Full text: Kapitalistische Kolonie oder Sozialistischer Wirtschaftsbund

lands gegenüber dem Ententekapitalismus verhalten wie 1:100 oder wie der Sand 
hügel zum Hochgebirge. 
Ganz anders sieht dasl Verhältnis aus, wenn der Parole des Ententekapitalismus, 
der Kolonisierung! Deutschlands, entgegengesetzt wird: die Sozialisierung Deutsch 
lands. Wenn das Problem gestellt wird Finanzkapital öder Sozia 
lismus. 
Wir können uns die Gegenüberstellung deswegen nicht recht klar machen, 
weil wir nur das heutige Deutschland kennen, und weil die Voraussetzung für 
die Neueinstellung: Finanzkapital oder Sozialismus, die Eroberung der politischen 
Macht für die deutsche Arbeiterklasse bildet. 
Nun vollzieht sich ja in Deutschland die Vorbereitung für diesen welt 
geschichtlichen; Vorgang. Um ihn begreifen zu können, müssen wir die Ereignisse 
der letzten Zeit im Deutschland geschichtlich betrachten. Denn der reaktionären 
Bewegung kommt eine sehr wesentliche iRolle in der 'Vorbereitung zur Eroberung 
der politischen Macht durch das Proletariat zu. 
Die wirtschaftliche Katastrophe, in der wir in Deutschland stehen, ja man kann 
sogar sagen,, d!a& hoffnungslose Unternehmen ides Weltkrieges wäre nicht möglich 
gewesen, wenn in Deutschland die bürgerliche Revolution, d. h. die 
Überwindung des Feudalismus, des Junkertums, durchgeführt worden wäre. 
England hat bereits im 17. Jahrhundert seine bürgerliche Revolution zu Ende 
geführt. Seit der Hinrichtung Karls I. im Jahre 1649 ist das englische Parlament 
der Herr im Lande gewesen,. Die Franzosen haben in ihrer großen Revolution 
und dann in den ihr folgenden bürgerlichen Revolutionen 1830 und 1848 Feudalis 
mus und Junkertum erledigt. In Deutschland hat das Bürgertum diese Kraft 
nie besessen. Die Junker haben uns 1914 in den Krieg geführt, und die Junker 
haben auch nach Ausbruch der Revolution wieder das Machtinstrument des 
Staates, das Militär, immer mehr in die Hand bekommen, ja sogar darüber hinaus 
beträchtliche Teile des Bürgertutris für 'ihre Zwecke gewonnen. Es sei nur an 
die revolutionäre Rolle erinnert, welche die Studentenschaft, voran die 
Burschenschaft, in den Zeiten bürgerlicher Auflehnung gegen den Absolutismus 
und den Feudalismus im vergangenen Jahrhundert gespielt hat und an die 
reaktionäre Rolle, die sie heute spielt. 
Woher kommt das? — Wir Sozialisten müssen versuchen, in allen Zeit 
erscheinungen und politischen Ereignissen wirtschaftliche Gründe auf 
zufinden. Und in der Tat ist sowohl für die Offiziere der Truppenteile, die 
aufgelöst wurden odör werden sollen, wie auch für einen großen Teil der 
jungen Akademiker die ganze Angelegenheit eine wirtschaftliche und soziale 
Frage. Der alte Obrigkeits-, Militär- und Beamtenstaat hat ihnen nicht nur 
Existenz, sondern vor allem standesgemäße Existenz geschafft. Der wirt 
schaftliche Zusammenbruch, die Verpflichtungen des Friedensvertrages, die Not 
wendigkeit, nur wirklich arbeitende, Werte schaffende Menschen zu erhalten 
und alle Luxusberufe und parasitischen Existenzen für die Zukunft in Deutschland 
unmöglich zu machen, stellen alle die Kreise, die früher im Offizierskorps,, 
in der Diplomatie, im höheren und mittleren Beamtentum untergekommen 
sind, vor den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bankerott. Hier schafft 
wieder einmal diq wirtschaftliche Lage 'die Seelenverfassung, die politische 
Überzeugung und Auffassung, die eben den bestehenden Zustand für all die 
trüben Zukunftsaussichten verantwortlich macht und zu dem verzweifelten Ver 
suche veranlaßt, den alten Zustand, die „gute alte“ Zeit wieder einzuführen. 
Dazu kommen aber noch zwei 'andere, viel wichtigere wirtschaftliche Gründe. 
Einmal ist die wirtschaftliche Macht der Junker in Deutschland absolut 
nicht gebrochen. Sie sitzen immer noch auf ihrem Großgrundbesitz in Ost- 
und Westpreußen und in Pommern 'und verfügen über die Lebensmittel des 
deutschen Volkes und über massenhafte Gelder zur Finanzierung der Reaktion, 
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