Rücksicht kommenden Bestimmungen. c. Außer Verwandten haben gesetzlichen Anspruch aus Unterhalt auch Personen, welche durch fremdesDelict arbeits- und erwerbsunfähig geworden sind. Ob auch diesen nach § 3 des Haftpflichtgesetzes der Unterhalt zu gewähren im Falle des Verlustes ihres Alimentengebers, ist zweifelhaft.*) d. Die Unterhaltspflicht muß schon „zur Zeit des Todes" des Verpflichteten bestanden haben; später etwa durch nachfolgende Verarmung entstehende Alimentations-Ansprüche von Ascendente«, Descendenten rc. fallen nicht unter § 3 Nr. 1 des Haftpflichtgesetzes. e. Der Ersatz des Unterhalts ist beschränkt auf die Quote, welche der Unterhaltene thatsächlich bei Lebzeiten des Getödtete« von diesem bezogen hat. Es kann also z. B. Derjenige, der nur freie Wohnung von dem Getödteten erhalten hat, auch nur Ersatz für diesen Theil des Unterhalts fordern. Was znm Unterhalt überhaupt gehört, bestimmen die Gesetze oder richter liches Urtheil. Letzteres 1st beschränkt und begrenzt durch die *) Es läßt sich zwar behaupten, daß auch dieser Anspruch des Un terhalts auf Gesetz beruht, ein gesetzlicher ist, insofern das Gesetz ihn zu spricht; es kommt aber hier immer noch das strafrichterliche Urtheil hinzu, um dem Anspruch seine rechtliche Basis zu geben. Wird z. B. der Körper verletzer nicht verurtheilt, so statuirt das (preußische) Recht allerdings die Verfolgung des Schadensersatzes gegen ihn auch im Wege des Civil- processes unabhängig vom Strafproceß; aber es bedarf eben auch im Civilproceß erst eines richterlichen Urtheils, um den gesetzlichen Anspruch liquide zu stellen. aus welchen die übrigen Bezüge der Knappschaftsgenossen und ihrer Angehörigen fließen. e. Von den Haftpflichtleistungen werden am Schlüße des JahreS die statutenmäßigen gewöhnlichen Zahlungen abgesetzt und der Ueberschnß als Zuschlag zu den Werks beitrügen nachträglich eingezogen. d. Capitalzahlnngen für Haftpflichtleistungen werden von der Knappschaftökasse aus ihrem Vermögensdcftande vor geschossen, gegen den Zinsfuß, welchen ihre Effecten haben, die sie zu der Zahlung verwendet hat. Am Jahreöschluße ist das Capital nebst Zinsen als Zuschlag zu den Werksbeiträgen wieder einzuziehen, oder auch die Einziehung auf mehrere Jahre zu vertheilen. e. Haftpflichtlcistttngen an Personen, welche nicht zum Knappschaftövereine gehören, werden von der Kasse zwar über nommen, jedoch als Darlehne behandelt und von dem be treffenden Haftpflichtigen allein als Zuschlag zu seinen sonstigen Beiträgen wieder eingezogen, und zwar mit einer festzusetzen den Vergütung (Provision). — Diese Einrichtungen halten wir noch nicht einmal für Statuten-Aenderungen, vielmehr nur für Maßregeln der Ver waltung und Vermögensverwendung, welche, ohne Genehmi gung einer General-Versammlung, vom Knappschaftö-Vor stande in außerordentlicher Sitzung beschlossen werden können. Eine andere Behandlung der Angelegenheit sowie die Ausdehnung der Knappschaftsvereins-Verwaltung auf Haft pflichtfälle, deren Berechtigte oder Verpflichtete nicht zum Ver eine gehören, wird sich um so weniger empfehlen, je zweifel hafter dadurch die gesetzliche und statutenmäßige Competen; der Vereine und ihrer Venvalknngsorgane wird. Der über jeden Zweifel hinaus entschiedenen Haft pflichtfälle wird es, so relativ häufig auch bei der Montau- Industrie, insbesondere beim Bergbau, Körperverletzungen und Tödtungen sein mögen, immer nur wenige geben, da „eine Verschuldung in Ausführung von Dienstvorschriften" nur selten begründet und noch seltener zu beweisen sein wird. Daß die Knappschaftöleistungen übrigens nach § 4 auf den Haftpflichtersatz einzurechnen sind, darüber läßt schon die amtliche Statistik der Knappschaftövereine keinen Zweifel. — Nehmen wir selbst die Statistik, wie sie für ] 869 in Preußen vorliegt und die seitdem eingetretene Erhöhung der Beiträge der Werksbesitzer, d. h. der möglicherweise Haftpflichtigen, noch nicht beziffert, so stellen sich folgende Zahlenverhältnisse heraus: Im Jahre I860 betrugen die Gcsammteinnahmen der Knappschaftsvereine Preußens (ausschließlich Oberbergamtsbez. Clausthal) 2,1)2,671 Thlr., darunter Beiträge der Mitglie der 964,965 Thlr. , der Werks-Eigenthümer 744,440 Thlr. Nach § 4 sollen die Knappschaftskassen - Leistungen auf Haft pflicht-Verbindlichkeiten eingerechnet werden, wenn die Mit leistung des Betriebs-Unternehmers nicht unter einem Drittel der Gesammtleistung beträgt. Ein Drittel der Gesammt-Ein- nahme der Knappschaftskaffen betrug 1869 — 704,224 Tbl., die Werkseigenthümer trugen aber 744,440 Thlr. bei, also 40,000 Thlr. über das gesetzliche Drittel hinaus. Die Ein rechnung der Knappschaftsleistungen ist hiernach gesetzlich be gründet und von Recht und Billigkeit um so mehr geboten, je weiter die Werköbeiträge die Quote überschreiten, welche als Minimum den Werköbesitzern durch § 173 des Allg. Berg gesetzes, nämlich mindestens die Hälfte der Arbeiterbeiträge, festgesetzt ist. Die Hälfte der Arbeiterbeiträge — 964,965 Thaler erreicht nur 482.483 Thlr.; die Werksbesitzer tragen aber 744,440 Thlr., also 261,900 Thlr. mehr bei, als das Berggesetz verlangt. Diese Mehrleistung nach deni Zinsfüße von 5 Procent capitalisirt, repräsentirt ein Capital von 5,238,000 Thaler. Es soll erst nachgewiesen werden, daß sämmtliche Haftpflichtleistnngen, selbst durch richterliches Er kenntniß hoch arbitrirt, ein Capital von 5,238,000 