Full text: 20 Jahre Handelsvertragsverein

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einer äußerst schwierigen parteipolitischen Konstellation gegenüber 
gesehen hätte: Daß er von der agrarischen Rechten bekämpft 
wurde, versteht sich von selbst; die Sozialdemokratie gewährte ihm 
wohl einen gewissen Rückhalt, beteiligte sich vereinzelt sogar an 
von ihm arrangierten interfraktionellen Versammlungen, sah aber 
naturgemäß in ihm doch eine ■ Uniernehmervereinigtfng, der sie im 
Ganzen doch nur kühl gegenübersfand. Das Fatalste aber war 
die parteipolitische Zerklüftung der Geschäfts 
welt selbst: Weite Kreise, besonders die ganze Schwerindustrie 
standen unter reditsnationalliberalem Einfluß, und wollten — aus 
dem Gesichtspunkt der gemeinsamen Bekämpfung der Arbeiter 
bewegung heraus — mit dem Agrariertum nicht gern verderben, 
fürchteten auch zum Teil eine Abschwächung des Zollschubes für 
ihre Branche mehr, als die allgemeinen GefahrenTauLonomertioch- 
schubzollpolitik, und standen daher dem —von seinen Gegnern zu 
Unrecht als „freihändlerisch“ verrufenen H.V.V. wenigstens nur sehr 
lau gegenüber. Noch schlimmer aber war die Zerrissenheit des 
Freisinns in drei Fraktionen: Die stärkste derselben, die „Frei 
sinnige Volkspartei“ behandelte den H.V.V. mit großem Mißtrauen, 
ja ausgesprochener Feindseligkeit, weil dessen Gründer Ab 
geordneter der „Freisinnigen Vereinigung" war und eine Verstän 
digung mit Abgeordneten der freisinnigen Volkspartei sich nicht 
ermöglicht hatte — (R. Schmidt-Elberfeld, hatte die Beteiligung an 
der Gründung abgelehnt —; in der „Freisinnigen Zeitung“ 
wurde daher die Auffassung ausgesprochen, daß der neue Verein 
im wesentlichen Zutreiber- und Geldsammler-Dienste für die Wah 
len der „Freisinnigen Vereinigung“ leisten solle. So stießen in 
vielen — wenn auch nicht allen — Gebieten, wo die „Freisinnige 
Volkspartei“ dominierte, die Werbungen des H.V.V auf Wider 
stand. 
Um dieser verhängnisvollen Zerklüftung ein Ende zu machen, 
wurde auf Vorschlag des Sekretariats und unter Vermittlung des 
bekannten Direktors der Schultheiß-Brauerei Richard Rösicke im 
Januar 1902 eine parlamentarische Kommission des 
Handelsvertragsvereins geschaffen, in welcher nunmehr 
Vertreter aller für Industrie und Handel in Betracht kommenden 
Fraktionen einlraten: die Nationalliberalen Exe. Hobrecht, Stadt 
rat Reiehardt, Kommerzienrat Zuckschwert; die Volksparteiler Dr. 
Crüger, Reinhard Schmidt-Elberfeld, Dr. Gerschel und C. Hell- 
i legel; die Mitglieder der freisinnigen Vereinigung Bergrat a. D. 
Gothein und H. Frese, (Herr Dr. v. Siemens selbst, war - ein 
schwerer Schlag für den H.V.V. - wenige Monate nach der Grün 
dung erkrankt und im Sommer 1901 gestorbenl. \ 
Die Stellung des Handelsvertragsvereins zu 
Zollpolitik war niemals, wie von seiner Gegnerschaft 
fälschlicherweise behauptet wurde, eine freihändlerische, son 
dern nur eine unbedingte Verfechtung der Tarifverträge und
	        
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