Erhebung über die Produktion
c) Die Krise der Arbeitskraft (Arbeitermangel)
Die hierauf bezüglichen Tatsachen stehen in enger Ver-
bindung mit den soeben genannten. Unter den schon erwähnten
Umständen, die in der Zeit dieser Erhebung obwalteten, konnte
die. Krise der Arbeitskraft leider nicht völlig ausreichend erklärt
werden. Als nämlich die Antworten auf den Fragebogen bearbeitet
wurden, etwa um die Mitte des Jahres 1921, war diese Krise
durch die Ausstrahlungen einer anderen Krise verdunkelt, die sich
inzwischen in der Mehrzahl der Länder entwickelt hatte. Es
handelt sich um die Krise der Absatzmärkte und ihre Rück-
wirkung, die Arbeitslosigkeit. Die Arbeiterverbände empfinden
natürlich weit mehr eine Krise der Arbeitslosigkeit als eine solche
der Arbeitskraft, und daher erschien die Frage nach der möglichen
Bedeutung einer Krise der Arbeitskraft, also der Arbeitermangel,
als ein Anachronismus in einer Zeit, in der zahlreiche Arbeiter
vergeblich nach Arbeit suchten. Immerhin ergeben sich aus den
gesammelten Unterlagen für die Mehrzahl der erfaßten Länder
mehr oder minder tiefe Spuren einer Krise der Arbeitskraft,
wenigstens in der Gestalt einer Krise der Qualität, der qualifi-
zierten und hochqualifizierten Arbeit; bisweilen erscheint sie
als überschritten oder auch als auf ihrem höchsten Punkte angelangt,
aber vielfach wird noch berichtet, daß sie in mehr oder minder
fühlbarer Form noch andauert.
Es scheint, daß dieser Faktor die größte Rolle spielt oder
spielte in den kriegführenden Ländern Europas, und daß er sich
am wenigsten bemerkbar machte in der Gruppe der außereuro-
päischen Länder, während die neutralen Länder Europas hier wie
in vielen anderen Dingen eine mittlere Stellung einnehmen. Im
Gegensatze zu den für andere Gebiete gemachten Feststellungen
ergibt sich aber diesmal, daß die Gruppe der mittel- und osteuro-
päischen Länder nicht am stärksten betroffen wurde; in diesem
Falle dürfte sich vielmehr eine andere Unterscheidung ergeben.
Nach den vorliegenden Antworten nämlich dürften Frankreich
und Belgien zu den Ländern gehören, die am meisten unter Ar-
beitermangel zu leiden haben, während Italien und Polen zu der
Gruppe der am wenigsten davon betroffenen Länder gehören.
Stark muß diese Krise der Arbeitskraft auch in dem Vereinigten
Königreiche und in Österreich aufgetreten sein, während sie in
Deutschland und in Ungarn von geringerer Bedeutung gewesen
sein dürfte. Die große Lücke, die der Krieg zurückließ, die be-
grenzte Zahl der in den verschiedenen Ländern noch zur Verfügung
stehenden Arbeitskräfte, die Rückwirkungen des Krieges uf die
Berufsausbildung wie auch die wirtschaftliche Lage gleich nach
dem Kriege, dürften die wichtigsten Faktoren gewesen sein,
die zu der mehr oder minder starken Intensität beitrugen, mit der
dieser Mangel an Arbeitskräften sich in den verschiedenen krieg-
führenden Ländern bemerkbar machte.
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