Thlr. er reichen würden in Preußen! — Selbst die Rentenzubilligung an alle Haftpftichtberechtigte würde 261,900 Thlr. schwerlich for dern. Im Jahre 1869 hat die amtliche Statistik*) berechnet, daß, nach Analogie der sehr hohen Schadloöhaltnng der bei der großen Verunglückung im Plauenschen Grunde bei Dres den betheiligten Arbeiter und ihrer Angehörigen, für sämmt liche tödtlich und nicht tödtlich Verunglückte aller Gewerbe in Preußen ein Versicherungscapital von 5,766,800 Thlr. zur Deckung ihrer Ansprüche überhaupt erforderlich sein würde, und zwar nach dem Satze von 1600 Thlr. für eine Tödtung und von 800 Thaler für eine nicht tödtliche Verletzung, — gewiß eine sehr hohe Veranschlagung. Aber die Werksbesitzer Preußens allein zahlen ja, wie wir oben sahen, schon 261,900 Thlr. Knappschaftsbeiträge mehr, als sie gesetzlich müßten, versichern also allein selbst nach dem Prämiensatze von 5 Proc. ein Capital von 5,238,000 Thlr., d. i. nur 528,800 Thaler weniger, als sämmtliche Verunglückungen aller Gewerbe erfordern! — Hier tritt ganz klar hervor, daß das Haftpflichtgcsetz für die durch die Knappschaftövereine vertretenen Betriebs-Unter nehmer mindestens — überflüssig, daß das Geschrei der human-socialistischen Agitatoren von dem Bedürfniß jenes Gesetzes für den Bergbau völlig grundlos war. Mit vollem Rechte gebührt hiernach den Knappschafts Vereinen, schon nach ihren jetzigen Leistungen, die Erledigung der Haftpflicht der in ihnen vertretenen Betriebs-Unternehmer, zumal es ihnen auch nicht an den nöthigen Garantiefonds fehlt. Die oben schon bezifferten Vereine Preußens besaßen Ende 1869 ein schuldenfreies Vermögen von 3,877,508 Thlr., darunter an zinsbar angelegten Capitalien 2,828,971 Thaler. Will man noch größere Sicherheiten und Reserven fordern? Bei dieser Sachlage können wir auch der Agitation für neue Unfall-Versicherungs-Anstalten neben den Knappschafts- Kassen nicht zustimmen. Die „alten Schläuche" der Knapp schaftsvereine haben gar nicht nöthig, den „neuen" Wein der Haftpflicht-Ansprüche zu fassen: — diese sind für sie schon „alter" Wein und ebenso wirthschaftlich als sicher in diese „alten Schläuchen" bereits lange Zeit gefaßt.**) — 4. Die Großindustrie, wie sie das Gesetz in § 2 unter dem Ausdruck „Fabriken" bezeichnet, besitzt den Knapp- schaftskassen ähnliche Institute in den „gewerblichen Unter sili tznngskassen", und außerdem in besondern für größere Hütten- und Fabriken-Anlagen oder Complexe bestehenden besondern Kranken- und sonstigen Anstalten der Selbsthilfe und Vorsorge. Die oben unter Zusatz 1 zu diesem § mitge theilten Resolutionen bezwecken die Reorganisation der vor stehend bezeichneten Institute und wohl auch die Verallgemei nerung derselben als Versicherungsanstalten zur Uebernahme der Haftpflicht-Verbindlichkeiten. Wir halten jedoch die Aussonderung der letzter« von den *) Vergi. Drucks. Nr. 46. — Die beste Autorität der hier einschla genden Fachwissenschaft, Hr. Dr. Engel. Director des König!. Preuß. Statist. Bureaus zu Berlin, vertritt hier die Verunglückungs-Statistik der in Betracht kommenden Gewerbe überhaupt und am Schluß die oben angeführte Bezifferung des Verstcherungs-Capitals für tödtlich und nicht tödtlich Verunglückte und ihrer Angehörigen. **) Wie sich selbst gewiegte Fachmänner des Versicherungswesens, wie Herr Dr. Gallus, technischer Director der Norddeutschen Lebensversiche rungsbank, über die Knappschaftsvereine und ihre Berechtigung bezüglich der Haftpflicht täuschen konnten, ist uns nicht erklärlich. Vergl.: „Das Gesetz der Haftpflicht und die Assekuranz. Von Dr. W. Gallus iç," (Berlin. Haube- und Epen. Buchh.) S. 13. 14. » mi^ssss& 18 dem unbeschrän kten Arbitrium des Richters über- lassen. — Der obige Passus ist in den legislatorischen Quellen nicht weiter motivirt; er verdankt mit dem ganzen § 7 seine Existenz der Redaction des Gesetzes, wie sie von der sogen, „freien Commission" des Reichstags unter Leitung des Abgeordneten Lasker*) übernommen und im Reichstage durchgesetzt wurde. Ob der Richter die bestehenden Vorschriften der Landes gesetze über die gegenseitige Vertretung der Arten der Cau- tionen berücksichtigen soll, ist iu dem Hastpflichtgesetze nicht bestimmt, also sein Ermessen auch in dieser Richtung völlig frei. In den Particularrechten Deutschlands sind, unter be stimmten Voraussetzungen, folgende Arten der Sicherhcitsbe- stellung zugelassen: durch Unterpfand und zwar beweglicher oder unbeweglicher Sachen (Faustpfand, Depositum, Hypothek); durch Bürgen; durch Eidesleistung. — 4. Der Beschädigte oder Haftpflichtberechtigte kann für seinen Verlust an Erwerb durch Capital oder Rente abge funden werden. Da der Erwerb dem Wesen der Rente am meisten entspricht, bietet sich der Ersatz seines Verlustes ganz natürlich in Form einer Rente dar: wie der Verlust, so der Ersatz. — Wenn es demnach gesetzlich zur Regel gemacht wird, daß für den Verlust des Erwerbes eine Rente zuerkannt werden soll, so liegt diese Gesetzbestimmnng ebenso sehr in der Natur dessen, um was es sich handelt im Interesse des Beschädigten, als auch in der Natur der Leistungen, welche an die Stelle des Schadensersatzes nach § 4 des Haftpflichtgesetzes treten: die Leistungen der dort bezeichneten Anstalten und Kassen haben fast durchweg die Natur der Rente, so weit es sich um In validenlöhne, dauernde Unterstützungen rc. handelt. Schon § 4 gebot dem