Full text: Der Arbeitslohn

— A — 
Wenn man das verstanden hat, so weiß man, daß von einer 
Kreuzung der „Motive“!) nicht die Rede sein kann. Der wirt- 
schaftliche Trieb tritt erst in Aktion, wenn der Entschluß gefaßt 
ist, ein ganz bestimmtes Wertding zu beschaffen. Finaler und 
modaler Trieb laufen also auf verschiedenen Ebenen und können 
sich unmöglich kreuzen. Im Gegenteil: der wirtschaftliche Trieb 
dient allen finalen Bedürfnissen auf gleiche Weise. 
Infolgedessen hat die Ökonomik nicht bloß von der „Mehrzahl 
der Menschen“, sondern von allen geistig gesunden Menschen zu 
handeln, nicht aber von „Abstracta ‚Wirtschaftsmenschen‘, aus 
deren Seele bewußt mittels der Isoliermethode alle Motive (Liebe, 
Barmherzigkeit, Haß, Eifersucht, Ehrgeiz usw.) außer dem wirt- 
schaftlichen ausgeschaltet sind“ (S. 23). 
Das „wirtschaftliche Motiv“ aber, das Arndt wie Dietzel 
gegeben glaubt, „the desire to possess wealth“ (Mill) kommt nur 
bei dem Geizigren als echtes finales Bedürfnis vor. Es bedarf 
keines own daß der Geizwahnsinn, die höchste Steigerung 
dieses sogenannten Bedürfnisses, eine extrem unwirtschaftliche 
Handlungsweise ist. 
Wie Dietzel ist Arndt ein waschechter Liberaler, und zwar 
mit all den Kennzeichen des älteren, noch nicht mit sozialistischem 
Rosa angehauchten Liberalismus. Er glaubt daran, daß unsere 
Gesellschaft unter freier Konkurrenz steht (109)?), und ist infolge- 
dessen orthodoxer Anhänger des Gesetzes der ursprünglichen 
Akkumulation: „Die Verschiedenheit der Leistungen beruht auf 
unabänderlichen Tatsachen“ (196)%. Wie Dietzel weist er 
den Sozialismus aus der Wissenschaft heraus, wie Dietzel schaltet 
er den Malthusianismus bald aus, bald ein. Ausgeschaltet wird 
er S. 46, wo ausdrücklich von dem „falschen wirtschaftshisto- 
rischen Bevölkerungsgesetz“ gesprochen wird, eingeschaltet wird 
er z.B. S. 16 Anm., S. 57, 58, S. 127: „Die Niedrigkeit der 
Löhne ist zweifellos auf die dort herrschende Übervölkerung zurück- 
zuführen“ (vgl. a. S. 141). 
Wie Dietzel erkennt er das Monopol des Besitzenden gegen- 
über dem Besitzlosen an: „Er kann unter Umständen den Besitzlosen 
1) Theorie, S. 181. 
2) Gelegentlich merkt er doch, daß das nicht so absolut stimmt: Er erklärt mit 
Thünen gewisse enorme Verschiedenheiten des Arbeitslohns damit, daß nicht etwa die 
freie Konkurrenz herrschte, sondern vielmehr damit, „daß die freie Konkurrenz teilweise 
ausgeschaltet war, bzw. sich nicht auswirken konnte“, S. 109, 
2) Vgl. mein „Staat‘, Abschnitt „Die angeborene Ungleichheit‘, S. 214. 
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