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plötzlich stark bis zum Tiefstand 1908 herabzugleiten. Von 1909 beginnt ein neuer Aufstieg, der
im Jahre 1911 noch anhielt. Diese Wellenbewegung entspricht, im einzelnen allerdings durch
örtliche Verhältnisse beeinflusst, dem Auf und Nieder des deutschen Wirtschaftslebens. Mit 1903
datiert nach der wirtschaftlichen Depression in Verfolg der Krise von 1900 der Beginn eines
neuen gewerblichen Aufschwungs; trotz Verteuerung des Geldes, dessen Preis, ausgedrückt in Reichs
hankdiskont den besten Gradmesser für die Konjunktur abgibt, hält die Steigerung der Baulust
auch noch 1904 an, da die Wohnungsnot um die Wende des Jahrhunderts eine steigende
Rentabilität des Bauens verbürgte und in Düsseldorf die Nachwehen der Krisis von 1900 dank der
Ausstellung nicht so sehr wie anderorts zu verspüren waren; wie die Kurven zeigen, laufen
Reichsbankdiskont und Bauerlaubnisse bis 1904/05 parallel. Wie aber seit 1905 bis zum Höhe
punkt des neuen gewerblichen Aufstiegs der Diskont der Reichsbank immer höher und höher ge
schraubt wird, erlahmt die Baulust, und die Baugesuche nehmen ganz bedeutend ab, weil mit der
Verteuerung namentlich des kurzfristigen Kredits auch die Preise für die Materialien und die
Arbeitskräfte in die Höhe gingen, dazu der Wohnungsmangel im wesentlichen beseitigt schien,
Gelder für langfristigen Baukredit nur schwer zu beschaffen waren, eine Rentabilität des Bauens
nicht mehr wie früher in Aussicht stand. Von 1908, dem Wendepunkt zu dem neuen Aufstieg in
Handel und Gewerbe, steigt die Kurve dann wieder empor, zum Schluss wieder in Parallelismus mit
der Gestaltung des Reichsbankdiskonts. Dabei haben die Eingemeindungen nur graduell auf
das Steigen gewirkt, dieses selbst aber nicht veranlasst.
Einen fast lückenlosen Parallelismus lässt die graphische Darstellung noch zwischen der
Kursentwicklung eines typischen und beliebten Rentenpapiers, der 3 1 /2%ig en Reichsanleihe, und der
zahlenmässigen Gestaltung der Baugesuche erkennen, Abweichungen (1903/04 und 1909/10) erklären
sich ohne weiteres aus der Tatsache, dass der Hypothekenmarkt sich stets den Wandlungen auf dem
allgemeinen Geldmarkt anschmiegt, die Rentenkurse dagegen, worauf erst jüngst Julius Wolf 1 )
besonders hinwies, ihren höchsten Stand zu Beginn des Aufschwungs und ihren tiefsten zu
Beginn der Depression aufzuweisen pflegen.
Die Abhängigkeit der Baulust vom Geldmarkt kann durch örtliche und persönliche Ver
hältnisse im einzelnen verschoben und verwischt werden, aber nur wenige Faktoren sind es
im Grunde, die das Gesamtbild massgebend zu beeinflussen vermögen. Der wichtigste dieser
Faktoren ist, abgesehen von dem jeweiligen Grad der Nachfrage nach Gebäuden, worauf weiter
unten besonders eingegangen wird, die Bauor dnung. Soweit diese in dem Zeiträume 1903 bis 1910
Änderungen erfuhr, ist ein hemmender Einfluss auf die Gesamtbaulust kaum zweifelsfrei fest
zustellen * 2 ). Jedenfalls aber dürfte die anhaltende Wendung zum Besseren in den letzten Jahren
mit auf manche für die Entwicklung günstigen Bestimmungen der „Notbauordnung“ von 1909
zurückzuführen sein. Ein wesentlicher Einfluss der Bauordnung zeigt sich weniger in den Wand
lungen der Baugesuchsgesamtzahl als vor allem in der Verteilung der Bautätigkeit auf die einzelnen
Stadtgebiete und -viertel, sowie in der Art und Beschaffenheit der Gebäude.
Wesentlicher kann, namentlich zu Zeiten darniederliegender Baulust, diese durch Erleich
terung der Geldbeschaffung unter gemeinnützigen Gesichtspunkten beeinflusst werden. Fraglos
hat in dieser Hinsicht das Hypothekenamt der Stadt Düsseldorf wohltätig gewirkt, die Ab
wärtsbewegung namentlich des Wohnhausbaues hintangehalten und den Aufstieg erleichtert; näheres
darüber findet sich im Abschnitt E dieser Arbeit. Dass die neuerlichen Bestrebungen auf Einrich
tungen zwecks Gewährung auch zweiter Hypotheken ebenfalls allmählig zu einem greifbaren
Ergebnis zu führen scheinen, darf dabei angemerkt werden.
Die Einwirkung anderer Momente auf die Bewegung der Baugesuche entzieht sich der
Beobachtung, zum mindesten einigermassen sicherer Kontrolle und ziffernmässiger Feststellung.
Eine Ausnahme macht die Bauarbeiteraussperrung von 1910, deren Einfluss unverkennbar
ist (vergl. dazu auch nachfolgend S. 13*), betrugen doch die ßaugesuche für Wohngebäude 3 ):
April
Mai
Juni
im Aussperrungsjahr 1910
43
53
66
im Vorjahre 1909
67
63
95
Die vorstehend geschilderte Entwicklung verläuft aber nicht für alle Arten der Baugesuche
gleichmässig, ja der Verlauf im einzelnen zeigt oft wesentliche Abweichungen vom Gesamtbild. Die
umfangreichste Gruppe in der Gesamtheit der Baugesuche stellen die Bauveränderungen kleineren
und grösseren Stils dar; ihr Einfluss ist darum auch im Diagramm der grösste. Abweichungen in
dessen Linienführung — und zwar gerade in den Wendejahren 1903/04 und 1907/08 — weist
besonders die Kurve der Wohngebäude auf. Das Anziehen des Diskonts lässt am ehesten die
hierauf gerichtete Baulust erlahmen, weil sie am meisten auf ein Renteneinkommen abzielt. In der
ganzen Zeit, während der der Diskont steigt, vermindern sich, ohne sich von vorübergehenden
Ermässigungen beeinflussen zu lassen, die Gesuche für Wohngebäude fortgesetzt. Erreicht 1907 mit
') Bankarchiv 1911, Nr. 17.
2 ) Allerdings heisst es in einer Denkschrift des Architekten- und Ingenieur-Vereins von 1909; „Das Bauen
ist durch die Bauordnung erheblich verteuert worden und die Erzeugung von Wohnungen ist zurückgegangen.“
3 ) Da die eingemeindeten Vororte erst vom 1. Juli ah in die statistische Berichterstattung einbezogen wurden,
und die Aussperrung vom 15. März bis zum 16. Juni dauerte, gelten die angeführten Zahlen für Alt-Düsseldorf 1910.