Schadensersatz die Form der Rente. Der Richter kann und muß aber nicht in allen Fällen auf Rente erkennen, vielmehr finden folgende Ausnahmen statt: a. Wenn beide Theile, d. h. der zum Schadensersatz Ver pflichtete und Berechtigte, über Abfindung in Capital einver standen sind, so muß der Richter auf Capitalabfinduug erken nen. Diese Beschränkung des richterlichen Ermessens hat ihren Grund in der Natur des beiderseitigen Einverständnisses und Uebereinkommens der Parteien: dasselbe hat die Kraft eines Vergleichs und einem Vergleiche zu widersprechen, hat kein Richter ein Recht. — b. Liegt ein solcher Vergleich nicht vor, so hat der Rich ter vom Gesetze nur die Anweisung erhalten, „in der Regel" auf Rente zu erkennen. Von der Regel Ausnahinen zu machen, ist dem richterlichen Ermessen nach Maßgabe des § 6 freigestellt. 5. Im Alinea 2 und 3 des ß 7 sind ganz abnorme Rechtsverhältnisse geschaffen. Das rechtskräftige Urtheil, res judicata, bildete bis jetzt die allgemeinste, zweckmäßigste, wirth- schaftlichste Grundlage des Civilrechts und seiner concreten Er scheinungen im wirklichen Leben. Diese Grundlage ist für Haftpflicht-Verbindlichkeiten und Berechtigungen in § 7 er- *) In den bezüglichen Aeußerungen des Abg Lasker im Reichs tage sowie überhaupt in den Sten. Ber. und Drucks, ist wenig oder Nichts zur Motivirung des § 7 zu finden. — Der Abg. Lasker hält den obigen Passus über die Sicherheitsbestellung für nothwendig, weil der Richter in der Regel auf Rente und nur ausnahmsweise auf Capital- Entschädigung erkennen werde und solle. — „Durch das Erkennen auf Rente ist die Frage der Sicherheitsbestellung sehr in den Vordergrund getreten". — Stenogr. Ber. S. 500. Im klebrigen wurde der § 7 ohne specielle Motivirung vom Reichs tage, und zwar nach dem Antrage der freien Commisfion (Drucks. 9h. 65 zu 7) mit einem Amendement des Abg. Eysoldt (Drucks. Nr. 76) ange nommen. — Sten. Ber. S. 502. — schüttert, ja beseitigt: bei den letztern besieht fortan dauernde Rechtsuusicherheit. — Was die Alin. 2 und 3 des § 7 beabsichtigen: Sicher stellung eines für alle Eventualitäten*) richtig bemessenen Schadensersatzes, liegt schon in § 6 und Alin. 1 § 7 in dem richterlichen Ermessen vorgesehen. Dem rechts- und sachver ständigen Richter müssen bei seinen Urtheilen alle den Scha densersatz bestimmenden Umstände, Zufälle und Eventualitäten zur Erwägung gegenwärtig sein. Mit der Freiheit, alle mög lichen Sachverständigen-Urtheile einzuholen, alle ihm nützlich scheinenden Beweisaufnahmen zu veranlassen, hat der Richter auch die menschlich-möglichste Befähigung, ein für Gegenwart und Zukunft Recht und Billigkeit schaffendes Urtheil zu finden. Entweder § 6 oder § 7 beruht auf Illusionen und Voraus setzungen, welche dem Richterspruch von vornherein das Miß trauen der Parteien zuziehen und rechtskräftiges Iudicat zu einem „In ter misti cum" machen, wie es im Proceßrecht nirgends sonst zugelassen ist. 6. Das Gesetz giebt nicht näher an, in welchem Ver fahren die in Alin. 2 und 3 § 7 stattgegebenen Nachfor derungen und Einwendungen gegen das richterliche Urtheil geltend zu machen und zu erledigen sind, ob im Wege bloßer Anträge und Verfügungen, oder durch neue Klageschriften und richterliche Erkenntnisse. Die neue Civil-Prozeß-Ordnung könnte hierüber nähere Vorschrift bringen und die Ausführung des Alin. 2 und 3 § 7 des Haftpflichtgesetzes dem Verfahren richterlicher „Resolution" zuweisen, womit zugleich die Rechts kraft der ersten Erkenntnisse besser gewahrt erschiene. In dem selben Verfahren könnten auch die Anträge auf Aufhebung oder Herabsetzung der Caution zur Erledigung kommen. Obgleich dergleichen Anträge dem Haftpflichtigen im Gesetze nicht ausdrücklich gestattet worden sind, so sind sie nach gemei- *) Zur Motivirung der Alin. 2 und 3 des § 7 finden sich in den Reichstags-Verhandlungen folgende Exemplificationen: „Es kommt sehr osi (?) vor, daß Jemand durch eine Verletzung ein Auge verliert; anfangs kann man nicht übersehen, daß der Verlust des einen Auges nach einem längeren Zeitlauf auch den Verlust des anderen Auges nach sich ziehen wird. Es kommt aber sehr häufig (?) vor, daß dieser Erfolg eintritt, und daß man, wenn er eintritt, mit Sicherheit nach träglich sagen kann, er sei lediglich eine Folge des Unfalls". „Nehmen sie z. B. den Fall an, es wäre Jemand bei einem Eisenbahn- Unfalle am Kopfe verletzt; er wird in Folge dessen geistig gestört, und der Richter erkennt auf Entschädigung, weil der Beschädigte arbeitsunfähig ist. Nach Verlauf von drei Jahren wird der Mann als scheinbar geheilt aus der Anstalt entlassen. Nach Verlauf von ferneren zwei Jahren, während welcher er wieder arbeiten kann, repetirt die Geisteskrankheit, — ein Fall, der so häufig (?) vorkommt". — Stenogr. Ber. S. 499, 500. — „Nehmen wir den Fall, meine Herren, daß bei einem Eisenbahn unglück Jemand an seiner Lunge schwer verletzt wird, so daß voraus sichtlich dieser Mann nur wenige Jahre wird leben können, so würde, wenn eine Rente festgesetzt würde, ganz sicher keine gerechte Entschädigung gegeben werden, und in solchem Falle würde es angezeigt sein, ein Capital zu bewilligen". — Sten. Ber. S. 501. — Aber, — fragen wir solchen Exemplificationen und Gesetzmotivi- rungen gegenüber, — aber sind unsere Haftpflicht-Kläger und Beklagte denn Unmündige, daß die Gesetzgeber auf solche Weise für die Gel tendmachung ihrer