30 Da die Entwicklung des Klassengegensatzes gleichen Schritt hält mit der Entwicklung der Industrie, finden sie eben so wenig die materiellen Bedingungen zur Befreiung des Proletariats vor, und suchen nach einer sozialen Wissenschaft, nach sozialen Gesetzen, um diese Bedingungen zu schaffen. An die Stelle der gesellschaftlichen Thätigkeit muß ihre persönlich erfinderische Thätigkeit treten, an die Stelle der geschichtlichen Beding ungen der Befreiung phantastische, an die Stelle der allmälig vor sich gehenden Organisation des Proletariats zur Klasse eine eigens aus geheckte Organisation der Gesellschaft. Die kommende Weltgeschichte löst sich für sie auf in die Propaganda und die praktische Ausführung ihrer Gesellschaftspläne. Sie sind sich zwar bewußt, in ihren Plänen hauptsächlich das Inter esse der arbeitenden Klasse als der leidendsten Klaffe zu vertreten. Nur unter diesem Gesichtspunkt der leidendsten Klasse existirt das Proletariat für sie. Die unentwickelte Form des Klassenkampfes, wie ihre eigene Lebens lage bringen es aber mit sich, daß sie weit über jenen Klassengegensatz erhaben zu sein glauben. Sie wollen die Lebenslage aller Gesellschafts glieder , auch der bestgestellten, verbessern. Sie appelliren daher fort während an die ganze Gesellschaft ohne Unterschied, ja vorzugsweise an die herrschende Klasse. Man braucht ihr System ja nur zu verstehen, um es als den bestmöglichen Plan der bestmöglichen Gesellschaft anzu erkennen. Sie verwerfen daher alle politische, namentlich alle revolutionäre Aktion, sie wollen ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen und ver suchen, durch kleine, natürlich fehlschlagende Experimente durch die Macht des Beispiels dem neuen gesellschaftlichen Evangelium Bahn zu brechen. Die phantastische Schilderung der zukünftigen Gesellschaft entspringt in einer Zeit, wo das Proletariat noch höchst unentwickelt ist, also selbst noch phantastisch seine eigene Stellung auffaßt, feinern ersten ahnungs vollen Drängen nach einer allgemeinen Umgestaltung der Gesellschaft. Die sozialen und kommunistischen Schriften bestehen aber auch aus kritischen Elementen. Sie greifen alle Grundlagen der bestehenden Ge sellschaft an. Sie haben daher höchst werthvolles Material zur Auf klärung der Arbeiter geliefert. Ihre positiven Sätze über die zukünf tige Gesellschaft, z. B. Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündigung der gesellschaftlichen Harmonie, die Verwandlung des Staates in eine bloße Verwaltung der Produktion — alle diese ihre Sätze drücken bloß das Wegfallen des Klassengegensatzes aus, der eben erst sich zu ent wickeln beginnt, den sie nur noch in seiner ersten gestaltlosen Unbe stimmtheit kennen. Diese Sätze selbst haben daher noch einen rein utopistischen Sinn. Die Bedeutung des kritisch-utopistischen Sozialismus und Kommunis mus steht im umgekehrten Verhältniß zur geschichtlichen Entwicklung. In demselben Maaße, worin der Klassenkampf sich entwickelt und ge staltet, verliert diese phantastische Erhebung über denselben, diese phan tastische Bekämpfung desselben allen praktischen Werth, alle theoretische Berechtigung. Waren daher die Urheber dieser Systeme auch in vieler Beziehung revolutionär, so bilden ihre Schüler jedes Mal reaktionäre