Full text: Russlands Kultur und Volkswirtschaft

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rußland mit Moskatt und seinem Dutzend gewerbtätiger Provinzen erheb 
lich zurück, aber doch ist Petersburg als Industriestadt von bemerkenswerter 
Bedeutung. WährendMoskau mit einer Milliarde Mark gewerblicher Produktion 
an der Spitze aller russischen Städte steht, streitet sich St. Petersburg bei 
rd. 500 Millionen M Umsätzen mit Uodz um die zweite Stelle im Reich. 
Erst in weitem Abstande folgen Warschau und Riga mit je 200 Millionen M. 
Die Petersburger Industrie verdankt ihre Entwicklung vor allem dem Um 
stande, daß menschliche Arbeitskräfte bequem zu beschaffen waren. Es sind 
darunter nicht nur die ungezählten Massen niederen Volkes zu verstehen, 
die in der schnell wachsenden Hauptstadt in den letzten Jahrzehnten zu 
sammengeströmt sind, sondern auch, diese Arbeitermassen erst befruchtend, 
die lebendige Fühlung, die das russische Wirtschaftsleben gerade in Peters 
burg immer mit dem Auslande gehabt hat, das seine technischen und kauf 
männischen Kräfte mit Vorliebe hierher abgab. Wichtig ist auch die straffe 
Zusammenfassung des Russischen Reiches für die Entwicklung der Industrie 
seiner Hauptstadt geworden. Die Lage zum Absatz, soweit der Massenver 
brauch des Volkes in Betracht kommt, steht weit hinter der Moskaus zurück, 
aber dafür ist Petersburg eben eine der Stellen, an denen der russische Staat 
die Bedürfnisse deckt, die er für seine militärische Entwicklung und den 
Ausbau seiner Eisenbahnen braucht. Was die Versorgung mit eigenen 
Rohstoffen und Betriebskräften angeht, so hat Petersburg — wenn man von 
Holz absieht — wenig aufzuweisen. Die Ausnutzung der halben Million 
Pferdekräfte des Imatra-Falles in Finnland und seiner Nachbarschnellen für 
Petersburg liegt noch in weitem Feld, aber die Stadt liegt günstig für den 
Bezug englischer und deutscher Kohle und für den aller möglichen aus 
ländischen Rohstoffe. Die Petersburger Industrie zeigt ein verhältnis 
mäßig starkes Überwiegen der Metallverarbeitung für Staatszwecke, z. B. von 
Werften, Waffenfabriken usw. Was die Stadt sonst an Industrie hat, be 
ruht auf ihrer leidlich guten Arbeiterschaft und auf Anlehnung ans Ausland. 
Verhältnismäßig bedeutend sind die von den Engländern eingeführte Baum 
wollspinnerei und -Weberei, die chemische Industrie und die graphischen 
Gewerbe; daran reiht sich eine bunte Menge aller möglichen Betriebe, aus 
denen nur hin und wieder ein einzelner durch seine Größe herausragt. 
Erheblich anders liegen die Verhältnisse in Mittelrußland. Ein Blick 
auf die Karte genügt, um Moskaus vorzügliche Lage zum ganzen Russischen 
Reich zu erkennen: eine dichte Bevölkerung nach allen Seiten mit einem 
zwar für den einzelnen geringen, aber in seiner Gesamtmenge doch gewaltigen 
Bedarf; nach allen Seiten ausstrahlende Eisenbahnen; Verbindung durch einen 
leidlich schiffbaren Fluß zur großen Verkehrsader der Wolga und eine seit 
Jahrhunderten betriebsame Bevölkerung. Moskau ist der Ort, an dem die
	        
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