Rechte sorgen müßten? Genügt nicht das Können und Wissen unserer Juristen, unserer Aerzte, überhaupt aller unserer Lach- verständigen, welche in Haftpflichtprocessen mitwirken, um alle hier so rührend cxemplificirten Eventualitäten bei ihren Urtheilen, bei ihren An waltsfunctionen, bei ihren Gutachten und Anträgen vor und bei dem ersten zur Rechtskraft bestimmten Richterspruche so wahrzunehmen, daß die Entschädigungen und Sicherheitsbe,tellungen für alle Fälle Recht und Billigkeit entsprechen? — In der Gegenwart, wo unsere Juristen, unsere Aerzte, unsere sonstigen Fachmänner mit ihrem rühmlichen Fachwisten auch die Kenntniß des wirklichen Lebens und seiner gegenwärtigen und voraus sichtlich zukünftigen Erscheinungen verbinden, war ihnen ein Mißtrauens votum, wie es Alin. 2 und 3 § 7 faktisch enthalten, nicht zu geben. I Sî» 5. Durch die Befugniß des Beschädigten, seine Ersatz- Ansprüche entweder auf Grund der §§ 1.2. 3. oder auf Grund des § 9 des Haftpflichtgesetzes zu verfolgen und zu realisiren, entstehen mehrere Rechtsfragen. ». Ist der Beschädigte berechtigt, gegen die Ersatzpflich tigen aus §§ 1. 2. und aus § 9 zugleich aufzutreten und den Schadensersatz zu fordern? Diese Frage ist nach allgemeinen Rechtsregeln zu bejahen, doch wird die Leistung des Haftpflichtigen dem Ersatzpflichtigen und diejenige des letzter» dem Haftpflichtigen angerechnet, so daß also der Beschädigte nicht etwa doppelten Schadensersatz, sondern nur den Schadensersatz nach § 3 des Haftpflichtge- setzes und neben demselben das Plus verlangen und erhalten kann, das der nach den Bestimmungen der Landesgesetze „höhere Ersatzanspruch" ihm gewährt. Im Proceß würde sich die gleichzeitige Jnanspruchuahme entweder seitens des Klägers durch Adcitation oder seitens des Verklagten durch Litisdenunciation erledigen. b. Nimmt der Beschädigte auf Grund des § 9 nur den wegen eigenen Verschuldens Ersatzpflichtigen in Anspruch, so hat der letztere kein Recht, die Verfolgung des Haftpflichtigen aus §§ 1. 2. zu verlangen, vielmehr beschränkt diese Haftpflicht sich auf den Anspruch des Beschädigten allein. e. Wird der aus §§ 1. 2. 3. Haftpflichtige in Anspruch genommen, nachdem der Beschädigte bereits den eigentlichen Ersatzpflichtigen zur Entschädigung angehalten und letztere empfangen hat, so hat der Haftpflichtige das Recht, diese bereits empfangene Entschädigung auf seine Haftpflichtleistung (§ 3) in Anrechnung bringen zu lassen. Diese Grundsätze ergeben sich aus allgemeinen civilrecht- llchen Bestimmungen über das Verhältniß mehrerer zum Scha densersatz gleichzeitig verpflichteten Personen. In Preußen kommen in dieser Beziehung zur Anwendung §§ 29—33 Tit. 6 mtö §§ 304—307 Tit. 16 Theil I. Allg. Landrecht. *) — Im El enbahn - Direction nicht ausschließlich und hauptsächlich auf dem Eisen- bahn-Unfall beruht, weil es nicht gerichtet ist auf eine Entschädigung des verletzten, sondern darauf, daß der eigentlich Schuldige der Direction wieder zahlt und erstattet, was sie dem Beschädigten gezahlt hat. Es ist also die « Ş'wîio erner geleisteten Zahlung der Klagegrund, und nicht eigentlich der h/v ^ cr b ķOchàşşg veranlaßt hatte, — es ist einKlaqegrund, 0er @ ^ biefe* ®#ea &u (Men iß". — ètenogr. ausaeâià ^ften sie einer für alle und alle für einen, wenn nicht b-sond-r-O Bttsehm ^ êchàs -in i-d-r durch ,-in MAŞMWWW -#ŞSSSS~"sawa à 30/. Doch findet die Compensation statt, wenn der Mitver- Allgcmeincn ist nach dem bestehenden und noch mehr nach dem künftigen Proceßverfahren vorauszusetzen, daß sich die Ver tretungs-Verhältnisse in der Ersatzleistung durch das richterliche Ermesseu und seine Einwirkung auf das Verfahren, namentlich bezüglich der Beweisaufnahme, gewissermaßen von selbst regeln werden. Die Bestimmung des Strafrechts (§ 231 des Strafgesetz buchs), daß „eine erkannte Buße die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruchs ausschließt", giebt für die Fälle, in denen der wirklich schuldbare Ersatzpflichtige angeklagt wird, die Entscheidung, daß ein Anspruch gegen die nach §§ 1. 2. des Haftpflichtgesetzes verantwortlichen Betriebs- Unternehmer nicht mehr begründet ist, vorausgesetzt, daß der zur Buße Verurtheilte wirklich zahlt. Die Feststellung dieser Thatsache kann der auf Grund von § 1 oder § 2 des Haft- pflichtgesctzes gerichtlich belangte Betriebs-Unternehmer selbst dadurch veranlassen, daß er den wirklich schuldbarcn Ersatz pflichtigen durch Litisdenunciation zu dem Proceßverfahren her anziehen läßt, was allerdings für die Fälle, wo der Litis- denunciat im Fall einer Tödtung nach § 222 Alin. 2 und einer Körperverletzung nach § 230 Alin. 2 des Strafgesetzbuchs zu Gefängnißstrafe verurtheilt werden könnte, seine Bedenken hat. Bei der Körperverletzung hängt die Bestrafung vom An trage des Verletzten ab, bei der Tödtung aber fällt diese Vor aussetzung weg. — 6. Für die Klagen auf Grund des § 9 ist wohl zu be achte«, daß dieselben der Verjährungsfrist des § 8 unterliegen. Wenn also die Landesgesetze eine andere Verjährungsfrist für geltend gemachte Entschädigungsansprüche festsetzen, so sind sie durch §§ 8. 9. außer Wirksamkeit gesetzt.*) § 10. Die Bestimmungen des Gesetzes, betreffend die Er richtung eines obersten Gerichtshofes für Handelssachen, vom 12. Juni 1869, sowie die Ergänzungen desselben werden auf diejenigen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten ausgedehnt, in welchen durch die Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund des gegenwärtigen Gesetzes oder der in § 9 erwähnten landes gesetzlichen Bestimmungen geltend gemacht wird. Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Kaiserlichen Insiegel. Gegeben Berlin, den 7. Juni 1871. [L. 8.) Wilhelm. Fürst V. Bismarck. 1. Die Regierungs-Vorlage des Haftpflichtgesetzes enthielt den vorstehenden § 10 nicht: dieser ist durch Ein- und Nach schub, mittelst Antrags des Abg. Lasker und Gen. in das Gesetz gekommen, — nach unserer Ansicht eine Ergänzung und Vervollkommnung des Gesetzes, die wir, wenigstens zur Zeit, weder in ihren Motiven noch in ihren Tendenzen als einen glücklichen Griff bezeichnen können.**) Als Analogie wurde der § 32 des Gesetzes vom 11. Juni pflichtete seine Forderung an den gemeinschaftlichen Gläubiger dem in Anspruch genommenen Mitschuldner rechtögiltig abgetreten hat. — (Aehnliche Bestimmungen über die Ersatz-Pflichten und Rechte mehrerer Schuldner enthält auch das in andern Staaten geltende Recht. Den Ansprüchen des Beschädigten gegenüber ist zu Gunsten der Ersatz pflichtigen überall der Grundsatz festzuhalten, der in den „Motiven" des Haftpflichtgesetzes ausgesprochen ist, nämlich daß , nur Schadloshal tung, nicht'Bereicherung des Beschädigten" verlangt und gewährt werden soll. *) So namentlich auch § 54 Allg. Landr. Th. I. Tit. 6 nebst der Declar. vom 31. März 1838 (Preuß. Ges.-Samml. S. 252), wo die Verjährungsfrist auf drei Jahre bestimmt wird. **) Ueber die Anträge, aus welchen der § 10 hervorgegangen, s. Drucks. Nr. 65 zu 10., ferner Nr. 99. und 102. II. — Anfechtung und Vertheidigung dieser Anträge s. Stenogr. Ber. S. 507 f. 626. 10 Worte des § 3 Nr. 1: „Insoweit rc., als ihm in Folge des Todesfalles der Unterhalt entzogen worden ist." 6. Der Ersatz erstreckt sich auch auf den „Vermögens- n ach the il, welchen der Beschädigte erlitten hat, und zwar: a. im Falle der Tödtnng, auf den Vermögensnachtheil, welchen der Getödtete während der Krankheit durch Er werbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit er litten hat. Es ist nicht jeder Vermögensnachtheil zu ersetzen, sondern nur der Verlust an Erwerb, welchen die Krankheit während ihrer Dauer veranlaßt hat, und zwar die Krankheit, welche Folge der tödtlichen Verletzung beim Betriebe der Bahn, des Bergwerks u. s. w. war. Der durch jede andere Krankheit herbeigeführte Verlust an Erwerb fällt nicht dem Haftpflichtigen zur Last. Unter Erwerb ist nicht nur der von oder bei dem Betriebe, welcher die Tödtung verursacht hat, zu verstehen, sondern jeder andere Erwerb, der nachweisbar durch die Krank heit unterbrochen ist. Wer Erwerb überhaupt nicht gehabt oder betrieben hat, kann natürlich auch keinen Vermögensnachtheil fragl. Art nachweisen. Das bloße Coupons-Abschneiden eines Rentiers, das dolce far niente des Banquiers int Bade oder auf Reisen ist als Erwerbsfähigkeit nicht zu erachten, wohl aber z. B. der Anspruch auf Leibrenten, Pensionen rc. Bei der gleichen Erwerbe wird dem richterlichen Ermessen und dem Gutachten der Sachverständigen (s. u. § 6) freies Feld zu lassen sein, so weit die Krankheit den Verlust der Reuten rc. vielleicht durch Aufenthalt in fremden Ländern oder sonst ver anlaßt hat. b. Im Falle der Körperverletzung ist der „in Folge der Verletzung durch eingetretene zeitweise oder dauernde Erwerbsunfähigkeit oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit" erlittene Vermögensnachtheil zu ersetzen. aa. Zu beachten ist, daß im Falle der Körperverletzung Alimentations-Ansprüche fremder Personen nicht beachtet, deshalb auch nicht crsatzberechtigt sind, wie für den Fall der Tödtung. Wird sich auch der Werth derselben bei Berechnung des Vermögensnachtheils des alimentationspflichtigen Verletzten geltend machen, so haben doch die Alimentenberechtigten keinen Anspruch gegen den Haftpflichtigen. bb. Die Erwerbsfähigkeit bestimmt sich auch bei dem Ver letzten nach dessen gesammter bisher erwiesener Erwerbskraft, nicht nur nach dem Erwerbe aus oder bei dem Betriebe, dessen Unternehmer haftpflichtig ist. Der Ausfall des Erwerbes ist aber von letzterem nur insoweit zu ersetzen, als er durch die Verletzung verursacht ist. Ein Rentier z. B., der selbst ein Bein verloren hat oder sonst verstümmelt ist in Folge der Ver letzung, wird dadurch noch nicht erwerbsunfähig, kann also höchstens Heilungskosten fordern vom Haftpflichtigen. Aehnlich verhält es sich bei allen Erwerbsarten, welche durch die Kör perverletzung nicht beeinträchtigt werden. Natürlich bleiben die nach andern Gesetzen oder Rechtsgrundsätzen, außer den Haft pflichtansprüchen, zustehenden Entschädigungsrechte bestehen (s. u. zu § 9). c. UnerlaubterErwerb oder rein vomZufall abhängiger Gewinn, wie ihn Bauernfänger, bezahlte Agitatoren, Spieler, Wahrsagerinnen, Huren u. s. w. erzielen, kommt im Falle der Tödtung oder Körperverletzung gegen Haftpflichtige nicht zum Ersätze. Ebenso wird die gewerbsmäßige Bettelei nicht als er satzberechtigter Erwerb anzusehen sein. Da alle hier genann ten Personen bekanntlich gern auf Reisen gehen und dabei die Eisenbahnen benutzen, so ist die Frage ihrer Ersatz-Ansprüche hier keineswegs eine müßige. — d. Die Vertretung des Verletzten in seinem Gewerbe durch unentgeltlich arbeitende Personen, als: nahe Verwandte, Lehrlinge u. s. w. schließt den Anspruch ans Ersatz des durch