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Diese -Bcschneidung 'der bett Friedensprodukttonen zur Verfügung stehenden
Kräfte und Materialien wunde in Deutschland durch die Absperrung vorn
Auslands noch weiter verschärft und mutzte sich um so verhängnisvoller ge
stalten, je länger der Krieg dauerte. '
Eine kurze Zahlenreihe, die auf Vollständigkeit keinen Anspruch macht,
soll zeigen, in welchem Ausmaß dis zum Jahre 1918 dieser Prozeß in
Deutschland gediehen war:
Verminderung der Zähl der Arbeitstiere etwa 33—44%,
der menfchl. Arbeitskräfte, zahlenmäßig nicht festge
stellt, aber sicherlich nicht weniger, vielleicht mehr,
der verfügbaren Kraftfuttermengen . . . . . 80 %,
(berücksichtigt man die Qualitätsverschlechtcrung,
so ist der Ausfall noch größer),
'der käuflichen Maschinen und Geräte 40 %,
der verfügbaren Kohlenmenge 20 %,
des Elektrizitätsverbrauchs 15 %,
des Leuchtölverbranchs 93 %,
eingeführter Saaten 91 %,
des Stickstoffdüngers 60%,
des Phosphorsäurcdüngers 75 %,
des Stalldüngers 50 %.
Die Folge dieser Ausfälle an Kraft und Material mutzte naturnoiwendig
ein Sinken der Ernten sein. Nach dem Stanlde des ,Erntejahres 1918 be
trugen die Ernten der wichtigsten Früchte nur noch % der Friedensmenge.
Bei besonders anspruchsvollen Pflanzen war die Ernteverminderung eine
noch größere (Zuckerrüben).
Zu diesen eruteminderndcn Einflüssen kam noch ein anderes hinzu, das
in seinen Wirkungen je länger je mehr unheilvoll für die landwirtschaftliche
Produktion wird.
Es war klar, daß nach Aufzehrung der großen Jnlandsvorräte und mit
dem Wirksamwerden der Blockade Deutschland verhungern mußte, wenn
sticht eine Einschränkung des allgemeinen Nährungsmittelverbrauchs und
eine möglichst gleichmäßige Verteilung der Nahrungsmittel herbeigeführt
werden konnte.' Im Frieden hatte ein Landbewohner für sich selbst und
zwei Städter zu sorgen, ein weiterer Städter lebte mittelber oder unmittel
bar von ausländischen Nahrungsmitteln. Jetzt galt cs, mit sinkenden Ernten
durch einen Landbewohner drei Städter ernähren zu lassen. Das konnte
nur gelingen bei einer allgemeinen -Einschränkung des Friedensverbranchs
und stärkerer Inanspruchnahme der auf dem Lande -erzeugten Nahrungs
mittel für die Ernährung der Städter. Ohne Zwang wäre es nicht zu
erreichen gewesen, den Verbrauch herabzudrücken, und den Landwirt bei
sinkenden Ernten zu größeren Nahrungsmittellieferungen zu veranlassen,
als er sie bei friedensmäßiger Führung seines Betriebes zu leisten gewohnt
tvar. Zwang war «daher unvermeidlich. Ob die Form und der Zeitpunkt
der Anwendung in allen Fällen richtig und- glücklich war, ist demgegenüber
eine Frage zweiter Ordnung, die heute zu erörtern wenig Zweck hat. Die
Zwangswirtschaft, die sich aus diesen Notwendigkeiten heraus entwickelte,
ist aber dem innersten Wesen der Landwirtschaft zuwider. Die Fortschritte,
welche die landivirtschaftliche Erzeugung seit der Stein-Hardenbergschen
Gesetzgebung gemacht hat, beruhen gerade aus völliger wirtschaftlicher Be
wegungsfreiheit. Diese wirtschaftliche Bewegungsfreiheit ist für die Land
wirtschaft von ganz besonderer Bedeutung, weil hier der Erfolg ganz voni
Individualisieren und Lokalisieren abhängig ist; unb Zwangswirtschaft kann