Full text: Der Weltverkehr und seine Mittel

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Posten und Postwesen. 
Depeschen aus der Provinz, die für Paris bestimmt waren, stellte sie in Form eines 
Journals auf typographischem Wege zusammen und verminderte demnächst ihren räum 
lichen Umfang mikroskopisch durch Photographie soviel als möglich. Zu diesen Photo 
graphien verwendete man anfangs Papier, später aber ganz dünne, besonders präparierte 
Häutchen, welche so leicht waren, daß eine einzige Taube 18 Exemplare derselben mit 
zunehmen vermochte, weil diese 18 Häutchen zusammen kaum das Gewicht von einem 
halben Gramm erreichten. Auf einem solchen Blättchen, das 3 cm lang und 1 cm breit 
war, wurden 16 bedruckte Folioseiten wiedergegeben, und da eine Taube so viele Häutchen 
trug, so brachte ein einziger solcher Bote oft Tausende von Depeschen in das belagerte 
Paris. Diese Depeschen wurden in 6 bis 20, ja sogar bis 30 gleichlautenden Exemplaren 
durch ebenso viele geflügelte Boten nach Paris entsendet, um auf die Ankunft wenigstens 
eines Exemplars am Bestimmungsorte mit Sicherheit rechnen zu können. Sie wurden 
zusammengerollt in einen Federkiel gesteckt, welchen man versiegelte und mit einem Seiden 
faden unter der mittleren Schwanzfeder der Brieftaube befestigte. Im Laufe der Be 
lagerung der Stadt wurden etwa 300 Tauben nach Paris entsendet, von denen jedoch 
nur einige siebzig ihr Ziel erreichten. Diese genügten jedoch, um den Parisern 115 000 
verschiedene Depeschen zuzuführen. Die Depeschen gingen an die Zentralpostverwaltung 
in Paris. Dort wurde ihr Inhalt auf photographischem Wege vergrößert und demnächst 
in die verschiedenen Quartiere der Stadt weitergesaudt. Durch die Taubenpost erhielten 
die Pariser unausgesetzt Kenntnis nicht nur von den Vorgängen in der Provinz, sondern 
auch von dem Befinden der Ihrigen, die außerhalb der Metropole sich befanden, und die 
die Stadt belagernden Deutschen mußten mit Plinius ausrufen: „Was helfen Schild 
wachen, Wälle oder Netze in den Flüssen, wenn man durch die Luft Botschaften senden 
kann." Die vortrefflichen Dienste, welche den Parisern während der Belagerung durch 
die Taubenposten geleistet worden sind, haben die deutsche Militärverwaltung veranlaßt, 
auf verschiedenen Punkten, namentlich an den Küsten und in festen Plätzen, Stationen zu 
errichten, wo Brieftauben gezüchtet und zum Fluge von bestimmten Gegenden her nach 
dem Stationsorte abgerichtet werden, um dieselben für den Fall des Krieges zum Nach 
richtendienst verwenden zu können. Auch verschiedene in Deutschland bestehende Tauben 
zuchtvereine sind die Verpflichtung eingegangen, Tauben den Wünschen der Militärver 
waltung entsprechend auszubilden und sie dieser im Kriegsfälle zu überlassen. Zum 
Schutze solcher Tauben sind besondere gesetzliche Bestimmungen ergangen. 
Die größere Fluggeschwindigkeit der Schwalben sowie deren bekannter Orientierungs 
sinn haben Veranlassung gegeben, auch mit Schwalbenposten Versuche anzustellen. 
Dabei hat man gefunden, daß die Schwalben den Tauben hinsichtlich der Schnelligkeit 
weit überlegen sind, daß aber die Zähmung und Abrichtung der ersteren ungleich schwieriger 
und mühevoller ist, als die der letzteren. 
Ballonpost. Eine Erfindung der neuesten Zeit ist die Ballonpost. Von derselben 
wurde im Deutsch-französischen Kriege 1870 — 71 in ausgedehntem Maße Gebrauch 
gemacht. Während der Einschließung von Paris wurden aus dieser Stadt von Zeit zu 
Zeit Luftballons entsendet, um den übrigen Bewohnern Frankreichs von der Hauptstadt 
aus Nachrichten zuzuführen. Die Ballons wurden für Rechnung der Postverwaltung 
ausgerüstet und von derselben auch befrachtet. Die mit denselben zu befördernden Briefe 
unterlagen einem Porto von 20 Centimes für je 4 g Gewicht. Sie wurden mit einem 
Stempel „par ballon monté“ bedruckt. Die Ballons waren aus gefirnistem Baumwoll 
stoffe in der Größe von etwa 2000 cbm hergestellt. Zur Füllung wurde gewöhnliches 
Leuchtgas benutzt, welches bei gleichem Volumen etwa um die Hälfte leichter ist als die 
atmosphärische Luft und billiger zu stehen kommt als das sonst zur Füllung der Ballons 
verwendete Wasserstoffgas, dessen spezifisches Gewicht allerdings noch erheblich geringer 
ist als dasjenige des Leuchtgases. Unter dem Ballon war eine Gondel angebracht, welche 
die Luftschiffer, die etwaigen Passagiere, die Briefsäcke und den Ballast aufnahm. Ferner 
wurden Anker, Hemmseile, Barometer und Proviant mitgenommen. Die Ballons stiegen 
langsam bis zu 1000 m Höhe und bewegten sich dann in der Richtung des Luftstromes
	        
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