Full text: Russlands Kultur und Volkswirtschaft

russische Handelswelt ihre persönliche Fühlung untereinander nimmt, wo 
hin alle russischen Kaufleute bis zu den kleinsten am liebsten zum Einkauf 
kommen. Von Staatslieferungen wenig abhängig und daher weniger gefügig 
als ein großer Teil der Petersburger Industrie, hat Moskau die Handels- und 
Gewerbepolitik des Reiches stets stark beeinflußt; hier hat die öffentliche 
Meinung des national-russischen Kaufmannes und Gewerbetreibenden ihren 
Sitz. Die Nähe der Absatzmärkte und das Vorhandensein großer Arbeiter 
massen sind so günstig wie nur möglich, dazu tritt die Kapitalmacht Moskaus. 
Zu Rohstoffen liegt der Bezirk nur gut, soweit es sich um einige landwirt 
schaftliche Rohstoffe der nördlichen Zone handelt; in seinem Brennstoff 
bedarf ist Mittelrußland zu einem großen Teil auf südrussische Kohle und 
auf Naphtha vom Kaspischen Meer her angewiesen, seit die frühere Holz 
feuerung für industrielle Betriebe mehr und mehr zurückzutreten beginnt. 
Die nicht unbedeutende Metallindustrie lebt von den Lieferungen an die 
großen von Moskau ausgehenden Privatbahnen, vom Mühlenbau und von 
Maschinenlieferungen an Private; am ausgebildetsten und alles beherrschend 
ist in Mittelrußland aber die Baumwollverarbeitung mit ihren Hilfsindustrien. 
Hierin schlagen allein Stadt und Provinz Moskau Petersburg um das Vier 
fache, ganz Mittelrußland aber die Hauptstadt um das Zehnfache; zwei 
Drittel der gesamten Textilindustrie des Riesenreiches sind in Mittelrußland 
vereinigt. In der Papierverarbeitung, in der Industrie der Steine und Erden, 
in der Verarbeitung von Tierzuchterzeugnissen und Nahrungsmitteln (von 
der Butterbereitung abgesehen) hält Mittelrußland die erste Stelle im Reich; 
in der Metallverarbeitung steht es an zweiter Stelle hinter der Eisenhütten 
industrie Südrußlands, in der chemischen an zweiter Stelle hinter St. Peters 
burg. Von wichtigen Betriebszweigen der russischen Industrie fehlen nur 
Bergbau und Zuckererzeugung. Mittelrußland als Ganzes und Moskau als 
Stadt sind die gewerbtätigsten Stellen im Russischen Reich. 
Südlich von Moskau schwinden die Wälder, und immer weitet dehnen 
sich steppenähnliche Strecken aus, bis endlich die Steppe überall den Um 
kreis beherrscht. An Kursk vorbei immer weiter nach Süden gelangt man 
in das südrussische oder Donezrevier, noch vor einem halben 
Jahrhundert ein spärlich bewohntes, wenig genutztes Land, heute das West 
falen Rußlands. Die Kohlen- und ErzlageiStätten, die man seit den achtziger 
Jahren erschloß, veranlaßten das in der Geschichte industrieller Gründungen 
denkwürdige Vorgehen der russischen Regierung, das sich an den Namen 
Witte knüpft. Mit allen Mitteln staatlicher Förderung und staatlicher 
Gewalt wurde hier die Schaffung einer nationalrussischen Kohlen- und Eisen 
großindustrie erzwungen, die das russische Eisenbahnwesen vom Ausland 
unabhängig machen sollte. Die feste Zusage riesiger Staatslieferungen zu
	        
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