Am Sonntag abend erörterten wir diese Streitfrage und
da sagtest Du, völlig unvorbereitet, den ganzen 90. Psalm her,
im Wetteifer mit Deinen Töchtern, aber durchweg genauer als
sie. Auch damit bewiesest Du die Berechtigung einer uns unbe-
wußt schon auf der Post liegenden wichtigen Urkunde, die
dann Montag früh einlief und Dir die höchsten Ehren in der
Theologie seitens der altehrwürdigen Fakultät Gießen verlieh:
Mit Gott
Unter dem Rektorat des ordentlichen Professsors der Physiologie
Dr. med. et sc. nat. Karl Bürker
ernennt die Theologische Fakultät der Ludwigsuniversität
durch ihren Dekan, den ordentlichen Professor
der alttestamentlichen Theologie
Dr. theol. Hans Schmidt
den Dr. jur. h. c.
Adolf Damaschke
in Berlin,
den hochgesinnten und warmherzigen Menschen,
dem ein tief in seiner Religion begründetes Verantwortungsgefühl
die Augen für die Wohnungsnot und ihre die Seelen
é zerstörende Gewalt geöffnet hat,
den genialen Forscher und Führer,
der den Gedanken der Bodenreform in ernster
wissenschaftlicher Arbeit
ergriffen und begründet und in rastlos tätiger Tapferkeit verkündet
und verfochten hat,
ehrenhalber
zum
Doktor der Theologie
Zum geugnis dessen ist gegenwärtige Urkunde ausgefertigt
worden.
Gießen, am 24. November 1925.
Der Rektor: Der Dekan:
br. Bürter. Dr. Sch m i d t.
Das Ehrendoktorat setzt bekanntlich die Einstimmigkeit aller
urdentlichen Professoren der Fakultät voraus, und so genügt das
rechthaberische Beiseitestehen eines einzelnen, um die Ehren-
promotion zu vereiteln. Prosessoren sollen aber manchmal recht-
haberisch sein. Wenigstens legte Mephisto den Professorenmantel
an, um einmal das Hochgefühl zu haben: „wie man so völlig
recht zu haben glaubt!“ Aber das von Dir und Deinem Wert
die persönlichen Rechthabereien auch deutscher Professoren schwin-
den, das hat sich ja in der Zeit seit Deinem 50. Geburtstage