Full text: Die Bewirtschaftung von Korn, Mehl und Brot im Deutschen Reiche, ihre Entstehung und ihre Grundzüge

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handelte. Nur Torheit kann das Wirken moralischer Triebkräfte 
leugnen, die in Deutschland namentlich bei Kriegsanfang stark her 
vorgetreten sind. Aber sie gehören, wie schon Smith durch die Schei 
dung in zwei getrennte Werke sinnfällig gemacht hat, in ein anderes 
Buch, das nicht von wirtschaftlichen Dingen handelt. In der Tat 
ist alles menschliche Wirtschaften, um den modernen Ausdruck zu 
nehmen, interessenzwangslänfig und wäre sonst unberechenbar. Da 
bei wird vorausgesetzt, daß jeder sein eigenes Interesse am besten 
kennt, was für das nahe Liegende zutrifft, für ferner Belegenes 
seltener; denn für geistige Kurzsichtigkeit fehlen Brillen. Die staat 
liche Korn-, Mehl- und Brotbewirtschaftung konnte daher nicht aus 
zeitweise und selten vorkommenden Gesteinen wie Pflichtgefühl gegen 
die Gesamtheit und ähnlichen edelmenschlichen Gesinnungen errichtet 
werden, sondern ist mit den gewöhnlichen Ziegeln des Egoismus 
so gebaut worden, daß alle zur Mitarbeit nötigen Kräfte ihren eigenen 
Vorteil dann gut wahren, wenn sie sich im Rahmen und in der 
Richtung der staatlichen Bewirtschaftung bemühen. Daher sind die 
Kornhöchstpreise für den Landwirt, die Kommissionsgebühren für 
den Händler, die Mahllöhne für den Müller, die Unterschiede zwischen 
Mehl- und Brotpreis für den Bäcker, die Preisgrenzen für alle beim 
Vertriebe der Mehlerzeugnisse Beteiligten ganz überlegt so bemessen, 
daß sich keine ungebührlichen, aber gute Gewinne ergeben, die über 
dem Friedensstand liegen, zumal jetzt Verlustgefahr so gut wie ans- 
geschlossen ist. Wenn gegen diese Festsetzungen immer von neuem 
mit Sparsamkeits- und Gerechtigkeitsgründen angegangen ist, so hat 
sich hinter diesem Schild neben Neid meistens Unkenntnis wirtschaft 
licher Gesetzmäßigkeiten verborgen. 
Freilich darf sich besonders im Kriege das Gewinnstreben nicht 
uneingeschränkt zum Schaden anderer ergehen. Die Gefahr ist groß 
und leider bei manchen gewerblichen Betrieben nicht vermieden 
worden, die den Krieg wie eine wirtschaftliche Konjunktur ausgenutzt 
und aufreizend hohe Gewinne ausgeschüttet haben. Da infolge der 
Hungersperre der Briten die verfügbaren Kornvorräte sich stark ver 
mindern, der Bedarf aber zunehmen mußte, stand nach dem Gesetz 
von Angebot und Nachfrage eine unverhältnismäßig hohe Preis 
steigerung bevor. Denn gegenüber dem drohenden Hunger ist die 
Macht der Verkäufer von Korn, Mehl und Brot so gewachsen, daß 
im Interesse der Gesamtheit Schranken gesetzt werden mußten. Das 
natürliche Mittel zur Einschränkung übertriebener Gewinnsucht ist 
in regelmäßigen Zeitläufen trotz aller Mängel die wirklich freie und 
gleiche Konkurrenz. Nur darf man nicht in Gedankenkurzschluß 
das duftende echte mit dem Hundsveilchen der einseitig überlegenen
	        
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