1. Das staatlose Ich
unter der Nachwirkung dessen, was sie „„zu ihren .f ‘at,
getan, geschrieben oder zu tun unterlassen haben Wirkungen aver,
die von einem Ich ausgehen, sind durch kein ittel sci lich; genau -
von ihm abzutrennen, so wie man, durch einen huge etwa,
das Gestern vom Heute abtrennen kann. Und ivas. vom größtes
Ich gilt, gilt auch vom kleinsten. Wer will den Ai nblick: mit- de
Uhr in der Hand festlegen, wo die Wirkungen, die über feiner leib-
lichen Tod hinaus von ihm ausgingen, aufhören spürbar zu sein?
Grenzen des Ichs in Raum und Zeit sind praktische Behelfs-
mittel des alltäglichen Lebens. Auf der unerbittlichen Wahrheits-
suche des kritischen Denkens ist kein Ich imstande, seine eigenen
Grenzen in Raum und Zeit festzulegen.
So wäre das Ich grenzenlos? Doch nicht, vielmehr ist jedes
Ich sich seiner Grenzen nur zu sehr bewußt. Den faustischen Drang
zu fliegen - ohne Maschine, versteht sich — wer hätte ihn zu Zeiten
nicht verspürt? Und warum fliegt „er‘ nicht? Weil er weiß, daß
er es nicht kann. Daß ~ wenn auch nicht unserm Dasein in Raum
und Zeit ~ so doch unserm Vermögen, unserm Wollen sehr be-
stimmte Grenzen gesetzt sind. Von wannen kam dem Ich diese Er-
kenntnis?
Das werdende Ich weiß, auch nachdem es räumlich vom Ich
der Mutter getrennt wurde, noch nichts von Raum und Zeit.
Aber es empfindet den Hunger. Und wird der Hunger nicht gleich
gestillt, so schreit es. Wird ihm dann die Mutterbrust gereicht
oder der Flaschenersat, der mit fortschreitender „Kultur““ mehr
und mehr üblich wird — so saugt es mit sichtbarem Behagen. Es
empfindet Lust, wie es vorher Unlust empfunden hatte, um, mit
dem Zustand erfolgter Sättigung, wieder in die Dämmerung des
Unbewußten zurückzusinken.
Schmerz und Lust sind die beiden großen Lehrmeister, die das
werdende Ich nach und nach, Schritt für Schritt zum Bewußtsein
seiner selbst bringen. Aber kein Schritt wird auf diesem Weg
getan, ohne das Ich gleichzeitig zum Bewußtsein eines Nicht-Ich,
einer Umwelt, eines Du zu bringen.
Das erste Du, das ins dämmernde Bewußtsein des Ichs eintritt,
ist die Pflegerin, die Mutter. Und das Geschrei, wenn sie ausbleibt,