War die Regelung der gewerblichen Kinderarbeit notwendig? 11 Unsinn, wenn die Gesundheit und die Sittlichkeit gefährdet sind? Ist es Zufall, „daß in Gebieten mit hoher industrieller Entwicklung und ausgedehnter Verwendung jugendlicher Arbeitskräfte auch die Kriminalität der Jugendlichen im Verhältnis zu der der Erwachsenen hoch ist?" Zirkus, Ballet u. dgl., Bedienen der Gäste durch schul pflichtige Mädchen — bergen sie nicht die schwersten Gefahren? Ist nicht nachgewiesen, daß Übermaß von Arbeit ein Kind arbeitsscheu macht? Weiter, daß ein Kind wohl meint, es müsse Arbeit ein bitteres Los sein, nur der Armut eigen? Die Motive berühren die sittliche Seite nur wenig, verschließen sich aber den vorliegenden Gefahren keineswegs. Da heißt es in der Begründung bezüglich der Theateraufführungcn, öffentlichen Vor- und Schaustellungen: „Dabei blieb nicht unberücksichtigt, daß die Verwendung von Kindern auch bei den der Kunst und Wissenschaft dienenden Schaustellungen mit Ge fahren für die Kinder verknüpft ist. Indessen schien die Gewährung einer Ausnahmestellung für künstlerische und wissenschaftliche Unternehmungen um deswillen weniger bedenklich, weil angenommen werden darf, daß hier für eine ausreichende Beaufsichtigung der Kinder gesorgt werden wird." Und weiter: „Die untere Verwaltungsbehörde wird zu prüfen haben, ob die Person des Leiters der Unternehmung genügende Sicherheit dafür bietet, daß die Kinder vor sittlichen Gefahren behütet bleiben." Über das Bedienen der Gäste durch Mädchen s. § 7 und Aus führungsbestimmungen zu § 16 (hier in Teil II). Daß der Reichstag den § 7 noch wesentlich verbessert annahm, ist auch ein Beweis für die Anerkennung des notwendig zu vermehrenden Schutzes jener Kinder in sittlicher Beziehung. 6. Notwendigkeit aus intellektuellen Gründen. Wir schreiben diese Zeilen nicht für Lehrer allein. Diesen ist bekannt, wie häufig übermäßig beschäftigte Kinder in geistiger Be ziehung leiden, wie solche Kinder, wenn ihrer viele in derselben Klasse sind, zum Hemmschuh der ganzen Schule werden. Mit Recht wird es bedauert, daß z. B. in Berlin im Etatsjahr 1902 nur 10 Pro- zent aller Kinder das Ziel der Volksschule erreichen.