massen, sondern auf der von Papiergeld beruht, hat allerdings in Deutschland,
ganz abgesehen davon, daß er infolge der Valutadifferenz gegenüber dem in anderen
Ländern entstandenen als minderwertig angesehen werden muß, die Tendenz
auszuwandern, und der Aufsaugungsprozeß ist seit Ausbruch der Revolution von
seiten ausländischer Kapitalisten in erschrecklichem Maße angewendet worden.
Tatsache aber ist, daß der neue Reichtum vielfach als Ausgang und Anfang
für die Erneuerung des deutschen Kapitalismus gebucht worden ist. In Wirklichkeit
wird sich der Auflösungsprozeß des deutschen Finanzkapitals, auch ohne die schweren
Eingriffe von außen, lediglich auf Grund der ungeheuren Verschuldung
Deutschlands vollziehen müssen. Für die Neubildung des Finanzkapitals kommt
in erster Linie das Industrie- und Handels kapital resp. sein Niederschlag
in den privaten Vermögen in Betracht. Selbst wenn in Deutschland eine starke
Regierung die Auswanderung des Kapitals verhindert hätte, so hätte mit diesem
Kapital ebenso wie mit dem noch vorhandenen Industrie- ,und Handelskapital
etwas anderes geschehen müssen als die Neubildung eines Finanzkapitals. Ein
Hauptgrund für den schlechten Valutastand, sicherlich aber der einzige haupt
sächliche, den wir von uns aus die Macht haben zu beseitigen, besteht in dem
ungeheuren Mißverhältnis des öffentlichen und des privaten
Vermögens. Das öffentliche Vermögen hat eigentlich nur noch eine negative
Seite: Schulden. Es gibt nur eine einzige, Erfolg versprechende Finanzreform,
d. i. die Überführung des privaten Vermögens in das öffentliche. Wenn man die
Schätzungen der Finanzfachleute zugrunde legt, so dürfte das private Vermögen
mit seinen 2—300 Milliarden gerade zur Deckung der vorhandenen Schulden aus
reichen. Mit Steuern können wir höchstens Bruchteile der laufenden Ausgaben
decken. An eine nennenswerte Abtragung der Kriegsschulden, der schwebenden
Schuld ist nicht zu denken. Also die Finanzreform, die notwendig ist, bedeutet
allein schon die Auflösung des deutschen Finanzkapitals, ja sogar des deutschen
Kapitals überhaupt, denn durch sie werden vor allem clie Quellen des Finanz
kapitals, das Industrie- und Handelskapital, getroffen.
Man könnte an eine Finanzierung Deutschlands durch das englisch-amerikanische
Finanzkapital denken. Wir werden sicher Kredite erhalten, die man vielleicht
am zweckmäßigsten als antibolschewistische Kredite bezeichnet. Aber
wird Amerika in der Lage sein, das ganze, tief verschuldete Europa zu finan
zieren? Und kann das in seiner Absicht liegen? Denn es handelt sich ja nicht
allein um Deutschland, sondern auch um Frankreich, Italien, ja sogar um England,
die finanziell von Amerika abhängig geworden sind oder abhängig werden. Und
selbst, wenn Amerika es könnte, würde es diese Finanzierung mit dem Zwecke
der Wiederaufrichtung des europäischen Finanzkapitals vornehmen wollen? Die
Finanzierung durch Amerika wird so weit gehen, daß Europa als koloniales Land
existenzfähig gemacht wird. Das amerikanische Finanzkapital wird Europa als
Ankage- und, Absatzgebiet sich zu erhalten suchen und dieser wirtschaftliche
Gesichtspunkt wird in erster Linie maßgebend sein für die Hilfe. Der Kapitalist
wird einem Konkurrenten, den er soeben geworfen hat, nur so weit helfen und
ihn lebensfähig erhalten, als er selber Nutzen und Ausbeutung davon hat. Eine
kapitalistische! Wiedergesundung haben wir durch ausländische Hilfe nicht
zu erwarten. Die große Täuschung, in der die Masse der Bevölkerung sich be
findet in bezug auf den kapitalistischen Wiederaufbau wird uns durch die immer
schwerer werdende Finanzwirtschaft in nicht zu langer Zeit klar und brutal vor
Augen geführt werden. Die schleichende Finanzkrise kann leicht zur Katastrophe
führen, jedenfalls werden wjr bei jeder Etappe des Friedensvertrages, wo wir
finanzielle Leistungen 1 'zu erfüllen haben, vor schwere Erschütterungen gestellt.
Solange die sogenannte Gefahr des Bolschewismus allerdings für Deutschland
besteht, wird uns die Entente Erleichterungen geben und auch mit finanziellen Hilfen
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