Full text: Die Bewirtschaftung von Korn, Mehl und Brot im Deutschen Reiche, ihre Entstehung und ihre Grundzüge

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bieten. Hiervon haben einzelne Bundesstaaten, z. B. Preußen, Ge» 
brauch gemacht und dadurch mittelbar die Kornbrennerei, die des 
Schrotens bedarf, stillgelegt. Ter Satz, bis zu dem beim Aus» 
iwahlen Mehl gezogen werden mußte, wurde am 5. Januar 1915 
für Roggen auf 82 und für Weizen auf 80 vom Hundert hinausgesetzt 
und den Mühlen wie den Händlern auferlegt, Weizenmehl nur mit 
LogMUiiehl im Verhältnis wie..?, r 3 gernIM abzugeben. Nur für 
kleinere Mühlen, die bei so hoher Ausmahlung kein gutes Mehl er 
zielten, konnten die Landeszentralbehörden Ausnahmen zulassen, wie 
sie seit der Verordnung vom 19. Dezember 1914 auch gestatten konn 
ten, Auszugsmehle bis zu zehn vom Hundert zu ziehen. Die Kar 
toffelmenge, die beim Brotbacken mindestens verwendet werden 
mußte, wurde am 5. Januar 1915 stark erhöht und dieser Vorschrift 
auch die Hausbäckerci unterworfen. Gleichzeitig ergingen weitere 
B a ck v o r s ch r i f t e n , die den Genuß von Weißbrot, Kuchen und 
frischem Brot einschränken und die Verwendung von Brotmehl zu 
Streumehl unterbinden sollten. 
Um die Durchführung aller dieser Vorschriften zu erzwingen, 
wurde jetzt für alle drei Gebiete weitgehende Überwachung 
angeordnet. Polizeibeamte und Sachverständige erhielten das Recht, 
in alle beteiligten Betriebs-, Geschäfts- und Lagerräume bei Land 
wirten, Müllern, Bäckern und Händlern zu jeder Tages- wie 
Nachtzeit einzudringen, nachzuprüfen, Bücher einzusehen und Pro 
ben zu entnehmen. Tie Betriebsinhaber wurden bei hohen 
Strafen zu geschäftlichen Auskünften verpflichtet. Gleichzeitig ver 
anlaßte das Reichsamt des Innern durch die bundesstaatlichen Justiz 
ministerien die Staatsanwaltschaften, bei Übertretung dieser Vor 
schriften empfindliche Strafen zu beantragen, und ersuchte die Ge 
richtsbehörden, solche Strafsachen möglichst zu beschleunigen. Nicht 
als ob man geglaubt hätte, durch reichliches Strafen eine Umstellung 
der Lebens- und Wirtschaftsgewohnheiten erzwingen zu können. Rich 
tiges Handeln ist hauptsächlich Sache des Gewissens und der Über 
zeugung. An Aufrüttelung des Gewissens und Einstellung der Über 
zeugung auf die Kriegsnotwendigkeiten war aber durch wochenlange 
Aufklärung das Mögliche geleistet. Jetzt galt es, darüber hinaus den 
Zögernden und Schwankenden den Ernft ^der neuen Anforderungen 
durch Strafzwang sinnfällig zu machen und durch schnelle Aburtei 
lung die Strafe unmittelbar dem Verstoße folgen zu lassen. 
Tatsächlich prasselte auch in den nächsten Wochen ein dichter 
Strafhagel auf die städtische und besonders auf die ländliche Bevölke» 
rung wegen solcher Übertretungen nieder und brachte chnen den Ernst 
der Zeit schmerzlich zum Bewußtsein. Die strengen Vorschriften
	        
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