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Der Wahlkreis, in dem die Sozialdemokratie schon vor dem Fall des
Sozialistengesetzes in die Stichwahl gekommen war, ward 1893 zum ersten-
I mal von ihr erobert. Im Jahre 1898 brachte in der Stichwahl ein win-
! ziges Mehr an Stimmen den Freisinnigen den Sieg, doch mußte die Wahl
' für ungültig erklärt werden, lind in der Nachwahl erhielt die Sozialdemo-
i kracke gleich im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Desgleichen bei
den Wahlen von 1903 und 1907. Das letzte Jahr zeigt auch die höchste
* sozialdemokratische Stimmenzahl, während im Jahr 1903 der höchste Prozent
satz sozialdemokratischer Stimmen erzielt wurde.
Kandidat der Sozialdemokratie war 1890 Konstantin Ianiszewski,
: damals Buchbinder, und von 1893 ab Richard Fischer, Geschäftsführer.
Berlin IH.
Jahr
Sozial
demokraten
Frei
sinnige
Konser
vative
Andere Parteien
Zer-
splittert
Rationalliberale
1890
12 287
11566
174
229
—
172
Stichwahl
12 945
13 637
—
—
—
—
Konservat.-
Anttsemiten
Zentrum
1893
12 732
7 919
4 534
979
318
94
Stichwahl
14 068
9 700
—
—
—
—
1898
11411
8 031
3 809
—
377
86
Stichwahl
12 766
11415
—
—
—
—
1903
15124
5 804
3 673
—
462
—
1907
14259
9 404
1656
—
443
147
Der Wahlkreis wurde 1893 zum erstenmal von der Sozialdemokratie
erobert und ist seitdem in ihrem Besitzstand verblieben. Das Jahr 1903
° zeigt die höchste absolute und relative Stimmenzahl für die Sozialdemo
kratie. Auch hier verdrängen Umbauten viele Arbeiter aus ihren Wohnun
gen, während an eine Zunahme der Wohnhäuser nicht zu denken ist, da
von allen Seiten dicht bebaute Quartiere den Wahlkreis umgeben.
Sozialdemokratische Kandidaten waren 1890 Karl Wildberger,
! Tapezierer, 1893 Ew. Vogtherr, Kaufmann, und von 1898 ab Wolf
gang Leine, Rechtsanwalt.
Berlin IV.
Jahr
Sozial
demokraten
Frei
sinnige
Konser
vative
Andere Parteien
Zer
splittert
Zentrum
1890
40 709
14 267
189
696
130
Konservat.-
Antisemiten
1893
46 356
9 768
7 469
869
499
1898
1903
45 293
68 758
7811
7 273
1256
Polen
334
9 006
8 651
1988
832
59
1907
82 039
15 708
6 601
2 708
1 313
87
Eiserner Besitzstand der Sozialdemokratie — das ist die Devise dieses
Wahlkreises. Nur 1898, ein Jahr, das für alle Parteien eine schlechte
Wahlbeteiligung aufwies, brachte der Sozialdemokratie einen Stimmen
rückgang, der indes zu unbedeutend war, um irgendwie ins Gewicht zu
fallen. Sonst ist hier nur beständiger Zuwachs zu verzeichnen, der mit
seinem sprunghaften Charakter die phänomenale Bevölkerungszunahme des
Kreises illustriert, und ohne Unterbrechung ist der relative Stimmenanteil