Vorwort
Die folgenden Seiten geben im wesentlichen einen
Vortrag wieder, den ich am 5. Januar dieses Jahres in meiner
Heimatstadt Lüneburg gehalten und bald darauf in Marburg
wiederholt habe. Der erste Teil ist unverändert geblieben,
dagegen habe ich den zweiten ziemlich stark erweitert. Dieser
ist es auch, der mich veranlaßt hat, die ursprünglich nicht
für den Druck bestimmten Ausführungen zu veröffentlichen.
Was das deutsche Publikum über die kleinrussische
Frage erfährt, das geht fast durchweg aus von einer Anzahl
österreichischer Ruthenen, die mit großer Energie seit Kriegs-
beginn für die Interessen ihres Stammes arbeiten. Aber ihre
nationale Leidenschaft, die außerordentlich hochgespannten
Hoffnungen, die sie für das Schicksal der Kleinrussen an den
Sieg der Zentralmächte knüpfen, führen sie zu einer Auffassung
der Dinge, die ernster Prüfung nicht standhält. Soviel ich sehe,
hat in Deutschland nur einer, Alexander Brückner, einer der
besten Kenner des Slaventums und seiner Geschichte, seine
warnende Stimme dagegen erhoben, für diesen Krieg dem
Gegensatz zwischen Groß- und Kleinrussen in Rußland selbst
irgendwelche Bedeutung beizulegen. Aber seine Stimme ist
ungehört verhallt, und es gibt viele bei uns im Vaterlande,
die, verführt durch die Agitation Österreichischer Ruthenen,
auf einen Aufstand der Kleinrussen in Rußland rechnen, die
nicht wissen, daß der Krieg so gut wie anderwärts auch hier
die bestehenden Gegensätze in den Hintergrund gedrängt hat.