I. Die Kinderarbeit als Begleitcrfdicinung der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Wenn man einmal in künftigen besseren Zeiten auf die kapitalistische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung zurück blicken wird, dann wird vor dem Richterstuhle der Geschichte unter all den Verbrechen, die sie an der Menschheit und ihrem Glück begangen hat, am schwersten die Ausbeutung der Kinder ins Gewicht fallen. Denn „die Aussaugung der Lebenssäfte aus diesen wehrlosesten Geschöpfen, die Ver nichtung der Lebensfreude gleich an der Schwelle des Lebens, die Verzehrung der Saat der Menschheit schon auf den Halmen — das ist mehr als alles, was die furchtbare Herrschaft des Kapitals an der Gegenwart sündigt, das sind auch noch Eingriffe mit mörderischer Hand in die Zukunft". 1 Kannte denn die vorkapitalistische Zeit die Kinder arbeit nicht? Wohl ist schon in frühesten Zeiten von Kin dern Arbeit geleistet worden, aber sie vollzog sich im Rahmen der Hauswirtschaft und für den Bedarf der Familie selbst. Da es also nicht Erwerbsarbeit war, fehlte ihr der aus beutende Charakter, ging sie nicht über ein gesundheitlich und erziehlich zulässiges Maß hinaus. Dasselbe gilt auch in der Regel dort, wo wir im alten Handwerk Knaben von 11 oder 12 Jahren als Lehrlinge finden. Und die Hirtenknaben müssen damals — nach der Rolle zu urteilen, die sie in Dichtung und Sage spielen — ein wesentlich an- * Rosa Luxemburg, Leipziger Volkszeitung, Nr. 97 von 1902.