Ihre Verfassung war einfach und demokratisch. Durch einen sehr
geringen Monatsbeitrag — 25 Pfennig — erwarb man die Mitgliedschaft,
und die Mitglieder wählten in einer Generalversammlung den Vorstand,
der für passende Räumlichkeiten zu sorgen, die Lehrkräfte zu beschaffen und
im Verein mit dem Ausschuß dieser Lehrkräfte den Lehrplan aufzustellen
hatte. Für dies und seine sonstige Geschäftsführung war der Vorstand
der Generalversammlung der Mitglieder verantwortlich, so daß bei diesen
die letzte Entscheidung lag. Das Anterrichtsgeld für die Lehrkurse wurde
so niedrig bemessen, nämlich 50 Pfennig pro Kursus, daß es selbst der
schlechtestentlohiite Arbeiter aufbringen konnte. Allerdings zeigte sich auch
bald, daß es zu gering war, um der Schule das Bestehen aus eigenen
Mitteln zu verbürgen. Aber durch Zuschüsse von seiten der Organisationen
und Gejchenke wohlhabender Genossen ward die Schule in den Stand
gesetzt, alle Wcchselfälle von Gunst und Angunst, denen sie ausgesetzt war,
zu überdauern.
And an ungünstigen Konstellationen hat es ihr nicht gefehlt. Es ist
allen Schöpfungen dieser Art eigen, daß nur bei einem Teil derer, die sich
durch einen Vortrag für sie entflammen lassen, die Kraft der Begeisterung
für dauernde Betätigung ausreicht. Angesichts der großen Zahl von An
meldungen, deren sich die Schule in der ersten Zeit erfreute, hatte man
Lokale in allen Stadtgegenden fiir sie eingerichtet und einen sehr umfassenden
Anterrichtsplan für sie aufgesetzt, der auch Gegenstände wie Anatomie und
Physiologie enthielt. Aber man hatte nicht genug mit dem Einfluß der
Schwankungen des Arbeitsmarktcs auf die Ortsständigkeit gerade derjenigen
Elemente der Arbeiterschaft gerechnet, für welche die Schule vornehmlich
eingerichtet war, und hatte auch die ablenkende Wirkung der politischen und
gewerkschaftlichen Kämpfe auf die regeren Elemente unter den Arbeitern
unterschätzt. Schon ein erheblicher Teil der Meldungen der ersten Wochen
blieben bloße Meldungen, später aber ging es auch mit den Anmeldungen
selbst langsamer. Die Schülerzahl blieb bedeutend hinter den ersten
Schätzungen zurück, die Lehrfächer mußten beschränkt, die Schulräume ver
mindert werden, und doch wollten Einnahmen und Ausgaben nicht ins
Gleichgewicht kommen. Es schien, als ob die Schule in neutralen Anter-
richtsgegcnständcn die Konkurrenz des gut fundierten und über ein eigenes
Gebäude verfügenden alten Landwerkervereins nicht werde bestehen können,
und es gab denn auch selbst unter den führenden Parteimitgliedern Leute,
die da meinten, man möge diejenigen, die flch in Deutsch, Rechnen, Natur
geschichte usw. fortbilden wollten, ruhig dem Landwerkerverein überlassen,
und nur die spezifisch sozialpolitische Bildung von Partei wegen betreiben.
Zu denen, die so dachten und sich gelegentlich in diesem Sinne äußerten,
gehörte unter anderen Ignaz Auer.
Schließlich kam es im Jahre 1897 dahin, daß man sich ernsthaft die
Frage vorzulegen hatte, ob es nicht am besten sei, die Schule ganz auf
zulösen. Aber wie es der Schule nie an einem Stamm begeisterter
Anhänger und Freunde gefehlt hatte, die keine Mühen und Opfer scheuten,
sie über Wasser zu halten, so hatte sie auch jetzt deren genug, welche nicht
von ihr lassen mochten, bis nicht alle Mittel versucht worden seien, sie auf
eine feste Basis zu stellen. And so ward in jenem Jahre eine völlige Neu
organisation der Schule beschlossen. Die örtliche Dezentralisation der Schul-