Full text: Die Konsumtion

104 
I. Buch B 111: K. Oldenberg, Die Konsumtion. 
§ 1. Die Literatur. 
Was die nationalökonomische Theorie von der Konsumtion zu sagen hat, gehört 
nicht nur zu ihren am meisten vernachlässigten Partien, sondern es hat in der An 
ordnung der Lehrbücher nicht einmal den ihm gebührenden Rangplatz. Im besten 
Falle erscheint es als Anhang der Lehre von der Produktion und dem Umlauf der 
Waren, statt Ausgangspunkt zu sein. Zwar kann die Produktion ihren hohen außer 
wirtschaftlichen Kulturwert haben, als Erziehungsmittel und als Trägerin der 
Arbeitsfreude; aber unabhängig von diesen wichtigen Nebenwirkungen bleibt doch 
das volkswirtschaftliche Ziel der Produktion durch alle privatwirtschaftlichen Ver 
hüllungen hindurch im wesentlichen die Deckung eines wirtschaftlichen Bedarfs, die 
Konsumtion. Die Analyse der Volkswirtschaft muß daher, wenn man nicht alle 
Zielsetzung ausschalten will, vom Bedarfe der Konsumenten ausgehen. 
Diese Verkümmerung der Konsumtionslehre wird aus der Geschichte der Natio 
nalökonomie einigermaßen verständlich. Die merkantilistische Nationalökonomie 
des 16.—18. Jahrhunderts betrachtete die Volkswirtschaft vom Standpunkt des 
geldbedürftigen Landesherrn als fiskalisches Nutzungsobjekt; die klassische englische 
Nationalökonomie des 18. und 19. Jahrhunderts betrachtete sie als eine Tausch 
wertfabrik. Der Begriff des Gebrauchswerts der Güter iür den Konsu 
menten, von der Physiokratenschule des 18. Jahrhunderts in die Nationalökonomie 
eingeführt und von ihr gepflegt, spielt daher in den Lehrbüchern der klassischen 
und neueren Nationalökonomie *) neben dem fast alleinherrschenden Tauschwert 
meist nur noch die Rolle eines pensionierten Grundbegriffs, der der Vollständigkeit 
wegen flüchtig dem Leser vorgestellt wird, und selten dringt die Betrachtung bis 
zum Gebrauchszweck der Tauschwerte, zur Konsumtion vor. Und wenn auch 
Adam Smith (1776) den Leser durch die gelegentliche Bemerkung überrascht: 
consumption is the sole end and purpose of all production 2 ), und ein Jahrhundert 
später J e v o n s (ähnlich wie in Deutschland Dühring) stoßseufzt: we, first of all, 
need a theory of consumption of wealth, so ist doch namentlich in den englischen Lehr 
büchern die Konsumtionslehre Aschenbrödel geblieben; teilweise wurde selbst die 
Existenzberechtigung eines besonderen Kapitels über die Konsumtion in Abrede 
gestellt. Obwohl die Freihandelslehre mit ihrer Parteinahme für billige Warenpreise 
zu einer Ehrung des Konsumenten-Interesses führte, wie bei dem rhetorischen Schön 
schreiber Bastiat, und obwohl das praktische Bedürfnis der Volkswirtschaft nach 
schneller Kapitalbildung in die Probleme der Ausgabenwirtschaft: Sparsamkeit und 
Luxus 3 ) hineinleitete, so blieb doch das von J.-B. S a y eingeführte Kapitel „Kon 
sumtion“ dürftig, auch wenn man es mit einer Lehre von den fiskalischen Ausgaben 
und Schulden ausstopfte. Das sozialpolitische Interesse des 19. und 20. Jahrhunderts, 
hat dann der Konsumtionslehre ein ausgiebiges neues, freilich wieder überwiegend 
privatwirtschaftliches Gebiet im Studium der Familienbudgets und Haushalts- 
*) Mit Ausnahme der mehr privatwirtschaftlichen Grenznutzenlehre. 
2 ) Wealth of nations, Buch 4, Kap. 8 gegen Ende. 
3 ) Vgl. Sommerlad, Art. „Luxus“ in der 3. Aufl. des Handwörterbuchs der Staats 
wissenschaften, und die dort zusammengestellte Literatur; auch Sombart, Luxus und 
Kapitalismus, München und Leipzig 1913.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.