wählen. Obwohl die bürgerliche Reaktion die Macht erhalten hat, kann sie sie
nicht ausüben, bringt sie keine tragfähige Regierung zustande.
Das Verhalten der Unabhängigen hat diese Sachlage voll in Erscheinung treten
lassen, ihre Ablehnung in die Regierung einzutreten ist eine bedeutende revolu
tionäre Tat.
Die revolutionäre Bewegung, die sich innerhalb der Arbeiterschaft Deutschlands
vollzieht, wird aber auch, und zwar sehr sorgfältig, von der Entente verfolgt.
Wird die Entente ein wirklich sozialistisches Deutschland dulden? Wird sie
nicht vielmehr schon zuvor alles unternehmen, um den Sozialismus in Deutsch
land gar nicht erst in Erscheinung treten zu lassen? Was nützt alle Mühe und
Arbeit, alle Anstrengung der deutschen Arbeiterklasse, die politische Macht zuj
erobern und den Sozialismus zur Durchführung zu bringen, wenn die Entente,
so übermächtig ist, wie sich d'as dem heutigen Deutschland gegenüber uns in
allen wichtigen Lebensfragen immler wieder herausgestellt hat? Oder, mit anderen
Worten: Tritt eine Veränderung ein im Machtverhältnis des Ententekapitalis
mus zu einem sozialistisch gewordenen Deutschland? Steht ein sozialistisch
gewordenes Deutschland dem Ententekapital gegenüber auch da wie ein Sand
haufen gegenüber dem Hochgebirge? Das ist die entscheidende Frage:
VI.
Die Lösung der Weltkrise.
Das siegreiche Finanzkapital hat in sich selber wieder zwei große schwere Krisen,
die am Anfang der Entwicklung stehen: die eine ist eine imperialistische,
und sie spielt sich ab zwischen Amerika, Japan und dem englischen
Weltreich; die zweite ist eine innere, sie ergibt sich aus der Entwick
lung der Arbeiterklasse auch in diesen Ländern zur Sozialrevolutionären Kampf
klasse. Diese beiden Krisen sind Deutschlands, des sozialistischen Deutsch
lands, Unterstützung, wenn wir verstehen, Außenpolitik zu treiben. Wir
befinden uns dabei insofern in einer schwierigen Lage, als die Eroberung der
politischen Macht durch die Arbeiterklasse in Deutschland ebensowohl eine ge
waltige Beschleunigung in dem Ablauf der Krisen innerhalb der Entente, vor
allem der zweiten Krise mit sich bringen kann wie auch das Gegenteil, däm
lich ein Hinausschieben der revolutionären Bewegungen in Frankreich, Italien
usw. Es kommt ganz auf den Zeitpunkt an und auf das Geschick, die
eroberte politische Macht zur Anwendung zu bringen.
Wir müssen uns vor allem von einem Irrtum befreien, der darin besteht,
zu glauben, demi Kapitalismus folge direkt der Sozialismus. Dem Kapitalis
mus folgt in Wirklichkeit der Kampf um den Sozialismus.
Wir befinden uns auch am Tage der Revolution immer noch in der Weltwirt
schaft, und so verhältnismäßig einfach die Behauptung der politischen Macht
gegenüber dem inneren Feind, der Reaktion, der geschlagenen herrschenden
Klasse, unter Umständen sein kann, so schwer muß die Erhaltung des Sozialismus
gegenüber einem siegreichen Finanzkapital sein. Infolge der inneren Kämpfe, die
wir gehabt haben infolge der Notwendigkeit, zuerst einmal innerpolitisch die
Macht zu erobern, infolge der Abwehrstellung, in die wir gedrängt worden sind'
durch die Reaktion, haben wir viel zu wenig Zeit und Möglichkeit gehabt, uns
mit der allerwichtigsten Zukunftsfrage eines sozialistischen Deutschlands zu beschäf
tigen : Wie hält es sich weltpolitisch? Es sind zwei Möglichkeiten
denkbar; die eine besteht in de|r Aufnahme des Machtkampfes gegen das Finanz
kapital, wie wir ihn in ^Rußland erlebt haben. Wir müssen uns darüber
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