3 79 6* sichtig Ausgaben und Anleihen beschließen, ohne die Unter lagen für ihre Kreditwürdigkeit ausreichend zu prüfen. Auf denselben Mangel geht auch die Tatsache zurück, daß bei uns der Finanzmann im Kreise der Ministerkollegen, wie in fast allen andern Beamtenkreisen nicht dasjenige Gewicht besitzt, das er anderswo hat und das ihm nach der durch schlagenden Bedeutung seines Ressorts eigentlich zukommt; denn der Nervus rerum regiert auch heute noch die großen wie die kleinen Dinge. Gerade hier ist das Bestreben des Herrn Sydow, die Stellung des Reichsfinanzmannes durch Festlegung der Zuschüsse der Bundesstaaten überhaupt zu stärken, von großer Bedeutung; daß er damit nicht etwa den Etat auf mehrere Jahre hat festlegen und damit das Budget- recht des Reichstages hat beschneiden wollen, bedarf keiner Versicherung. Er will sich eben nur gegen die zu weit gehenden Anforderungen der Spezialressorts schützen. 2. Die zweite Ursache der Schwierigkeiten liegt in der so geringen Opferwilligkeit des Deutschen für öffentliche Zwecke. Wohl in keinem zivilisierten Lande macht es der artige Schwierigkeiten, private Güter für Gemeinzwecke los zumachen, wie bei uns; das bedarf keines Beweises. Die Ursache liegt in dem Mangel an Gemeinsinn, wie er den Deutschen immer noch so unvorteilhaft auszeichnet, den Deutschen, der da schreit, als wenn die Welt unterginge, wenn er für sein Bier l j 2 oder 1 / 3 Pf. mehr zahlen soll; der aber kein Bedenken hat, auf das neunte noch das zehnte Glas draufzusetzen, und dann wieder in höchster Unzufrieden heit auf braust, wenn der Feldwebel um ein Millimeter zu breit ausfällt. Dieser Mangel an Gemeinsinn beruht psycho logisch auf der geringen Entwicklung des Altruismus, der die Grundlage jeder Betätigung im Dienste des öffentlichen Wohles ist. Versteht man unter Kultur wesentlich auch die Abkehr vom Egoismus, so kommen wir Deutsche noch recht schlecht weg. Gemeinsinn, aus selbstbekämpftem Egoismus hervorgehend, muß ein jeder besitzen, der sich als echter Staatsbürger und als Kulturmensch an- s'prechen will. Der Gemeinsinn ist eine hohe Kultureigen schaft, die vor allem in sich begreift die zum Gedeihen der All gemeinheit absolut notwendige Opfer Willigkeit, verbunden mit und hervorgegangen aus der Ueberzeugung, daß der Staats bürger nicht nur dafür da ist, den Schutz und die sonstigen Ent wicklungsmöglichkeiten der staatlichen Gemeinschaft für seine Privatwirtschaft und Person zu genießen, sondern daß es auch seine verdammte Schuldigkeit und Pflicht ist, nach den eigenen Leistungskräften zu den Lasten der Allgemein