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mann, der mit irgend einer gesuchten Ausrede oder auch mit
Gründen, die man in einem anderen Pandelsmilieu vielleicht gelten
lassen würde, versuchen wollte, sich seinen Verpflichtungen zu ent
ziehen! Gr wäre für ewig nicht nur in seiner Existenz ruiniert,
sondern auch der Verachtung seiner Berufsgenossen verfallen. Aber
so streng man in diesen Anforderungen ist, so sehr ist man doch
auch bereit, verunglückten Spekulanten die Folgen ihrer verfehlten
Spekulation tragen zu helfen. Zu einem kleinen Teil beruht das
natürlich auch auf Egoismus. Denn zu dem oben zitierten ge
flügelten Wort der Börse gesellt sich noch ein anderes: „Wer
Schulden machen will, muß sie gleich tüchtig machen." Es ist ja
klar, daß derjenige, der mit großen Schulden falliert, seinen
Gläubigern es sehr nahe legt, dafür zu sorgen, daß er sich wieder
eine neue Existenz aufbauen und die Schulden zurückzahlen kann.
So war es denn früher keine Ausnahme, daß die Maklerbank-
direktoren sich aus solchen Spekulanten rekrutierten, die falliert
hatten, sonst aber durchaus achtenswerte Leute waren und denen
diese, mit einem guten, festen Gehalt und einer reichlichen provisions-
einnahme dotierte Stellung gegeben wurde, um ihnen die Schulden
tilgung zu erleichtern.
Aber auch von solchen Fällen abgesehen, erweist sich
die Börse in der Tat außerordentlich hilfsbereit. Für Makler, die
arm sterben, wird unter den Börsenleuten eine Sammlung ver
anstaltet, ihre Familien werden fürs erste über Wasser gehalten,
ihre Söhne in gute Lehrstellen gebracht. Allerdings ist auch hier
schon ein Wandel der Dinge und der Personen bemerkbar. Das
immer mehr sich entwickelnde Aktienwesen, das das Geldkapital
in den Vordergrund schiebt und die Persönlichkeiten zurücktreten
läßt, hat auch das menschliche Mitleid etwas zum Schweigen
gebracht. Aber in den alten Börsenkreisen lebt die gute Tradition fort.
Auch nach außen hin leistet der Börsenmann zweifellos gerade
in der stillen Wohltätigkeit Bedeutendes. Allerdings führt uns
merkwürdigerweise die Wohltätigkeit auf einen eigenartigen Tharakter-
zug der Börseaner — zu dem an der Börse weit verbreiteten