legenen Reich, sieht er sich getragen und umhegt durch die Majestät, vor
der er sich beugt. Auch die uns so übermäßig „byzantinisch" anmutenden
äußeren Bezeugungen erscheinen dem Russen von seiner Grundauffassung
aus nur als selbstverständlich: das Sichniederwerfen, das lang sich dehnende
Beten mit dem immer wiederholten „Herr, erbarme dich", das Anrufen der Für
sprache der Heiligen. So schickt es sich, daß man mit dem Herrscher, und
daß man insbesondere mit Gott verkehrt. In den Staub muß das Geschöpf
sich beugen, wenn es vor seinen Schöpfer tritt. Niemand darf erwarten,
daß der in der Höhe Thronende auf seine Bitten rasch eingeht. Darum muß
man häufig und lange beten, und wer bei dem Herrscher ankommen will,
tut gut daran, sich durch einen Freund des Herrschers — das ist der Heilige —
bei ihm empfehlen zu lassen.
Tiefer hinein in das innere Fmpfinden führt uns die andere Seite des
Gottesgedankens, die Vorstellung von der Güte Gottes. Hier fühlt man erst
den eigentlichen Herzschlag der griechischen Frömmigkeit. Der Satz, daß
Gott dem Menschen in Christus nahegekommen ist, wird innerhalb der griechi
schen Kirche in ganz wörtlichem Sinne verstanden. In der Person Christi sind
Kräfte der oberen Welt, Kräfte des Bebens und der Unsterblichkeit in die
Sichtbarkeit hineingetragen worden. Sie wirken fort in den heiligen Hand
lungen, das heißt in den Mysterien. So erscheint dann jene von Gott gesetzte
Ordnung zugleich als ein Ganzes von Kräften und Segnungen, das sich vom
Himmel herab auf die Erde herniedersenkt. In jedem Stück dieser Ordnung ist
eine geheimnisvolle Wirkensmacht verborgen. Die Anschauung, daß die heilige
Handlung Trägerin einer übernatürlichen Kraft ist und daß diese Gabe die
Gabe der Religion ist, hat das alte griechische Christentum aus den Mysterien
religionen übernommen. Sie ist in der griechischen Kirche so tief eingewurzelt,
daß sie dort als die eigentliche Probe des Glaubens auf die Wahrheit der Er
lösung, ja auf die Bedeutung des Christentums überhaupt gilt. Wenn wir
von unserm Standpunkte aus eine derartige Auffassung materialistisch nennen,
so nimmt man dort diesen Ausdruck ohne Bedenken auf. Man erklärt uns, darin
zeige sich eben die ganze Größe des göttlichen Erbarmens, daß Gott bis ins
sinnlich Faßbare, ja bis ins stofflich Greifbare heruntersteige; hätte er das
nicht getan, so wäre die ganze Erlösung nur ein Gedankending, das heißt
nach ihrer Anschauung etwas Duftiges, etwas Unwirkliches gewesen.
Auf dieser Überzeugung ist vor allem auch der ganze griechische Gottes
dienst aufgebaut. Es wird dort nicht wie bei uns in erster Uinie geredet — was
nützt das viele Reden ? —, sondern die Sache selbst wird vorgeführt. Das heilige
Geheimnis der Verbindung des Göttlichen mit dem Sichtbaren wird in der
Uiturgie vor den Gläubigen und für die Gläubigen, wie der bezeichnende Aus
druck lautet, „vollzogen". Darin liegt für den Griechen der Sinn des Gottes-