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Heute
die Dörfer und Landstädte,
und dort gibt es auch
bei der Agitation für die
Sozialdemokratienoch aller-
Hand dramatische Episoden.
Indes darf man so brutale
Gewaltakte, wie sie 1890 ins
Werk gesetzt worden waren,
nun doch nicht mehr unter
nehmen.
So können wir uns
denn hier daraufcheschrän-
ken, die Ergebnisse der Agi
tationsarbeit hinsichtlich der
für die Sozialdemokratie
bei den Reichstagswahlen
abgegebenen Stimmen vor
zuführen. Für ihre Veran
schaulichung genügt es in
des nicht, bloß die Ziffern
der drei genannten Wahlen
zu berücksichtigen. Zur Ver
vollständigung des Bildes
müssen wir erstens noch die
Ziffern des Wahlkampfes
von Jahre 1890 heran
ziehen, das die von uns zu
betrachtende Periode ein
leitet, da sie den Aus
gangspunkt abgeben für die
Berechnung und Bewer
tung der vollzogenen Ent
wicklung der zu betrachten
den Wahlkreise. Es scheint
aber ferner angemessen, die
Ergebnisse der Reichstags
wahlen vom 25. Januar
1907 gleichfalls zum Ver
gleich heranzuziehen. Denn
wenn auch dieses Datum schon etwas weiter außerhalb des Zeitabschnitts
liegt, dem der vorliegende Band gewidmet ist, als das Datum der
Wahlen von 1890, so ist seine Entfernung vom Zeitpunkt, mit dem
dieses Buch abschließt, doch nicht so groß, wie die Zeitdifferenz zwischen
diesem und dem Datum der Wahlen von 1903. Die Wahlen vom
Januar 1907 zeigen besser als die Wahlen vom Juni 1903, wie groß in
Berlin die politische Kraft der Sozialdemokratie Ende 1905 war.
Es sind also fünf allgemeine Reichstagswahlen, deren Ergebnisse in
Berlin wir zu vergleichen haben. Betrachten wir zunächst die Gestaltung
des Stimmenverhältnisses der Parteien in der Äauptstadt selbst.
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ist der Tag der Abrechnung erschienen; fjcntc, am 25. Januar, muß die
Wählerschaft Deutschlands Protest erheben gegen die bisherige Regierung»-
Politik mit ihren Lebcnsmittclzöllen, mit ihrer Flcischvcrtcuernng,
mit ihren indirekten Steuern, die die kleinen Leute, Arbeiter,
Angestellten, Handels- und Gewerbetreibenden, Handwerker und
kleinen Beamten am stärksten belasten; heute ntuß der Mittelstand
Protest erheben gegen eine Negierung, die durch Beseitigung der Zwei-
Pfennig-Postkarte bewies, daß sie an Treu und Glauben nicht denkt,
wenn es gilt die Mittel für ihre uferlose Flottcnpolitik, für die unsinnige
Art ihrer Kolonialpolitik aufzubringen — ohne dem Großkapital und
dem Großgrundbesitz wehe zu tun. Und jetzt, wo der Freisinn sich
den bisherigen Regierungsparteien angeschlossen, wo der nach der Ver
fassung allein verantwortliche Reichskanzler mit allen von ihm abhängigen
Räten schon im ersten Wahlgang in höchsteigener Person für den Frei-'
sinnigen stimmt, kann die Stimmabgabe für den Freisinnigen kein
Protest sein.
Darum müssen Sie heute für den Kandidaten der Sozial«
demokratic stimmen.
Der Kandidat der Sozialdemokraten ist
. Le» Arons
Brücken-Allee 3.
Ihr Wahllokal befindet sich
StralaueMr. 3-6 bei Kolter.
Wir bitten Sic. sich sobald als irgend möglich zum Wahllokal
zu begeben. Die Wahl ist geheim, das amtliche Kuvert erhalten Sie
im Wahllokal. Einen Stimmzettel für unseren Kandidaten haben wir
diesem Ausruf beigelegt.
ßas sozialdctnohrailsche Wahikcmitee
für öm 1. Berliner Steieksfags-Wahlkreis.
Philipp Bernstein, Kürschnermstt., Neinickendorscrstr. 1)
Karl Fahrow, Gastwirt, Ravcnestr. 6.
Herin. Heyse, Gastwirt, Boyenstr. 19.
Paül Wysocki, Barbier u. Friseur, Dalldorferstk. 2.
Letzte Mahnung an die Wähler
Retchstagsflugblatt 1907