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recht der Verfügung der Berliner Genossen vorenthalten, und so konnte
es nicht fehlen, daß gar manche Maßnahme, die sich darauf bezog, in
Berlin Mißstimmung erregte. Das kam wiederholt auf Parteitagen zum
Ausdruck, ohne daß jedoch zunächst am Rechtsstand etwas geändert wurde.
Als aber 1897 auf dem Hamburger Parteitag das Parteistatut wieder
hergestellt wurde, das nach dem Köllerstreich vorübergehend außer Kraft
gesetzt worden war, ward, gemäß einem vom Parteivorstand mit den Berliner
Delegierten vereinbarten Antrag, dem § 17 des Statuts, der vom „Vorwärts"
handelt, folgender Satz eingefügt:
„Zur Kontrolle der prinzipiellen und taktischen Äaltun g des Zentral
organs, sowie der Verwaltung desselben, wählen die Parteigenossen
Berlins und der Vororte eine Preßkommission, welche aus höchstens
zwei Mitgliedern für jeden beteiligten Neichstagswahlkreis bestehen darf.
Einwände der Preßkommission sind dem Parteivorstande zur Erledigung
zu unterbreiten. Von Anstellungen und Entlassungen im Personal der
Redaktion und Expedition ist der Preßkommission vor der Entscheidung
Mitteilung zu machen und ihre Einsicht einzuholen."
Zwei Jahre später, als der Parteitag zu Hannover das Parteistatut
abänderte, erhielt dieser Paragraph, nun § 18, eine neue Fassung, die das
Recht der Berliner noch erweitert. Es heißt darin: „Die Preßkommission
entscheidet in Gemeinschaft mit dem Parteivorstande über alle Angelegen
heiten des Zentralorgans, insbesondere über Anstellungen und Entlassungen
im Personal der Redaktion und Expedition." Danach war die Preß
kommission dem Parteivorstand in bezug auf den „Vorwärts" in jeder
Linsicht als gleichberechtigt zur Seite gestellt, was noch besonders durch
einen Schlußsatz verdeutlicht wird, der für Meinungsverschiedenheiten
zwischen Parteivorstand und Preßkommission die Heranziehung der Kontroll
kommission mit der Bestimmung vorschreibt, daß in solchen Fällen jedes der
drei Organe je eine Stimme haben solle.
Bei dieser Verteilung der Vollmachten ist es alsdann verblieben.
Der Redaktionsstab des „Vorwärts" erfuhr im Laufe der Zeit manchen
Wechsel. Wilhelm Liebknecht, der bis zu seinem im August 1900
erfolgten Tode Chefredakteur war, brauchte bald einen politischen Redakteur
neben sich, der imstande war, ihn zu vertreten, wenn Pflichten der Agitation
ihn aus Berlin fortriefen. Diese Kraft ward in Bruno Schoenlank
gefunden, der aber schon im Jahre 1894 Berlin mit Leipzig vertauschte
und die Redaktion der „Leipziger Volkszeitung" übernahm. An seine
Stelle trat Adolph Braun, und ein Jahr später ward in Georg Ledebour
ein weiterer politischer Redakteur gewonnen. Als letzterer 1897 wieder aus
trat, ward seine Stelle durch Georg Gradnauer ersetzt, und als die
preußische Regierung 1899 Adolph Braun als „lästigen Ausländer" aus
wies, ward Kurt Eisner sein Nachfolger. Eisner und Gradnauer wurden
nach Wilhelm Liebknechts Tod im Jahre 1900 die Redakteure des politischen
Lauptteils des „Vorwärts", doch war dies keine eigentliche Chefredaktion,
vielmehr wurde nun die Leitung des Blattes kollegialisch von der Gesamt
heit der Redakteure geregelt. Der Stab der Redakteure des politischen
Teils ward damals durch Äeinrich Ströbel vermehrt, und Redaktions
mitglied für Volkswirtschaftsfragen ward an Stelle Conrad Schmidts,
der mehrere Jahre dies Gebiet bearbeitet hatte, Leinrich Cunow.