Full text: Das Alkoholverbot in den Vereinigten Staaten von Amerika und seine Folgen

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Gemeinschaft betrachteten, je mehr dieser den Mann anzog und ihn 
damit der Familie abwendig machte. Mit der Zunahme des Ein 
flusses der Frau im öffentlichen Leben, in der Politik und der 
Gesetzgebung war infolge des zielbewußten Vorgehens des in Frage 
kommenden Teils der weiblichen Bevölkerung eine verschärfte Stellung 
nahme der öffentlichen Meinung gegen alkoholische Getränke somit 
ganz selbstverständlich. 
Weiter soll von Bedeutung gewesen sein, daß der heftigste 
Widerstand gegen ein Alkoholverbot von den Amerikanern irischer 
und deutscher Abstammung, letzteren insbesondere als den Haupt 
interessenten an den großen Bierbrauereien des Landes sowie als 
Weinbauern, Weinhändlern, Inhabern von „saloons“ und Schankstätten 
geleistet wurde. Der geschickten Agitation der Prohibitionisten 
wurde es deshalb nicht schwer, die Prohibitionsgegner allgemein 
als „Progerman“ zu verdächtigen und das Volk gegen sie und ihre 
Bestrebungen einzunehmen, zumal dem eingeborenen Amerikaner 
eine gewisse Abneigung gegenüber den Nichteinheimischen, Nicht- 
Bodenständigen — der Nativismus, das „Knownothing“ — innewohnt. 
In den landwirtschaftlichen Teilen des Landes, die auch heute 
noch außerordentlich prohibitionstreu sind, vor allem den ehemaligen 
Sklavenstaaten soll ferner für die Farmer bei ihrer Begünstigung 
des Alkoholverbots der Gedanke mitbestimmend gewesen sein, daß 
der Einfluß des Alkohols die Arbeitskraft, besonders des farbigen 
Landarbeiters, schwäche. Diese Auffassung, die vom Süden des 
Landes ausging, wo die Negerbevölkerung sehr zahlreich ist und 
der Weiße sich daher fortdauernd vor die Aufgabe gestellt sieht, 
gegenüber dem Schwarzen wirtschaftlich wie politisch an Ansehen 
und Einfluß nichts einzubüßen, war unter den Farmern wie unter 
den Industriellen auch der übrigen Gebiete vorherrschend geworden. 
Vornehmlich erhofften die großen Industrieverbände, wie die Standard 
Oil Company, der Steel Trust, die Eisenbahngesellschaften, die 
Automobilfabriken u. a. von dem Alkoholverbot eine Steigerung der 
Arbeitsleistung und damit eine Vermehrung ihrer Einnahmen. 
Nicht unwesentlich war die seit Jahren in den Schulen be 
triebene Aufklärung der Jugend über die Alkoholfrage. Innerhalb 
des Hygieneunterrichts wurden die einschlägigen Punkte an der 
Hand entsprechender Abhandlungen in den Schulbüchern, so z. B. 
einer illustrierten Geschichte von der Bereitung des Weines, wobei 
das Zertreten der Trauben mit bloßen Füßen gezeigt wurde, vor 
geführt und erläutert.
	        
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