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gehalten. Gott selbst abzuschildern ist streng verboten. Das hieße den Un
endlichen menschlicher Beschränktheit unterwerfen. Bilder der Dreieinigkeit,
wie wir sie im Abendland so häufig haben, könnte der Grieche und der Russe
nur mit Abscheu erblicken. In die Bücke tritt für sie die Darstellung Christi
als des Pantokrator. Aber auch die Werke der bildenden Kunst sind aus
der Kirche verbannt. Die Bildsäule erscheint als ein Götze; sie könnte dazu ver
leiten, daß das Bild selbst angebetet würde, während dem Behrsatz nach die
Verehrung doch nur dem Heiligen selbst gelten soll. Und auch bezüglich der
allein zugelassenen gemalten und Mosaikbilder gelten gewisse beengende Regeln.
Jedem Beschauer fällt sofort die Starrheit, der Mangel an Tiefe der Auf
fassung bei russischen Heiligenbüdern auf. Gerade die berühmtesten Heiligen
bilder stehen bezüglich des Kunstwertes nach unserer Auffassung am aller
niedrigsten. Das liegt nicht etwa am Unvermögen des Künstlers, sondern
beruht auf bestimmter Satzung und Absicht. Der Künstler darf nichts von
Eigenem in das Bild hineinlegen; damit würde er es verfälschen und ent
werten. Er muß den Heiligen so darstellen, wie er (der Überlieferung gemäß)
wirklich ausgesehen hat. Wie könnte denn sonst der Heilige in dem Bilde
da sein? Je altertümlicher, je fremdartiger ein Bild erscheint, desto glaub
hafter dünkt es dem Russen. Ebensowenig darf der Künstler es sich beifallen
lassen, irgendetwas von Bewegung in die Züge des Heiligen hineinzutragen;
denn — der alte stoische Gedanke wirkt hier nach —: jede Bewegung führt letzt
lich auf Gemütswallung, auf ein ndßos, zurück. Aufregung ist aber etwas, was
vom göttlichen Wesen schlechterdings ausgeschlossen ist. Die feierliche Ruhe
ist die allein für den Heüigen geziemende Haltung.
Die heüige Ordnung, die in den Einrichtungen der Kirche zur Erscheinung
kommt, ist als Ganzes gewürdigt Gnade; Gabe, mit der Gott zu den Menschen
herabsteigt. Ihr muß nun antworten das Aufstreben des Menschen zu Gott.
Diese Seite der Frömmigkeit hat innerhalb der griechischen Kirche das Mönch
tum am kräftigsten entwickelt. Sein Vorbild zieht die übrige Masse nach sich.
Denn der Mönch gilt seit- alten Zeiten im Orient als der Christ, und diese
Auffassung steht in Rußland noch heute fest. Dort hat das Mönchtum im
Unterschied von anderen Gebieten der griechischen Kirche — die Türkei,
d. h. den Athos ausgenommen — noch seine alte Art und seine alte Ehren
stellung behauptet. Die Natur des Bandes leistet dabei Vorschub. Abgelegene,
unwirtliche Gegenden, wie das Weiße Meer, haben für das russische Mönch
tum eine ähnliche Bedeutung erlangt wie in alten Zeiten und in anderen
Gegenden etwa die Wüste. Von dorther, von der Gegend des Weißen Meeres,
tauchen immer wieder, auch in neuester Zeit noch Gestalten auf, die uns
ganz an die großen Heiligen der früheren Jahrhunderte in Ägypten und in
Palästina erinnern. Ja Rußland hat sogar noch eine eigenartige Fortbildung