Erwerbsunfähigkeit erlittenen Vermögensuachtheils nicht aus. Denn das Gesetz sagt ausdrücklich, daß letzterer, „in Folge der Verletzung" eingetreten, ersetzt werden muß. Im Uebrigen hat der Haftpflichtige keinen Anspruch auf unentgeltliche Dienste der bezeichneten Vertreter, um so weniger, als eben durch die Thatsache der Vertretung die Erwerbsunfähigkeit des Verletzten bewiesen wird. 7. Bei dem Schadensersätze handelt es sich auch um die Frage, ob und wie der Ersatzberechtigte seine Ansprüche auf andere Personen überträgt? Diese Frage beantwortet sich bei den verschiedenen Ersatz-Kategorien folgendermaßen: a. Beerdigungskosten-Ersatz steht Jedem zu, der diese Kosten bestritten hat. Es geht also das bezügliche Klagerecht auf Jeden über, der den Belag der Bezahlung oder Veraus- lagung des Begräbnißaufwandes producirt, namentlich auch aus Armenverbände, Gemeinden, Begräbnißvereine, Sterbe kassen u. s. w. Denn das Gesetz ordnet den Ersatz dieser Kosten ohne Unterschied der Empfänger an. Daß die Forderung der Beerdigungskosten wie jeder an dere Entschädigungsanspruch durch Willenserklärung unter Le benden und von Todeswegen sowie durch die gesetzliche Erbfolge übertragen werden kann, bedarf keiner weiteren Ausführung. b. Die Heiluugs- (Cur-) Kosten-Ansprüche gehen wie die Beerdigungskosten auch auf dritte Personen über. c. Anders verhält es sich bei dem Erwerbs-Verluste. Die Erwerbssähigkeit ist eine rein persönliche Eigenschaft des Verletzten und hängt in ihren Erfolgen von Leben und Ge sundheit desselben ab. Soweit der Verlust derselbeu und der dadurch bewirkte Vermögensnachtheil noch nicht feststeht, sei es durch Vergleich, Richterspruch oder sonst definitive Entscheidung, ist er übertragungsfähig nur insoweit, als unbestimmte und zukünftige Ansprüche civilrechtlich auf Andere übergehen kön nen. Ein Klagerecht Dritter kann sich hienach immer nur für bereits feststehende oder fällige Beträge der Erwerbs-Entschädi gung statuiren. — Vergl. hierzu auch § 7, wo die Unsicherheit und Unbestimmtheit des hier in Rede stehenden Anspruchs durch gesetzliche Bestimmung noch gesteigert wird. d. Aehnlich verhält es sich mit den in § 3 Nr. 1 be stimmten Alimenten- Ansprüchen. Diese stehen einer andern Person, als dem Verletzten, von vornherein zu, können des halb auch nur von dem Berechtigten gegen den Haftpflichtigen geltend gemacht und ebenso auf Dritte nach den Vorschriften des Civilrechts übertragen werden. Zu beachten ist dabei, daß es sich im vorliegenden Falle nur um gesetzliche Alimenten- Ansprüche handelt (s. o. unter Nr. 5), nicht auch um vertrags mäßige oder aus unerlaubten Handlungen entsprungene. — Diese können nur gegen den Verletzten selbst geltend gemacht werden. Eine Rechtsfrage wäre, inwieweit dem Haftpflichtigen z. B. im Falle des Concurses oder sonst eintretender Insolvenz, der Einwand zu Statten kommen kann, daß er durch Zahlung der durch das Hastpflichtgesetz überkommenen Alimente an Dritte „die Seinigen pflichtmäßig zu ernähren unvermögend werde."*) - e. So weit die Ersatz-Ansprüche aus Dritte durch Willens- Erklärung oder Erbfolge übertragen werden, sind sie auch Ge- *) Vergl. z. B. § 129 Allgem. Landrecht Th. I. Tit. 6. — Jeden falls steht dem Haftpflichtigen der Einwand zu, so weit er nicht aus eigenem Verschulden, sondern nur nach der in §§ 1- 2. des Haftpflicht gesetzes überkommenen subsidiären Haftbarkeit die Alimentenzahlung zu leisten hat. — Unter Umständen kann es sich, namentlich bei Eisenbahn- Unfällen, um sehr bedeutende Alimentenbeträge handeln, da dem Richter nach § 6 die Bestimmung derselben zusteht, auch der wirkliche Bezug des Unterhalts ersetzt werden muß. 14 Leistungen der bezeichneten Kaffen, schon wegen der den Fa briken in sehr ungleichem Maße zur Last fallenden Verun glückungen, für dringend geboten. Eine Association gleichar tiger Fabrikanstalten zum Zwecke der gegenseitigen Uebertragung der Haftpflicht wird dem praktischen Bedürfniß und der Billig keit weit mehr entsprechen, als eine Befaffung der oben be zeichneten Selbsthilfs-Anstalten mit Haftpflichtleistungen. Nach der amtlichen Statistik zählte im Jahre'1869 die Industrie, ausschl. Baugewerbe, im Ganzen 515 Verun glückte, nämlich 478 männliche und 37 weibliche, und zwar verunglückten: durch Maschinen, Treibriemen, Mühlräder rc. 226 (26 weibl.), durch Explosion von Keffeln und Pulver mühlen 88 (weibl. 9), durch Verbrennung, Erstickung, Ver brühung, durch Dämpfe, durch Ausströmen von glühendem Metall 33, durch Herabsturz von Gerüsten beim Montiren von Maschinen rc. 26, gequetscht durch fallende Maschinen- theile, Werkzeuge oder sonstige Körper 52, durch verschiedene andere Ursachen 90 (weibl. 