verschoben. Die Handelspreise der Lebensmittel, die den Be—
triebsmitteln der Landwirtschaft gegenüber gestellt werden, sind
heute irreführend. Die höhere Vorbelastung innerhalb der Wirt—⸗
schaft bekträgt gegen einst mehr als 10 Prozent. So beläuft sich
allein die Umsatzsteuer für 1 Zentner Lebendvieh auf einem kur⸗
zen Verkehrsweg 5,85 A. ohne Weiterwälzung durch die ver—
schiedenen Hände. Da dieselben jedoch gezwungen sind, Risiko,
Steuern und Zinsen einzukalkulieren, kann ein Aufschlag von
50 Prozent ohne weiteres angenommen werden, d. h. die Um—
satzsteuer mit allen Folgen wirkt sich nicht auf 5,85 M, sondern
auf 9Al aus. Es entsteht somit für den Landwirt eine Mehr—
belastung von 10—215 Prozent, und um diese Spanne klafft eben
die sogen. Preisschere krotz genauesten theoretischer Errechnungen.
Wenn den Landwirten diese Vorbelastung nichl erstattet wird, so
sind sie zunächst gezwungen, alle Ausgaben zu vermeiden und zu
einer extensiveren Wirtschaftsweise überzugehen. Bei einem Ver—
kaufswert der landwirtschaftlichen Produkte von 10 Milliarden
und bei einer fortgesetzten Vorbelastung von 10—15 Prozent be—
trägt der Verlust je Jahr 150 Milliarden Mark. Rechnet man
die vorjährigen niedrigen Préise für landwirtschaftliche Produkte
hinzu, als die „Schere“ um 30 Prozent klaffte, so hat die Land—
wirtschaft in diesem Jahre 20 bis 30 Prozent Verlust zu ver—
zeichnen; die Schuldenlast der Landwirlschaft an Real- und Per—
sonalkredit von 224 bis 3 Milliarden findet ihre Aufklärung in
dieser Berechnung. Bei einem „Schließen der Schere“ kann sich
der Verlust wohl verringern, kann aber nicht aus der Welt ge—
schafft werden. Hinzu kommt die Umsaätzsteuerfreiheit der einge⸗
führten Lebensmiltel, die nicht nur für die Landwirtschaft selbst,
sondern auch die mit ihr verwandten Industriegewerbe, Müllere
u. a., in schwerster Weise geführdel haben und gefährden. Der
Landwirtschaft wird nun der Vorschlag gemacht, für die Umsatz—
steuerbefreiung einzutreten. Dieser Vorschlag klingt gewiß sehr
verlockend, er muß aber reine Theorie bleiben, weil anders das
Reich wie die Länder ihre Etats nicht ausbalancieren können —
fordert doch das Dawesgutachten 1,2 Milliarden allein aus in—
direkten Steuern.
Zu 4. Die Siteigerung des Bodenpreises ist nicht auf Schutzzoll
zurückzuführen.
Die Zollschutzära seit 1880 wird als „Wucher und leichter
überverdienst der Landwirkschaft“ hingestellt. Wenn dem so
wäre, dann hätte die Landwirtschaft es nicht nolwendig gehabt,
seit dem Jahre 1885 sich mit 11 Milliarden Mark Hypotheken neu
zu verschulden. Diese Verschuldung wird aber von zoilgegnerischer
Seite nicht als eine Verschuldung zu Produktionszwecken hinge—
stellt, sondern als „eine Verpfändung der Rente“, die durch die
Zölle gegeben wurde. Diese Deduktion ist vollkommen abwegig,
denn die Landwirtschaft hat, um die vorn aufgeführte Produf—
tionssteigerung zu leisten, sehr starke Kapitalinvestitionen vor—
genommen. Allein der Gebäudewert hat sich in den letzten 40
Jahren am einstigen Geldwert gemessen mehr als verdoppelt,
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