— 39 — das Werk einer sonderbar gestimmten, nie wiederkehrenden Betätigung menschlicher Charaktere. Die Gestalt ist in beiden Fällen einzig („historisch"): aber „Stoffe" und „Kräfte" setzen wir im einen Falle als ewig gleiche, im andern Falle ebenfalls als historisch, das heißt in dieser Zusammensetzung einzig gegebene. Man vergleiche zur Übung: Preisbildung und Verbrennung! Schwerkraft und Gewinnstreben! Diese Unterschiedlichkeit des Objektes bedingt nun aber unmittel bar den wie mir scheint bei weitem wichtigsten Unterschied zwischen Naturwissenschaft und MenschenwissenschafU die grundverschiedene Art dessen, was wir „erkennen" nennen. Die Natur erkennen heißt sie beschreiben, heißt die beobachteten Vorgänge auf eine Formel bringen, heißt Ursachen Hhpostasieren, von deren Wesenheit wir nichts wissen. Den Menschen und sein Handeln erkennen, heißt: erklären, heißt deuten aus eigenem Erlebnis, heißt Gründe nachweisen, von denen wir aus uns selbst heraus Kunde haben, die wir somit kennen. Anders ausgedrückt: wirkliche Erkenntnis gibt es nur im Gebiete der Geisteswissenschaft; während das, was wir Naturerkennen heißen, nichts anderes als eine Umschreibung von Vorgängen bedeutet, von deren innerem Zusammenhange wir nichts wissen. Ich kenne die letzte Ursache nicht, die den Stein zum Fallen bringt; denn wenn ich sie „Schwerkraft" nenne, so setze ich ein Wort ein, ohne darum üefer in die Sache einzudringen. Wenn aber jemand dem andern den Schädel mit einem Stocke einschlägt, so vermag ich hierfür Gründe anzugeben, weil ich die Handlung, die zum Schädel- einschlägen geführt hat, aus meiner Seele zu erklären vermag. Wer möchte sagen, warum die Erde um die Sonne kreist. Aber warum Romeo um Julia, Napoleon um England, der Jobber um die Börse kreisen: das weiß ich, denn wiederum habe ichs erlebt.