2). Sieht man diese Ursachen der Verunglückung näher an, so erfolgt letztere fast ausschließlich beim Maschinen-Betrieb. Es liegt deshalb nahe, für Haftpflicht-Verbindlichkeiten und deren gegenseitige Uebertragung Vereine zu bilden, ähnlich wie sie sich, nach Englands Vorgänge, jetzt auch in Deutschland „zur Ueberwachnng von Dampfkesseln" organisiren. Dergleichen Vereine bestehen bereits zu Mannheim, Nürnberg, Bernburg, München, Hamburg, Breslau, Berlin, und sind an andern Orten für größere Kreise schon in der Bildung begriffen. Uns scheint es, daß es gar keine passendere Ge legenheit, als diese Vereins-Organisation, zur Erledigung der Haftpflicht-Verbindlichkeiten geben möchte. Setzten sich die einzelnen Vereine in Verbindung in größeren Bezirken, ja bildeten sie eine große Vereins-Societät für ganz Deutschland, ganz Oesterreich u. s. w., in ähnlicher Weise, wie die Privat- Eisenbahnen (s. o. unter Zus. 2), so würden sich die Haft- pflichtleistungen zu sehr geringen Beiträgen für die einzelne Fabrik verflüchtigen. Das Beitrags-Verhältniß könnte sich entweder nach der Maschinenkraft, oder nach der Arbeiterzahl reguliren, so daß für je 1 Pf^dekraft oder für je 10 oder 100 Arbeiter ein bestimmter e# zu zahlen wäre. Die Ver waltung wäre bei den einzelnen Vereinen möglichst unent geltlich und nur für die Gesammtsocietät ein Central-Organ aus Sachverständigen und Jntereffenten zusammenzusetzen, denen ihre Auslagen und Mühewaltungen zu vergütigen wären. Dabei haftete der Immobilien-, Maschinen- und Vorrathswerth der einzelnen Societäts-Mitglieder gleichsam als Garantiefondö für die zu leistenden Beiträge, eine Garantie, wie sie schwerlich besser zu schaffen wäre. Die Fonds zu den laufenden Ausgaben wären durch bestimmte Beiträge im Vor aus zu beschaffen, und erst wenn sich deren Jnsnfficienz her ausstellte, durch Ausschreibung von Zuschlägen zu ergänzen. Behufs Veranlagung der Beiträge wären zu Jahres-Anfang oder einem sonst paffenden festen Termine von jeder einzelnen Fabrik-Anlage die Angaben über Maschinen- und Arbeits kräfte einzuziehen. Selbst wenn man die sämmtlichen in Fabriken vorkommenden Verunglückungen als Haftpflicht be gründend annähme, — (es wird sich diese in Wirklichkeit kaum auf ein Zehntheil der Unfälle nach Maßgabe des Haftpflicht- gesetzes erstrecken laffen,) — so würde dennoch bei einer Ver eins-Societät, wie wir sie oben andeuteten, der Jahresbeitrag der einzelnen Anlage für deren Ertrag kaum in's Gewicht fallen, zumal der Beitrag in den Productenpreisen als Pro ductions-Aufwand zur Anrechnung und Einziehung käme. Nehmen wir an, daß die hier in Rücksicht und Rechnung zu nehmende Fabrik en-Haftpflicht sich auf eine Maschinenkraft von 100,000 Pferdekräften zu vertheilen hätte, so würde sich eine Calculation der Beiträge folgendermaßen anstellen laffen: Nach der amtlichen Statistik verunglückten bei der Industrie auöschl. Baugewerbe 515 mit 620 Angehörigen. Davon ver unglückten tödtlich 294 mit 372 und nicht tödtlich 219 mit 248 Angehörigen. Nimmt man mit Dr. Engel für die Angehörigen der tödtlich Verunglückten den Satz von 1600 Thlr., für die nicht tödtlich Verunglückten den Satz von 800 Thlr. an, so würde das Capital, das als höchste Haft- pflichtleistung anzunehmen, auf 372 x 1600 Thlr. und 219 X 800 Thlr., zusammen auf 770,400 Thlr. sich stellen, es würde also auf 1 Pferdekraft Fabrikbetrieb ein Jahresbeitrag von nur 7, t Thlr. fallen. Und das bei der Annahme, daß sämmtliche Verunglückungen Haftpflichtfälle, und daß letztere sämmtlich mit Capital abzusinden wären. Die Abfindung wird sich jedoch in den meisten Fällen auf Renten stellen, so daß von dem 770,400 Thlr. Capital nur ein Prämiensatz von etwa 5 Procent, also im Ganzen eine Rente von 38,520 Thlr. zu leisten wäre, das macht pro Pferdekraft jährlich 1 1,556 Sgr. Und die wirkliche Haftpflichtleistung wird kaum 10 Pro ce nt der hier berechneten Sätze erreichen ! — Man sieht, daß die Schätzung der Haftpflicht von der extrem-socialistischen Agitation gegen die Großindustrie überall in'ö Ungeheuere getrieben ist, daß dieselbe wissentlich oder un wissentlich in ungeheueren Illusionen befangen war. — 5. Zu der Faffnng des § 4 wäre noch zu bemerken: Der Ausdruck „gegen Unfall versichert" ist nicht streng technisch zunehmen; derselbe hat nur die Bedeutung, daß für den Verunglückten und die zu Alimentation gegen ihn ge setzlich Berechtigten bei einer der genannten Anstalten oder Kaffen ähnliche Für- und Vorsorge getroffen sei, wie sie das Haftpflichtgesetz (§ 3) in den einzelnen Entschädigungen be zeichnet hat, daß also die Anstalten rc. Beerdigungs-, Heilungö-, Jnvaliditäts-, Alimenten-Kosten und Ersatz zahlen. Ob der Verunglückte oder ein Dritter diese sogen. Versicherung be wirkt und bezahlt hat, ist rechtlich gleichgiltig, bis auf das Drittel der bezüglichen Gesammtleistung, welche mindestens vom Haftpflichtigen getragen sein muß. — Der Ausdruck„einzurechnen" ist gleichbedeutend mit „an zurechnen," und hat nicht etwa den Sinn, daß das Gesetz voraussetze, die Leistungen der fragt. Kassen rc. seien geringer anzunehmen, als die ganze Haftpflichtleistung im betreffenden Falle. Der Richter kann vielmehr die Perceptionen aus den Kaffen rc. als vollen Ersatz der Haftpflichtleistung erkennen, ja es steht ihm frei, grundsätzlich für alle Fälle die Kaffen- rc. Leistungen für genügend zu erklären, die Haftpflichtleistung vollständig zu adsorbirem Bei den Knappschaftövereinen wird, so weit es sich um Haftpflicht gegen Arbeiter handelt, die Voraussetzung der vollständigen Ausgleichung beider Leistungen wohl die Regel bilden. Es ist ferner nicht erforderlich, daß die Für- und Vor sorge für den Unfall bereits zur Zeit des wirklichen Eintritts des letzter» erfolgt sei, vielmehr können die entsprechenden Versicherungs-Maßnahmen auch nach Eintritt des Unfalls geschehen sein. 6. Dem Richter steht nach § 7 bezüglich der Höhe des Schadensersatzes freies Arbitrium zu. Er kann deshalb die in § 4 bezeichneten Bezüge des Ersatzberechtigten auch mit Rücksicht darauf, daß letzterer aus eigenem Vermögen oder ans andern Vermögens- und Einnahmequellen die Folgen des Unfalls tragen könne, sowie jeden anderen Ersatz für ge nügend erkennen, die Haftpflicht zu erledigen und den Haft pflichtigen von weiteren Leistungen zu befreien. — ‘iti WM mkà A - ; mm U şà- ‘¿¡¿ \ : #w ber. :A#3 m.: Vom Standpunkte der à ... ' . ,. ' ■ mit besonderer Rücksicht auf . Éf fis M': Wr : C Ä % V4'W‘ L- i.