Full text: Der Handel mit Prämienobligationen

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Solche Betrachtungen gehören alle weit mehr ins Gebiet 
der ethischen Werturteile, als in dasjenige volkswirtschaftlicher 
Erkenntnis des Seienden. Man nimmt an, je sparsamer ein Mann 
sei, desto mehr fördere er den Volkswohlstand, im Gegensatz zur 
älteren Nationalökonomie, welche vielfach den Luxus pries, weil 
dieser Handel und Gewerbe Beschäftigung bringe. 
Ins Gebiet der volkswirtschaftlichen Theorie gehören vor 
erst zwei Fragen: 
1. Was ist Sparen? 
2. Wieviel wird gespart? 
Dazu liefert uns Liefmann in seinem neuesten Aufsätze: 
„Theorie des Sparens und der Kapitalbildung“ 1 ) die Antwort. 
„Sparen,“ sagt er, „liegt dann vor, wenn man Einkommen, d. h. 
den Reinertrag wirtschaftlicher Tätigkeit, statt zum Konsum 
zur Kapitalbildung verwendet, es Produktions- oder Erwerbs 
mittel werden läßt.“ Oder kürzer: „Sparen heißt Einkommen 
Kapital werden lassen.“ Auf die Frage, wieviel gespart werde, 
antwortet Liefmann mit seinem auf der subjektiven Wertlehre 
aufgebauten Gesetz des Ausgleichs der Grenzerträge. „Dieses 
Gesetz, auf die Verwendung des Einkommens angewendet, lautet 
dahin, daß Sparen — oder, wie wir besser sagen, Kapitalbil 
dung —, dann für das betreffende Wirtschaftssubjekt vorteil 
hafter ist als Konsumieren, sobald die beim Konsum erzielten 
Grenzerträge anfangen geringer zu werden, als die bei Kapitali 
sierung erzielten.“ 
Das Sparen hängt also davon ab, ob das einzelne Subjekt 
von seiner Sparsamkeit eine größere Befriedigung seiner Be 
dürfnisse erwartet, als wenn es sein Einkommen konsumieren 
w’ürde. 
Verwendet nun jemand seine Ersparnisse, um Lotterielose 
oder Prämienobligationen zu kaufen, so bezweckt er damit eine 
Kapitalbildung und von diesem Kapital erwartet er ein großes 
Einkommen. Wird er jedoch in seinen Hoffnungen getäuscht, 
verliert er sein Kapital, so sollte er aus Vernunftsgründen 
fortan doppelt sparsamer sein. Ob er es ist oder nicht, darüber 
sagt die Nationalökonomie nichts aus, denn sie behandelt nicht 
1) Schmollers Jahrbuch, 36. Jahrgang, 4. Heft 1912.
	        
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