Der Golvbestand der Emissionsbanken kein Maß der Notenausgabe.
setzt für gefährlich und ohne Rücksicht darauf, daß ihre Kundschaft auf den
Bankkredit rechnete, um auf alle Fälle die einmal mit dem Bankkredit in
Angriff genommenen Geschäfte wenigstens mit demselben Kredit liquidieren
zu können, stellt die Emissionsbank den Diskont aus eine Höhe, die bei der
Baisse weder dem Gewinn aus Differenzgeschäften, noch dem Realkapital-
zins entspricht. Und andere Quellen gibt es doch nicht. Nur Leute, die sich
in Not befinden, bezahlen z. B. den bei dem Ausbruch der amerikanischen
Krise von der Reichsbank auf l x \ 2 und 8V2 Prozent erhöhten Zins. Nach
dem Ausbruch jeder Krise handelt es sich ja nur mehr um Liquidation
eingegangener Verpflichtungen, nicht um neue Geschäfte. Diese Liquidation
erschwert die Notenbank im vermeintlichen Interesse ihres Barschatzes durch
den Abwehrzins von 7 ’/ 2 Prozent, der aber, wenn ihn jemand bezahlt, nur
ein Notstandszkns, also eigentlich Wucherzins sein kann.
Der Zinsfuß von 7 Va kann bei einer Hausse in der Regel leicht aufgebracht werden, da
die Differenzen reichlich Deckung schaffen. Bei Liquidationen (Baisse) ist solcher Zins sicher
Wucherztns, denn Liquidationen bringen Verluste, keinen Zins ein.
Wucherer ist nicht der Mann, der soviel nimmt wie er kann, sondern jener, der andere durch
Darlehen zu Geschäften animiert, mit dem Hintergedanken, später den für die Fortführung der
Geschäfte nötigen Kredit zu entziehen um die Verlegenheiten dann auszubeuten.
Just diese Rolle, wenn auch unbewußt, haben bisher die Emissionsbanken gespielt. Sie
haben mit ihren Emissionen animiert, dann haben sie gebremst und denen, die kn Verlegen
heit gerieten, den Zinsfuß erhöht^).
Dabei liegen gewichtige Gründe vor für die Annahme, daß die zum
Schutze des Goldschatzes eingeführte gewalttätige Erhöhung des Zinsfußes
(7V2 "nd 8V2 Prozent) unnötig ist, daß auch unter Beibehaltung, ja sogar
unter Herabsetzung des Zinsfußes, die Gesuche um Wechseldiskont bald nach
Eintritt der Goldausfuhr und noch bevor der Schatz der Emissionsbank er
schöpft worden, zusammenschmelzen würden, weil eben mit der Goldausfuhr-
erscheknung die Unmöglichkeit einer weiteren Hausse der gesamten Geschäfts
welt offenbar wird, was ja an sich mehr als ausreicht, um die Kauflust zu
dämpfen, den Geldhringer zu stillen, und kn das Gegenteil umschlagen
zu lassen.
Die Zinshöhe und -erhöhung selber ist es gewöhnlich gar nicht, die Eindruck auf die Ge
schäftswelt macht, sondern vielmehr der dazugegebene Kommentar. Wenn die Bank von England,
die Deutsche Reichsbank, die den Zinsfuß oft wechseln, den Diskont von 5 auf 6 erhöhen, so
kann das ekndruckslos bleiben, erhöht dagegen die Bank von Frankreich, die nur sehr selten den
Diskontosatz ändert, den Zinsfuß von 3 auf 3Va, so kann das als ein gewichtiges Symptom
dafür angesehen werden, daß die Bank ihren Goldbestand für bedroht hält und das macht dann
Eindruck, nicht das halbe prozentchen.
Es braucht auch gar iricht zur Goldausfuhr zu kommen, die Erreichung
der Dritteldeckung hat genau dieselbe Wirkung. Weiß die Geschäftswelt, daß
die Emissionsbank die Dritteldeckung erreicht hat, so weiß sie auch, daß die
Hochkonjunktur ein Ende nimmt. Denn das Ende der Hochkonjunktur ist
*) Angeblich handelten sie im öffentlichen Interesse. Und die verantwortlichen Personen
mögen auch ehrlich diese Meinung haben. Mir (S. G. 1921) aber wird es täglich klarer, daß
diese verantwortlichen Personen, wie die Sitzredakteure mancher Zeitungen nur Puppen sind,
die die Befehle der Hochfinanz ausführen, derem Einfluß sie ihre Stellung verdanken. Bei dem
Krach von 190? in New-Pork ist die Mitwirkung der Notenbank völlig erwiesen.
30