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aus beiden die religiöse Pflicht, das Wirtschaftsleben
so zu beeinflussen, daß es der allgemeinen Religiosität nach
Möglichkeit günstig ist. Ich habe Recht und Pflicht evan
gelisch-sozialer Arbeit grundsätzlich zu erweisen gesucht.
Aber nun steht aus der anderen Seite die Erkenntnis, daß
Religion und Wirtschaftsleben getrennte Gebiete sind.
Aus diesem Widerspruch ergeben sich nun die komplizierten
Fragen evangel.-sozialen Handelns, die mir wichtiger
dünken, als alle theoretisch-philosophischen Fragen über
das Thema Religion und Wirtschaftsleben. An der Her
ausarbeitung dieser Probleme hat der Evangelisch-soziale
Kongreß in 20jühriger Arbeit Hervorragendes geleistet —
an der Herausarbeitung, denn gelöst sind die Fragen noch
nicht"), und nachdem der evangelisch-soziale Gedanke ein
mal erwacht ist, wird er nach menschlichem Ermessen nicht
wieder zur Ruhe kommen, denn daß die sozialen Probleme
und Schwierigkeiten je verschwinden könnten, glaubt nur
der Utopist. Dennoch ist es für den Menschen, der etwas
erreichen will, gut und nötig sich nicht nur ein Arbeitsziel
für morgen zu setzen, sondern sich ein Ideal zu bilden, ein
unerreichbares. Aber es muß das rechte Ideal sein.
Wenn die Religion die Soziabilität, den Gemein
schaftssinn, stärkt, so lag es nahe, daß von da aus das
evangelisch-soziale Endziel gebildet ist: der soziale Friede.
Hat man doch die evangelisch-soziale Bewegung einen
Kreuzzug für den sozialen Frieden genannt; und mancher,
wie Kutter, glaubt an die sozialistischen Utopien, wonach
der Kommunismus den kampflosen Wirtschaftszustand her
beiführen werde, und setzt darum Christentum und Sozia
lismus in eins. Wir müssen gegen solche Vermischung
der Religion mit einer wirtschaftstechnischen Richtung ent
schiedenen Widerspruch erheben, wenn wir auch die Motive
begreifen und würdigen'). Auf diesen angeblichen sozialen
0) Auch hier gilt übrigens, was ich eben feststellte: Die
soziale Reformbewegung ist weder bei uns noch vor 60 Jahren
rn England von der Religion ausgegangen, aber durch die
Religiös-sozialen beider Konfessionen außerordentlich gestärkt.
') Vergl. den inzwischen von Pfannkuch beim Weltkongreß
gehaltenen Vortrag: „Ist christlicher Sozialismus möglich?"