89
H. Ein drittes Doktor-Diplom.
(Vgl. S. 16 und S. 17.)
Herr Geh. Medizinalrat, Universitätsprofessor Dr. Lubarsch,
Direktor des Pathologischen Instituts der Berliner Universität
und der Charité:
„Hochgeehrter Herr Kollege,
denn so darf ich Sie jett ja nennen!
Ich überreiche Ihnen hiermit an Stelle des verhinderten
Herrn Dekans als derzeitiger Prodekan das Diplom als Ehren-
doktor der medizinischen Fakultät Berlin, die am 1. 12. 1925
diesen Beschluß gefaßt hat. Die deutschen Universitäten und
Fakultäten stehen in weiten Kreisen in dem Ruf, daß sie nur die-
jenigen Geisstesarbeiter anerkennen, die auf dem gewöhnlichen
akademischen Wege ihre Bildung erworben haben, und besonders
nur solche zu akademischen Ehren zulassen. Man wird daher
vielleicht mit Recht fragen, wie es denn kommt, daß fast alle
Fakultäten sich entschlossen haben, Ihnen, der Sie nicht den
vorgeschriebenen akademischen Ausbildungsgang gemacht haben,
die höchste Würde zu verleihen, die die Universität verleihen kann
und es sich zur Ehre anrechnen, Sie in die Reihe ihrer Doktoren
aufzunehmen. Der Grund liegt, glaube ich, darin, daß Sie den
Professoren wesensverwandt sind. Professor heißt ja Bekenner
und ist auch von demselben Stamm wie das Wort Prophet. Wenn
es die Aufgabe der Wissenschaft ist, wie Wilhelm Ostwald gesagt
hat, auf Grund gewonnener Erfahrungen in die Zukunft zu
schauen und vorauszusagen, was mit Sicherheit eintreffen muß,
so gehören Sie in die Reihe der Männer, die im höchsten Sinne
als Professoren bezeichnet werden dürfen. Denn Sie haben vor-
ausgeschaut und vorausschauend gehandelt. Oftwald erzählt in
seinem Buch „Große Männer“, daß einer seiner japanischen
Schüler ihn einmal gefragt hat, wie man Genies züchte. Sicher-
lich ist das nicht möglich und können auch die Universitäten,
Genies nicht züchten, wohl aber können sie eine Ausbildung
geben, .die es Begabten ermöglicht, auf mühsamerem Wege
manches von dem zu leisten, was das Genie mit nachtwand-
lerischer Sicherheit, sozusagen ohne besondere Vorbereitung leisten
kann. Schopenhauer hat das Genie einmal im Gegensat zu dem
Talent verglichen mit einem Schüten, der ein nur ihm allein
sichtbares Ziel mit Sicherheit trifft. So haben Sie, erfüllt von
dem göttlichen Funken, ein Ziel gesehen, das die übrigen nicht
sahen und auch den Weg, um zu dem Ziele zu gelangen. Aber