Die heidnischen Quellen .
wenigstens in denKreisen der ,„Aufgeklärten“ und „Gebildeten“,
nicht mehr als Gott, aber immerhin als eine außerordent-
liche Persönlichkeit, die auftrat mit der Absicht, eine neue
Religion zu stiften, und dies mit dem bekannten ungeheuren
Erfolg auch bewirkte. Dieser Auffassung huldigen aufgeklärte
Theologen, nicht minder aber radikale Freidenker, und diese
letzteren unterscheiden sich von den Theologen nur durch die
Kritik, die sie an der Person Christi üben, der sie alles Er-
habene möglichst zu nehmen suchen.
Indessen hat schon zu Ende des achtzehnten Jahrhunderts
der englische Geschichtschreiber Gibbon in seiner Geschichte
des Verfalls und Untergangs des römischen Weltreichs (ver-
faßt 1774 bis 1788) mit feiner Ironie darauf hingewiesen,
wie auffallend es ist, daß keiner seiner Zeitgenossen etwas von
Jesus berichtet, der angeblich so Erstaunliches geleistet hat.
„Wie sollen wir jene träge Aufmerksamkeit der heidnischen
und philosophischen Welt für jene Zeugnisse erklären,“ schreibt
er, „die von der Hand der Allmacht nicht ihrer Vernunft,
sondern ihren Sinnen geboten wurden? Im Heitalter Christi,
seiner Apostel und ihrer ersten Jünger wurde die Lehre,
welche sie predigten, durch zahllose Wunder bekräftigt. Die
Lahmen gingen, die Blinden sahen, die Kranken wurden ge-
heilt, die Toten auferweckt, Dämonen ausgetrieben und die
Gesetze der Natur oft zum Wohle der Kirche unterbrochen.
Aber die Weisen Griechenlands und Roms wendeten sich
von dem ehrfurchtgebietenden Schauspiel ab und schienen,
indem sie die gewöhnlichen Beschäftigungen des Lebens und
der Studien verfolgten, aller Anderungen in der moralischen
und physischen Regierung der Welt unbewußt zu sein.“
Nach der christlichen Überlieferung wurde beim Tode Jesu
die ganze Erde oder mindestens ganz Palästina in drei-
stündige Finsternis versezt. Das trug sich bei Lebzeiten des
älteren Plinius zu, der in seiner Naturgeschichte ein eigenes
Kapitel über Finsternisse hat; aber von dieser erwähnt er
nichts. (Gibbon, 15. Kapitel.)