ķ$ «r. Kdolf,ZîranH. : # sA° ļşş K- ?■:■■': J 'ïM>X m > ^T, 1 Ils 1 8 7 2. Druck von B. Wylezol ck Go. in Beuth en % IH pr 7271 ma ■■kWm Die Haftpflicht der à A V- Eisenbahn-, Bergbau- und Fabrik-Unternehmer. Dargestellt und erläutert von Ad. Frantz. In Erfüllung uns ausgesprochenen Wunsches und unseres Versprechens haben wir das Neichsgesetz vom 7. Juni 1871 einer Bearbeitung in Form des Commentars unterzogen, wie sie unsern Lesern und den Interessenten des Gesetzes überhaupt jetzt um so willkommener sein niöchte, je lebhafter sowohl in Deutschland wie auch in Oesterreich und andern Ländern die Einrichtung von Anstalten zur Erledigung der Haftpfiicht bei Unfällen diScutirt und betrieben wird. Der Reichstag des Norddeutschen Bundes*) hat am 24. April 1868 eine Petition aus Leipzig, in welcher auf eine Revision der gesetzlichen Bestimmungen über die Schadens- Ansprüche von Privatpersonen bei nicht von ihnen verschuldeten Unglücksfällen auf Eisenbahnen, in Bergwerken, Fabriken u. s. w. angetragen wird, dem Bundeskanzler zur thunlichsten Berück sichtigung übergeben. — Die Mängel der bestehenden Gesetz gebung sind in prozessualer Beziehung vornehmlich in der zu großen Beschränkung des richterlichen Ermessens bei Er mittelung des Thatbestandes und Abschätzung des- Schadens, soweit es das materielle Recht betrifft, aber darin gefunden, daß die Klage auf Ersatz nur gegen den unmittelbaren, in der Regel unvermögenden Urheber gegeben wird, daß der Kreis der zur Entschädigungsklage berechtigten Personen zu sehr be schränkt, sowie daß das Maaß der Entschädigung in der Regel unzulänglich sei und fast niemals einen ausreichenden Ersatz für die Einbuße gewähre, welche dem Beschädigten aus seiner temporären oder dauernden Arbeitsunfähigkeit, beziehungsweise den Hinterbliebenen durch den Verlust ihres Ernährers erwachse. — Eine eingehende Erwägung hat zu der Ueberzeugung führen müssen, daß die Fortschritte der Industrie allerdings Verhält nisse geschaffen haben, denen gegenüber die allgemeinen Grund sätze über die Verpflichtung zum Schadensersätze in den ge dachten Fällen nicht mehr für ausreichend erachtet werden ') Bei der nachfolgenden Darlegung des Gesetzes sind die dem Bundesraths-Entwürfe hergegebenen Motive „Mot.", die bei den Reichs- tags-Berhandlungen vorgebrachten Anträge rc. „Drucks." (Drucksachen), die Berichte über jene Verhandlungen „Sten. Ber." (Stenographische Be richte) citirt. — Bei unseren Erläuterungen tragen wir übrigens nur den Interessen des praktischen Lebens Rechnung, die rein doctrinellen Bemer kungen und Ausführungen den sür wissenschaftliche Kreise vorzüglich be stimmten Bearbeitungen des Gesetzes überlassend. können. — Wenn es tnt Hinblick auf die in gleicher Propor tion mit der Entwickelung industrieller Anlagen sich mehrenden Unglücksfälle die Aufgabe der Reichsgesetzgebung ist, der körper lichen Integrität einen erhöhten Rechtsschutz zu verleihen, so muß davon abgesehen werden, eine generelle Reform der Grund sätze über die Verpflichtung zum Schadensersatz herbeizuführen. Ein so weit gestecktes Ziel würde nur im Zusammenhange jnit dem ganzen System des Obligationenrechtes sich erreichen lasten. Zur Zeit wird es sich allein darum handeln können, im Wege eines Specialgesetzes Bestimmungen zu treffen, um denjenigen, welche bei mit ungewöhnlicher Gefahr verbundenen Unterneh mungen an Leib oder Leben beschädigt werden, beziehungsweise ihren Hinterbliebenen einen Ersatz des erlittenen Schadens zu sichern. — Hierbei werden vorzugsweise die Eisenbahnen, Bergwerke und Fabriken in Betracht zu ziehen sein. — Zwar hat die Eingangs erwähnte Petition auch die Trans port-Anstalten zur See (Segel- und Dampfschiffe) als Unternehmungen bezeichnet, bezüglich deren eine strengere Haf tungsverbindlichkeit einzuführen wäre. Es ist jedoch hierbei übersehen,, daß das nunmehr als Neichsgesetz geltende Han delsgesetzbuch in diesem Punkte vollkommen ausreichende Be stimmungen enthält. Nach Vorschrift des Artikel 451 dieses Gesetzbuches ist der Rheder für den Schaden verantwortlich, welchen eine Person der Schiffsbesatzung einem Dritten durch ihr Verschulden in Ausführung ihrer Dienstverrichtungen zufügt. Ebenso haftet der Schiffer nach Art. 478 sür jeden durch sein Verschulden entstandenen Schaden, und ist durch Art. 479 noch besonders ausgesprochen, daß diese Haftung auch den Reisenden gegenüber bestehe. Wenn also, wie Petenten behaupten, in Folge der neuerlich auf deutschen Auswandererschiffen vorge kommenen Unfälle keine Entschädigungsansprüche erhoben sind, so wird die Ursache dieser Erscheinung jedenfalls nicht darin zn finden sein, daß es an den rechtlichen Bestimmungen gemangelt hätte, um den Beschädigten den Ersatz ihres Schadens zn er möglichen. (Mot.) — So die „Motive". Was dieselben werter enthalten über die Beschränkung auf Eisenbahnen, Bergwerke und Fabriken, widerlegt die Ansicht sehr maßgebender Fachautoritäten nicht, welche jene Beschränkung für ebenso unzweckmäßig als unge rechtfertigt erklärt.