Brotgetreidebedarf im Frieden bis auf 6 Prozent aus eigener
Ernte. Es führte also nur rund 2 Million Tonnen als Zusatz—
bedarf ein gegen 184 Millionen Tonnen, also die dreifache Menge
im Jahre 1923 und 1924. Deutschland hat keinen Anteil an der
Preisbewegung der letzten beiden Jahre gehabt. Nicht die ge—
sieigerte Kaufkraft Deutschlands in diesem Jahre, wie Geheimrat
Sering angibt, ist es gewesen, die die Preise in die Höhe trieb,
sondern geschäftliche wie politische Faktoren waren die Ursache
der Preissteigerung. Es ist bekannt, daß die privaten statistischen
Büros in' Amerika eine gute Ernte voraussagten, und daß ganz
plötzlich die von der Regierung angestellten Kommissare schlechte
Ernten in Aussicht stelllten, um die Farmer für die Wahl des
Präsidenten Coolidge gefügig zu machen. Zudem hatte die ame—
itanische Regierung eine starke Stützungsaktion für die Farmer.
in Ausficht gestellt. Gerade diese Vorgänge aber sollten jedem
einzelnen Deutschen vor Augen führen, mit, was wir zu rechnen
haben, wenn wir von den zufälligen, wirtschaftlich wie politisch
spekulativen Momenten abhangig bleiben. Wenn die verringerte
Welternte tatsächlich die höheren Preise bedingt hätte, dann
mußte heute, am Ende des Erntejahres, der Preis gewaltig in
die Höhe gehen. Der höchste Preis in Chikago betrug in diesem
Jahre 353 A je Tonne gegen 255 4 in den letzten Tagen. Nir—
gends ist ein Mangel an Brotgetreide zu spüren. Alfo schon in
diesem Jahr erweist sich die wissenschaftliche Voraussage zu einem
guten Teil als Theorie. Dazu ist auch bei einer noch so
schlechten Wirtschaft in Rußland in Anhetracht der ungeheuren
dortigen Flächen schließlich mit einer gewissen Ausfuhr, und wenn
diesesve auch auf Kosten des Verhungerns vieler Russen gehen
follte, zu rechnen. Allein die Ausfuhr von Flachs aus den öst⸗
lichen Staaten hat in diesem Jahre in wenigen Wochen die Ren—
rabilität des Anbaues bei uns vollständig in Frage gestellt.
Zu 2. Preise richten sich nach dem billigst produzierenden Lande.
Es ist überhaupt nicht einzusehen, wie die Landwirtschaft
ohne Wiederherstellumg der Zwangswirtschaft, ohne Einschaltung
von Zoll für landwirtschaftliche Produkte mit relativ preiswerten
Beitriebsmitteln versehen werden soll. Selbst Geheimrat Sering
sagt: „Für diesen Fall muß auch die Wiedereinführung von
agrarischen Zöllen in einem entsprechenden Betrage als Forde—
ruͤng ausgleichender Gerechtigkeit anerkannt werden.“ Wenn die
heutige Einfuhrsperre gegen Industrieartikel fällt, so ist zu berück⸗
fichtigen, daß sich die Produktionskosten durch die Anhäufung des
Geldes in Amerika und dessen Entwertung nominell stark erhöht
haben. Eine Ausnahme machen die Automobile und Traktoren.
Daß aber diese Maschinen nur einen Ausgleich für die ander—
weitig eingetretenen Schwierigkeiten der Landwirtschaft, und, die
zum Teil geringere Arbeitsleistung darstellen, braucht nicht beson⸗
ders hervorgehoben zu werden. Die Anschaffung von Traktoxen
allein bedeutei in keiner Weise eine Ersparnis auf anderen Ge—
bieten. Dies trifft besonders zu im Hinblick auf die gemischte
Wirtschaftsart der deutschen Landwirtschaft. Sie sind geeignet,
bestimmte Arbeiten gelegentlich schneller ausführen zu können,
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