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1915 war es unser unvergeßlicher Ad o lf Pohlman.
Er ist nicht mehr, und mit ihm fehlen, wie Du heute früh sagtesst,
so viele treue Weg- und Kampfgenossen. „Abierunt ad ploeres“,
sie sind zu den Mehreren abgegangen, sagten die Römer. Denn
ist man über die 50 hinaus, sind von den uns nahestehenden
Menschen die weitaus meisten, eben „die Mehreren“ dahin-
gegangen, und man kann sich vereinsamt und alt fühlen.
Aber hiergegen gibt es ein Mittel. Das Zusammenleben und
Zusammenwirken mit der Jugend, die Jahrzehnt für Jahr-
zehnt mit immer neuem Hoffen, Glauben und Wagen in die
Lebensbahn eintritt. Und dieses verjüngende Zusammenwirken
mit der Jugend ist das schönste Vorrecht von uns Lehrern;
denn Lehrer bist auch Du allezeit in erster Linie und mit
Leib und Seele geblieben, troyß des einstigen Abbruchs Deiner
so erfolgversprechenden Schullaufbahn. So ist es denn erfreulich,
daß Dir jettt schöne eigene Lehrräume zur Verfügung stehen
in dem Bodenreformhause Lesssingstraße 11. Im erhöhten Erd-
geschoß, über der Druckerei, ist bekanntlich die Geschäftssstelle
des Bundes; darüber im ersten Stock die Wohnung der Fa-
milie Damaschke, oder richtiger die Uebergeschäftsstelle, in der
ein sozial recht bedenklicher Heimarbeitsbetrieb alle Familien-
mitglieder zur Arbeit für den Bund heranzieht, ohne sich um
Bürozeit, Achtstundentag oder sonstige Kulturfortschritte viel zu
kümmern.
Darüber im zweiten Stock war bisher die Geschäftssstelle
unserer Freunde vom Reichsverband landwirtschaftlicher Klein-
und Mittelbetriebe. Sie haben aber jett für ihren stark
wachsenden Verband ein eigenes Haus beziehen müssen, und
su ist er wieder frei und wird fortan einer Art Bodenreform-
akademie Raum bieten, in der unser Adolf Damaschke im
verjüngenden Lehr- und Forschungsverkehr mit der Jugend in
voller Frische zu seinem siebzigsten Geburtstag gelangen wird,
umgeben von einem starken Nachwuchs kenntnisreicher, klar-
blickender und warm fühlender Bodenreformer. Denn mit Recht
hast Du unsern Bund Deutscher Bodenreformer stets aufgefaßt
und geführt als eine Stelle der Forschung, der Lehre und des
werbenden Kampfes.
Zum 60. Geburtstage hast Du viele und schöne Gaben empfan-
gen, aber wohl die wertvollste von Dir selbst, in dem soeben
erschienenen zweiten Band Deiner Erinnerungen, in dem Buche
„Zeitenwende“. Seit mehr als zwei Jahren hat dieses Erinne-
rungswerk all Deine Frei- und Erholungsstunden restlos ver-
schlungen; aber die darauf verwandte Kraft ist für unseren Bund
nicht verloren. In der schlichten Wahrheit dieser um die Boden-
reform sich zur strengen Einheit zusammenschließenden, wechsel-
vollen Lebensgeschichte liegt eine überzeugende und werbende