— 82 — Es muß hier hervorgehoben werden, daß die oberste Schicht der russischen Intelligenz, welche teils im Ausland, teils zu Hause von ausländischen Erziehern oder in den von den Ausländern gegründeten inländischen Pensionaten eine für die damalige Zeit ziemlich gute Bildung genoß, schon seit Ende des XVIII. Jh. unter dem mächtigen Einfluß der Auf klärung und später unter dem der Revolutionsideen stand. Der Einfluß der europäischen Kultur wurde noch stärker, als diese Intelligenz nun im Kriege von 1812 in unmittel bare Berührung mit dieser Kultur selbst kam und Vergleiche der Einrichtungen des eigenen Vaterlandes mit denjenigen in Westeuropa anstellen konnte. Es begann denn auch gleich nach der Beendigung des französischen Krieges eine freiheitliche Bewegung, welche allerdings nur auf höhere Kreise und besonders auf die Offizierskreise der Armee beschränkt blieb und welche dann in der bekannten Deka- bristen-Revolte von 14. Dez. 1825 gelegentlich des Thron wechsels ihren Ausdruck pnd vorläufigen Abschluss fand. Als nun die Regierung Kaiser Alexanders I. unter dem Einfluß der freiheitlichen Ideen begann, tauchten im Kreise des genannten Komitees verschiedene Reformprojekte auf. Es wurde hin und her beraten, der Kaiser selbst konnte sich jedoch nicht entschließen, etwas Bestimmtes vorzu nehmen. Zwar wurde im Jahre 1803 der sog. Ukas von »den freien Bauern« erlassen, nach dem es den Gutsbe sitzern unter bestimmten Bedingungen erlaubt war, die Leibeigenen in Freiheit zu setzen, der Erfolg aber dieses Erlasses blieb recht gering, denn bis zum J. 1855 haben nur 384 Gutsbesitzer von dieser Erlaubnis Gebrauch gemacht und nur 115734 Personen beiderlei Geschlechts haben ihre Freiheit erhalten. 1 ) Selbstverständlich fehlte es seitens der Hochbureaukratie und des Hochadels nicht an der Gegenwirkung und Reaktion gegen das freiheitliche Treiben der höheren Kreise der In- *) Burz. II. 3. Vgl. Sem. 171.